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Kommentar Rentendiskussion in der SPDDie Rente mit 67 ist nicht sicher

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Sigmar Gabriels immer neue Rentenvorschläge sind Schadensbegrenzung: Er muss die Gerechtigkeitskrater der Schröder-Regierung stopfen.

E s ist nicht ganz einfach, bei den Rentenvorschlägen der SPD noch den Überblick zu behalten. Eine Teilrente für 60-Jährige, ein paar Milliarden Euro mehr für Erwerbsminderungsrentner, dazu noch eine Betriebsrente plus.

Vor allem Frauen, die in mies bezahlten Vollzeitjobs gearbeitet haben, sollen eine Solidarrente von 850 Euro bekommen. Und wer körperlich hart auf dem Bau geschuftet hat, soll schon vor 65 Jahren aufs Altenteil dürfen, wenn er 45 Jahre rentenversichert war. Die SPD versucht sich an einem Feuerwerk von Vorschlägen, Ausnahmen, Sonderregelungen. Das sei eben die nötige Antwort auf eine zerklüftete, individualisierte Arbeitswelt.

In manchem stimmt das. Es ist ja richtig, dass der Bau- oder Schichtarbeiter, der mit 17 Jahren zu malochen begann, ohne finanziellen Verlust schon mit 63 in Rente darf – nicht aber der Redakteur, der erst mit 27 sein Job anfing. Das ist gerecht, gerade weil Ärmere mit wenig Bildung fünf Jahre früher sterben als Akademiker, was bei der Rentendebatte zu wenig berücksichtigt wird.

Bild: taz
Stefan Reinecke

ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz.

Allerdings haben Gabriels immer neue Vorschläge einen profanen Grund. Nirgendwo sonst hat die Schröder-Müntefering-SPD solchen Schaden angerichtet wie bei der Rente. Es war die SPD, die via Riester-Rente der Versicherungsindustrie ein hübsch eingepacktes Milliardengeschenk gemacht hat, gegen das die Hotelsteuer der FDP wie Peanuts wirkt. Es war Franz Müntefering, der rabiat die Rente mit 67 durchsetzte, die gerade Arbeiter und Ärmere treffen wird.

Das Resultat der von der SPD verantworteten Rentenpolitik ist deprimierend: Jede(r) dritte Deutsche wird in Zukunft im Alter arm sein. Wer nichts erbt, kein eigenes Haus hat und nicht zur Mittelschicht gehört, wird in zwanzig Jahren im Alter mit Hartz IV auskommen müssen. Wenn man von einer Rückkehr der Klassengesellschaft reden kann, dann bei der Rente.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat den undankbaren Job, die kratergroßen Gerechtigkeitslücken, die die Müntefering-Ära hinterließ, irgendwie zuzuschütten, ohne aber demonstrativ mit der Schröder-Müntefering-SPD zu brechen. So sieht das SPD-Konzept auch aus. Die Rente mit 67 bleibt, aber für immer mehr Gruppen soll es Ausnahmen geben. Das wirkt so, als würde ein Mechaniker an einem Wagen immer neue Stellschrauben justieren. Das Auto aber rollt noch immer in die falsche Richtung.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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10 Kommentare

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  • H
    Harald

    Kein Geld für rente?Dafür marode banken und kaputt gewirtschftete Unternehmen mit Geld Geschenken überschütten,da ist noch Spielraum nach oben wenn man weiterhin bei den kleinen Geizt.Ein Armutzeugnis für eines der Reichsten Länder der welt.

  • W
    Waage

    Ich fasse es nicht, die SPD Führung scheint gar nichts gerafft zu haben. Mit so einem Grad an Autismus habe selbst ich nicht gerechnet!

     

    Die SPD hat sich mindestens 20 Möglichkeiten ausgedacht um Geld für Symtomkuriererrei aus dem Fenster zu werfen um beim Wähler zu punkten (geht es überhaupt noch um irgend etwas anderes?).

