Kommentar Rechtsextreme Sportler: Ein Gesinnungs-TÜV ist nicht nötig
Die Aufgeregtheit, mit der Politik und Sport auf den Fall Drygalla reagiert haben, überrascht. Eine zweite Chance hat sie verdient, wenn alle Fragen geklärt sind.
D ass sich Rechtsradikale in Sportvereinen tummeln, ist nichts Neues. Und dass eine der Ruderinnen im Olympiateam ein enges Verhältnis zu einem NPD-Funktionär unterhielt, wusste ihr Landesverband offenbar schon lange. Deshalb überrascht die kopflose Aufgeregtheit, mit der Politik und Sport jetzt auf den Fall Drygalla reagiert haben. Es bleibt ein Scherbenhaufen, den die Sportfunktionäre mit besserer Abstimmung hätten vermeiden können.
Überflüssig ist es daher, Sportlern einen „Demokratieeid“ abzuverlangen, bevor man sie mit Steuergeld fördert, weil es längst genug vergleichbare Statuten gibt. Gut, dass das Innenministerium solche Pläne jetzt zu den Akten gelegt hat. Es wirkte ohnehin wie ein Seitenhieb gegen all die Antifa-Initiativen, die sich nun lautstark über die WM-Ruderin echauffieren, aber selbst stets gegen so einen Gesinnungs-TÜV verwahrt haben.
Tatsächlich droht bei manchen Antifa-Aktivisten im Entlarvungseifer die Verhältnismäßigkeit über Bord zu gehen. Zur Erinnerung: Es geht nur um eine Ruderin, deren Umfeld zweifelhaft ist. Da braucht es keinen McCarthyismus gegen rechts, sondern Sportvereine, die sich für eine Kultur der Toleranz einsetzen und jede Form von Rassismus ächten.
ist Redakteur im Inlandsressort der taz.
Fragwürdig sind aber auch jene, die Drygalla jetzt einen Freibrief ausstellen und vor „Gesinnungsschnüffelei“ und gar „Sippenhaft“ warnen. Denn es sind noch zu viele Fragen ungeklärt, um sich ein abschließendes Urteil zu bilden. Immerhin verzichtete sie ihrem Lebenspartner zuliebe auf eine Karriere im Polizeidienst. Und an der Behauptung, ihr Freund sei aus der Naziszene ausgestiegen, sind Zweifel angebracht. Kritische Fragen muss sie sich deshalb gefallen lassen. Wenn sie sich aber glaubhaft von rechtsextremen Ideologien distanziert, hat sie eine zweite Chance verdient.
Das gilt auch für andere. Denn es gab in den vergangenen Jahren viele Anlässe, vor voreiligen Verdächtigungen zu warnen – vom Berliner Imam, der gleich ausgewiesen werden sollte, nur weil er sich abfällig über Deutsche geäußert hatte, bis zum Popsänger Muhabbet, der Opfer einer regelrechten Rufmordkampagne wurde. Wer unter Islamismusverdacht steht, so die Erfahrung, kann meist nicht auf mildernde Umstände hoffen.
Auch Islamisten und sogar Neonazis haben aber ein Recht auf Reue und Resozialisierung. Der Sport kann und sollte ihnen dabei behilflich sein.
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