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Kommentar Regierungskrise GriechenlandGroße Koalition, nein Danke!

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Beide großen Parteien Griechenlands eint eine Kultur der Klientel-Politik. Eine Große Koalition, ein gemeinsames Meistern der Krise, das ist der Politik dort völlig fremd.

W enn in Deutschland ein mittlerer Hagelschauer niedergeht, folgt darauf sofort der Ruf nach einer großen Koalition, um die schwere Krise zu meistern. Wenn Griechenland vor dem Konkurs steht, dann folgt darauf – erst einmal nichts. Eine Koalitionsregierung war in Athen bis dato so unvorstellbar wie ein Eisregen im August.

Seit 1974 haben abwechselnd zwei Blöcke das Land regiert. Die konservative Nea Demokratia (ND) hat das zweifelhafte Verdienst, die meisten Schulden angehäuft zu haben. Die linke Pasok stand ihr lange Zeit nur wenig nach. Beide Parteien eint eine Kultur des Klientelismus, die sich über Jahrzehnte darin materialisierte, den eigenen Wählern Wohltaten und insbesondere viele schöne Posten im öffentlichen Dienst zu bescheren.

Selbst heute, wo es nichts mehr zu verteilen gibt, bleibt dieses System an der Spitze intakt: Man mag sich kaum etwas Furchtbareres vorstellen, als Premierminister in Athen von Brüsseler Gnaden zu sein. Und doch wollen alle diesen Posten unbedingt ergattern - weil er weitere Posten verspricht.

Bild: taz
Klaus Hillenbrand

ist Chef vom Dienst der Printausgabe der taz.

Eben weil ND und Pasok sich so ähnlich sind, konnte eine Kooperation bisher nicht zustande kommen. Hieße dies doch, dass dem Pakt zwischen Parteien und Wählern über Geben (Stimmen) und Nehmen (Posten) der Boden entzogen würde. Eine Kultur des Kompromisses war bisher nicht vorgesehen.

Ganz selbstverständlich hat die ND bisher alle Sparpläne der Pasok-Regierung abgelehnt und in gewohnter Manier das Blaue vom Himmel versprochen. Ebenso selbstverständlich beharrte Giorgos Papandreou darauf, dass natürlich nur er als Regierungschef infrage komme.

Die Tatsache, dass viele deutsche Wähler politische Konflikte verabscheuen und vermeintlich harmonische Verhältnisse bevorzugen, spricht nicht unbedingt für ein verinnerlichtes Verständnis von Demokratie. Indessen haben viele Griechen die Selbstbedienungsmentalität der Politik satt. Die Sympathien für ND und Pasok sind gleichermaßen im tiefsten Keller.

Dennoch käme es einer Revolution gleich, sollte in Athen eine Koalitionsregierung entstehen. Und selbst wenn: Dauerhaft stabile Verhältnisse bleiben unwahrscheinlich, weil beide Parteien nur darauf warten werden, dieses Bündnis schnellstens wieder aufzukündigen - zugunsten der eigenen Klientel und neuer Posten. Für wirklich neue Verhältnisse in Athen bedarf es neuer Parteien.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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5 Kommentare

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  • KS
    Karl Sonnenschein

    Gute Analyse!

     

    Ich bezweifle aber das neue Parteien eine Loesung sind.

     

    Meiner Meinun braucht es eine tiefgreifende Reform des politischen Systems, vor allem in aber nicht nur in Griechenland.

     

    "Europa der Regionen", http://de.wikipedia.org/wiki/Europa_der_Regionen is ein erwahnenswerter Ansatz.

     

    Nicht zu vergessen, Small is beautiful:

    http://www.leopold-kohr-akademie.at/lka/modules/info/index.php?id=1:1

     

    Mann koennte ja einmal in Griechenland beginnen und die Macht der griechischen Zentralregierung auf seine 13 Regionen verteilen und Basisdemokratie ueben.

  • B
    bari

    Da das Volk in Griechenland ganz demokratisch abstimmen sollte, nun aber ganz EU-demokratisch doch nicht, bekommt Griechenland eine Allparteien-Diktatur zur Umsetzung der €-Diktate. Wenn das deutsche Bundesbankgold auch weg ist und Deutschland endgültig von der herrschenden wirtschafts/parteien und medialen Nomenklatura ruiniert, droht uns hier das Gleiche. Ganz demokratisch, versteht sich. Demokratie ist mittlerweile zum Angstwort verkommen, vor dem nicht nur fremde Völker in fernen Ländern (wir wissen: wie begründe ich einen Angriffskrieg) sondern auch die europäischen Völker Angst haben sollten.

  • P
    pantos

    Das stimmt auch nicht. Die letzten zwei Jahren wurden in Hellas fuenf neue Parteien gegruendet.

  • P
    pantos

    Es ist Sonntag 22.39, was Sie heute morgen geschrieben haben, stimmt inzwischen nicht.

  • S
    Schade

    Doof nur, daß das Gründen neuer Parteien in den letzten Jahren durch neue Gesetze extrem erschwert worden ist. Die einzige Möglichkeit Blockaden durch Verbotsverfahren zu umgehen, sind parteiunabhängige Kandidaten.