Bernd Pickert über DIE Regierungskrise in Guatemala
: Hoffnung auf Neuanfang

Von einer Zeitenwende in Guatemala zu sprechen wäre aber verfrüht

Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, dass Otto Pérez Molina hinter Gittern sitzt. Der 2011 nach einem von markigen rechtspo­pu­listischen Sprüchen geprägten Wahl­kampf zum Präsidenten Guatemalas gewählte Exmilitär soll an der Spitze eines riesigen Korruptionsnetzwerks gestanden haben, zusammen mit seiner Vizepräsidentin, die bereits hinter Gittern sitzt. Am Dienstag entzog ihm das Parlament die Immunität.

Pérez Molina hätte nie Präsident werden dürfen. Als Militär war er an den Schlächtereien der frühen 80er Jahre beteiligt, belangt worden ist er nie. Das passt zu Guatemala, tut aber nicht gut.

Immerhin: Die Herrschaft des Mannes, der mit dem Versprechen angetreten war, der Korruption den Kampf anzusagen, war so unglaublich korrupt, dass selbst die vollkommen eingeschlafene Zivilgesellschaft wieder aufgewacht ist. Zwar wären die Anklage und der Entzug der Immunität ohne die Arbeit der von den UN ein­gesetzten Kommission gegen die Straf­losigkeit in Guatemala nicht denkbar gewesen – ohne die Massenproteste allerdings auch nicht.

Die De-facto-Absetzung dieser Regierung als Zeitenwende in Guate­ma­la zu begreifen, wäre allerdings verfrüht. Ob die Bewegung, die da auf die Straße ging, auch in der Lage ist, eine politische Alternative aufzubauen, ist derzeit vollkommen unklar. Die alten Parteien, auch die der Linken, sind entweder verstrickt in diverse Mauscheleien oder bedeutungslos.

Und die politischen Aufgaben in Guatemala sind riesig: Mit jedem neuen Tag gibt es mehr dunkle Vergangenheit aufzuarbeiten, letztlich funktioniert das gesamte Staatswesen inzwischen auf eine Art, die privater Bereicherung, ungesühnten Menschenrechtsverletzungen und ungehemmter Korruption freie Bahn lässt. Wenn es gelingt, die Bewegung gegen Otto Pérez Molina zur Keimzelle echter gesellschaftlicher Veränderung zu machen, wäre viel gewonnen. Es fällt nur schwer, daran zu glauben.

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