    Kein einziger Vorschlag wie das dafür notwendige Geld eingesammelt werden soll ausser durch Beitragserhöhungen der abhängig Beschäftigten. Kein Vorschlag wie die Umlage wieder auf eine breitere und solidarischere Basis zu stellen wäre. Nicht einmal ein Ansatz eines Schrittes in diese Richtung.

     

    Herr Reinecke hat recht, das Auto rollt immer noch in die falsche Richtung und es wird sogar scheller als langsamer.

     

    Was hat dieser Verein in den drei Jahren Opposition gemacht? Statt ganz genau zu analysieren was in der eigenen Regierungszeit falsch gelaufen ist und was man daraus lernen könnte hat man mit den üblichen parteipolitischen Oppositionsspielchen die Zeit vertrödelt. Konzeptionelle Arbeit mit Blick auf eine künftig mögliche Regierungsbeteiligung oder sogar - Führung: nahezu Null!

     

    Man kann es wohl nur noch so formulieren:

     

    das "neue" Rentenkonzept der SPD ist schwach wie Flasche Leer, nach fast 150 Jahren fehlt jegliche Inspiration und Ambition, die organisierte Sozialdemokratie zumindest in dieser Partei scheint fertig zu haben...

  • P
    Peter

    Die Argumentation das wir alle älter werden ist die größte Lüge der Politik.

    Beamte und Politiker werden älter, nicht der der die reale Wirtschaft stützt.

     

    Aus der SPD fehlt nur noch der Vorschlag Rente ab 90.

  • T
    Trash

    Dass die "Lobbykratie" ihr Geld behält, darum geht es hauptsächlich. Mit dem "Vorsorge-Geld" der Versicherungen kann man auch zur Not noch Haushaltslöcher stopfen. Hatten wir doch schon mal-, nur dass man sich da an der gesetzlichen Rentenversicherung vergriff.Und ob da bei der Zockerei der Banken mit Versicherungsgeldern noch was übrig bleibt ist schon fraglich. Im Grunde wollen die nichts ändern! Die Flickschusterei hat Methode, damit das "Schmierensystem" erhalten werden kann. Parteispenden der Versicherungen und Pöstchen der Politiker bei denselben müssen auch finanziert werden, "dafür sollte die Politik auch was tun". Indirekt bezahlt also derjenige, der privat vorsorgt auch das. "Und sie schämen sich nicht".

  • TE
    Thomas Ebert

    Ein recht guter Artikel, dem aber leider die Schlussfolgerung fehlt.

    Gegenwärtig wird mit großem medialen Pomp die Frauenquote für Aufsichtsräte diskutiert. Also es geht darum auch PolitRentnerInnen auskömmlich zu versorgen. Also die von der Leyens der Republik. Personen, die keine Probleme mit ihrer Alterssicherung haben.

    Das viel wichtigere Thema der Renten spielt nur eine untergeordnete Rolle in der öffentlichen Diskussion.

    Die Absenkung des Rentenniveaus auf 43% bringt den Durchschnittsrentner zwangsläufig unter die Armutsgrenze! Das ist schlichtweg verfassungswiedrig! Auch wenn in einigen Jahren die Rente mit 67 vollzogen ist und das Rentenniveau die angestrebten 43% erreicht hat, wird in Deutschland das BSP gestiegen sein.

    Immer mehr können sich immer weniger leisten obwohl mehr Waren und Dienstleistungen produziert werden.

    Wir haben eindeutig ein Verteilungsproblem, das mit Riester und Co. nicht zu beheben ist. Doch für einen radikalen Schnitt fehlt der Wille der politischen Kaste. Würden alle Einkommen zur Sicherung der Altereinkommen herangezogen, dann hätten wir kein Rentenproblem. Als die SPD noch eine Arbeiterpartei war wusste sie das.

  • Y
    Yasam

    Die Rente ist sowieso nicht sicher! Und das wissen diese Parteien auch - allen voran die SPD.

