Kommentar Residenzpflicht-Lockerung: Zeit für ein gemeinsames Signal
Die Zeichen stehen auf Liberalisierung. Aber es bleibt noch viel zu tun im Umgang mit Flüchtlingen.
K eine Frage, die Signale stehen auf Liberalisierung im Umgang mit Flüchtlingen. Überall im Norden wird an den bisherigen Prämissen der Asylpolitik genagt, die vor allem eine Politik der Abschreckung war. Winterabschiebemoratorium für Roma in Schleswig-Holstein und Bremen, Lockerung der Residenzpflicht durch die Kieler Landesregierung und die Forderung der Bremer Ausländerbehördenleiterin nach einer Willkommenskultur für Flüchtlinge sind ermutigende Zeichen für einen Kurswechsel.
Auch wenn dies nur Trippelschritte zur Liberalisierung des Ausländerrechts sind, deutet sich an: Für die Menschen, die hier Zuflucht vor Hunger, Krieg, Elend und Verfolgung, ist es gut, dass nirgends im Norden noch die CDU regiert.
Doch zwischen den Nord-Ländern rumpelt es in der Asylpolitik noch gewaltig. Jeder kocht sein eigenes Süppchen, Abstimmung ist Mangelware und in Hamburg ticken die Uhren viel langsamer als in Bremen oder Kiel. Die SPD-regierten Nordländer und Stadtstaaten vertun so die Chance, gemeinsam die Spielräume, die das Ausländerrecht bietet, zu nutzen, die Lebensverhältnisse für Flüchtlinge zu vereinheitlichen und ein kraftvolles Signal für einen humaneren Umgang mit denen zu setzen, die hilfesuchend zu uns kommen. Noch immer steckt die Angst davor, bei großzügiger Auslegung der Gesetze von Menschen mit Fluchthintergrund überrannt zu werden, manchem Sozialdemokraten in den Knochen.
Es ist an der Zeit für einen norddeutschen Flüchtlingsgipfel, der auch nach länderübergreifenden Möglichkeiten sucht, Asylsuchenden einen schnelleren und besseren Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Bildung und Gesundheitsleistungen zu gewähren, Kettenduldungen durch einen sicheren Aufenthaltsstatus zu ersetzen und Abschiebehaft perspektivisch überflüssig zu machen. Vieles gilt es zu verändern und gemeinsam dürfte das leichter sein. Denn der Weg vom Abschreckungssystem zur Willkommenskultur ist noch immer sehr weit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen