Kommentar Rettung der US-Banken: Schrott darf nicht Schrott heißen
Geithner hofft noch immer auf die Selbstheilungskräfte des Marktes - und genau dieser Irrtum dürfte für die US-Steuerzahler enorm teuer werden.
Aktionäre und Anleger können sich freuen, denn sie bekommen bis zu einer Billion Dollar geschenkt. Die US-Regierung hat eine historische Entscheidung getroffen: Sie will den heimischen Banken ihre Schrottpapiere abkaufen - und damit das gesamte Verlustrisiko übernehmen.
Offiziell klingt der Plan natürlich ganz anders: Glaubt man US-Finanzminister Timothy Geithner, dann kostet die Bankenrettung nur maximal 100 Milliarden Dollar - wäre also fast gratis zu haben. Denn zumindest in Geithners Welt sind die Schrottpapiere gar keine Schrottpapiere, sondern solide Anlagen, für die leider "momentan" kein Markt existiert. Demnach wäre die Finanzkrise also eine Art nervöse Einbildung von panischen Bankern, die eine kleine staatliche Beruhigungspille brauchen.
Geithner hofft noch immer auf die Selbstheilungskräfte des Marktes - und genau dieser Irrtum dürfte für die US-Steuerzahler enorm teuer werden. Denn alles spricht dafür, dass die Schrottpapiere tatsächlich Schrott sind. Sie verbriefen Kredite, die niemals mehr zurückgezahlt werden, weil viele US-Bürger hoffnungslos überschuldet sind.
Da der Schrott aber nicht Schrott heißen darf, muss er irgendwie aufgehübscht werden: Geithner verfiel auf die aparte Idee, dass er die notleidenden Papiere gemeinsam mit privaten Investoren aufkaufen will. Diese kreative Variante der "Public Private Partnership" dürfte das Staatsbudget aber kaum schonen, da die Anleger schon dafür sorgen werden, dass die Verluste nicht bei ihnen hängen bleiben, sondern bei der Regierung.
Was also soll der Krampf? Offenbar ist die US-Regierung bereit, fast jeden Preis zu zahlen, damit sie die Banken nicht komplett übernehmen muss - obwohl das billiger wäre. Denn bei verstaatlichten Banken ist ausgeschlossen, dass private Investoren Gewinne einfahren, während die Regierung die Verluste auffängt. Doch die US-Politik scheint zu fürchten, man könnte sie des "Sozialismus" bezichtigen.
Ideologisch haben also die Investmentbanker gesiegt. Diese Botschaft des Geithner-Plans wird weltweite Folgen haben. Den Schaden tragen die Steuerzahler.
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