Kommentar Ressidenzpflicht: Ohne Passierschein nach Berlin
Für viele waren Verstöße gegen die Ressidenzpflicht eine passende Gelegenheit, Asylbewerber zu kriminalisieren und so ihren Aufenthalt hier zu erschweren.
D ie geplante Abschaffung der Residenzpflicht ist ein erfreulicher Einstieg in die gemeinsame Politik der nun beide rot-rot regierten Nachbarländer Berlin und Brandenburg.
Die Residenzpflicht zwingt Asylbewerber und geduldete Flüchtlinge bei Androhung von Strafe, den ihnen als Aufenthaltsort zugeteilten Bezirk oder Landkreis nicht ohne behördliche Genehmigung zu verlassen. Als Teil des Asylverfahrensgesetzes ist sie Bundesrecht.
Gerade in ländlichen Gebieten wie Brandenburg bringt sie oft handfeste Nachteile: Beratungsstellen oder kompetente FachanwältInnen sind so nur mit immer wieder einzuholender Erlaubnis erreichbar. Besuche bei bereits in Deutschland lebenden Freunden und Familienangehörigen oder Anlaufstellen der Community werden erschwert - und damit genau das Andocken bei denjenigen, die als integrative Brücke in die Mehrheitsgesellschaft dienen könnten.
Kein Wunder, dass Verstöße gegen die Residenzpflicht die Mehrzahl der Rechtsverstöße von Asylbewerbern darstellen. Das kann für diese böse Folgen haben: Wer auf diese Weise zum "Mehrfachkriminellen" wird, vermasselt sich als langjährig geduldeter Flüchtling etwa das Recht auf sicheren Aufenthalt nach der Altfallregelung.
Doch die Folgen der von Flüchtlingsorganisationen als Menschenrechtsverstoß bewerteten Residenzpflicht kommen manchen auch zupass: Bietet sich ihnen doch die Möglichkeit, auf die "hohe Kriminalitätsrate" von Flüchtlingen und Asylsuchern hinzuweisen.
Länder können diese aus Bundesrecht entstehende Schikane durch eigene Verordnungen aufheben, so das Ergebnis eines juristischen Gutachtens des Flüchtlingsrates Brandenburg. Schön wäre, wenn andere Länder dem Beispiel folgten - auf die Abschaffung auf Bundesebene darf derzeit wohl kaum gehofft werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!