Kommentar Razzien in der Türkei: Die Revolution frisst ihre Kinder
Erdogan macht ernst: Nach den säkularen Gegnern hat er jetzt die islamische Konkurrenz am Wickel. Solidarität ist da die richtige Reaktion.
D ie freie Presse wird nicht schweigen“, riefen Mitarbeiter und Demonstranten vor dem Verlagshaus der Zeitung Zaman, als deren Chefredakteur Ekran Dumanli abgeführt wurde. Wieder wurden in der Türkei Journalisten festgenommen und wieder rückt das Land damit weiter weg von einem demokratischen Rechtsstaat.
Bei vielen kritischen Türken hinterlassen die pathetischen Appelle an die Pressefreiheit der Zaman-Leute allerdings einen schalen Nachgeschmack. Denn noch vor wenigen Jahren waren sich die jetzigen Kämpfer für die Meinungsfreiheit nicht zu schade, die Festnahmen anderer, linker und kemalistischer Journalisten hämisch zu kommentieren, nach dem Motto: das sind doch sowieso keine Journalisten, sondern alles Terroristen. Damals war Zaman noch ein Sprachrohr Erdogans und kämpfte zusammen mit der AKP für die islamische Revolution in der Türkei.
Jetzt frisst die Revolution ihre Kinder. Nachdem Präsident Tayyip Erdogan alle islamkritischen, säkularen Gegner im Land erledigt hat, sind nun die Konkurrenten innerhalb des islamischen Lagers dran. Zaman ist das Hausblatt der islamischen Gülen-Sekte. Die liefert sich seit zwei Jahren mit Erdogan einen erbitterten Kampf um die Führerschaft im türkischen Islam. Ihr Führer Fethullah Gülen, der seit Jahren in den USA lebt, beklagt jetzt in der SZ die Ein-Mann Diktatur Erdogans, zu der er ihm mitverholfen hat.
Die Konsequenz, mit der Erdogan alle möglichen Gegner aus dem Weg räumen lässt, ist beängstigend. Deshalb ist Solidarität mit Zaman Leuten die einzig richtige Reaktion. Das hat auch die säkulare Opposition begriffen. CHP-Chef Kilicdaroglu sprach von einem nicht hinnehmbaren Anschlag auf die Meinungsfreiheit, auch wenn das Blatt ihm über viele Jahre das Leben schwer gemacht hat.
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