  • A
    Arne

    Irgendwie scheint der Autor des Kommentars doch einige Schwierigkeiten mit unserer Demokratie zu haben.

    Es war nicht die Schröder/Münteferung-SPD, die diese Form von Altersarmut hervorgebracht hat, es war eine rotgrüne Regierung, die von 1998 bis 2005 ihr Unwesen trieb und dafür sorgte, dass der Autor heute wohl einiges nicht mehr mitbekommen hat. Eine Mittelschicht, von der er redet, die eine gesicherte Rente hat, gibt es nicht mehr seitdem. Und das Leben auf HartzIV-Niveau ist für jemanden, der nach 30 Jahren Arbeit 67 ist, ähnlich unerfreulich, wenn er erst 50 ist und sich dafür anhören muss, dass Quoten für ältere Arbeitnehmern in Betrieben nie debattiert werden im Gegensatz zu Quoten für Frauen in Aufsichtsräten.

  • C
    Celsus

    Der Artikel ist sehr gut. Nur gehe ich nicht davon aus, dass da Gabriel Gerechtigkeitskrater stopfen will. Er reißt zum Teil neue Krater noch auf. Die Zustimmung zur privatn Absichrung derjenigen, die sich eine private zusatzversicherung leisten können und von der Versicherung angenommen werden, ist ein weiterer Aderlass der gesetzlichen Rentenversicherung an guten Risiken. Jede Prvatfirma würde bei einem solchen Geschäftsgebahren pleite gehen.

     

    Was tut die SPD-Spitze? Sie springt der CDU-Ministerin bei diesem Vorhaben zur Seite. Die Zeit der Geschenke an private Firmen, die sich ihrerseits erkenntlich zeigten, ist nicht vorbei. Mitten in der Finanzkrise werden da Gelder nicht in die umlagefinanzierte gesetzliche Versicherung gesteckt.

     

    Ist den beteiligten Politiker_innen bewusst, das nach Finanzkrisen und dem Totalverlust von Vermögen dann immer der Wiedereinstieg in die umlagefinazierte Rentenverischerung kam und die kapitalgedeckten Anteile verschwanden? Nein? Wozu zahlen wir solche Leute so spitzenmäßig, wenn deren Eigeninformation in dem Ausmaß zu wünschen übrig lässt?

  • H
    Harro

    Ist die Frage, ob der Redakteur überhaupt die 67er Marke nehmen kann? Die Arbeitswelt entwickelt sich schnell und fast überall spielt eine Oben-Unten, Niedriglohn-Hochlohn-Polarisierung eine Rolle. Der Eine braucht gar nicht vorsorgen, weil es ihm so gut geht, der andere kann nicht vorsorgen. Dann noch das Bonmot von Müntefering, man solle den Malle-Tripp im Jahr in die Vorsorge umleiten. Selbst mancher Redakteur verzichtet darauf, aber vorsorgen, um auf 75 oder 90 Prozent seines letzten Verdienstes zu kommen, das schafft der/die damit auch nicht.

     

    Nun geht es Deutschland ökonomisch ganz gut, aber das spiegelt sich eben nicht im Unten der Gesellschaft wieder. Dass überhaupt Gabriel, von der Leyen, Rößler, Steinmeier sich über diese Fragen Gedanken machen müssen, basiert auf eine dramatischen Ahnung, was bald auf Deutschland zu kommen könnte. Und da habe ich Zweifel, ob die bisher diskutierten Lösungen wirklich echte Lösungen sind.

  • H
    Hans

    Die Gerechtigkeitskrater der Ära Schröder müssen dringend gestopft werden, da gebe ich dem Autor Recht - wie kann es sein, dass Leute für ihr Nichtstun Geld bekommen? Und die verzogenen Kinder dieses Packs auch? Erst, wenn im Grundgesetz als Ewigkeitsklausel steht, dass niemals in Deutschland Menschen vom Staat Geld fürs Nichtstun erhalten, dann kann man sich an die Rente machen - vorher nicht.