Kommentar Proteste in Israel: Gegen Zions Fundisierung
Alle Juden sollen über das Judentum entscheiden dürfen, finden säkuläre Israelis. Doch damit wollen sich die Ultraorthodoxen nicht abfinden - und sie haben mehr Argumente.
I n Israel wird wieder einmal gestritten. Nicht zwischen Juden und Arabern, sondern innerjüdisch. Die Kernfrage: Wer besitzt die Autorität, für den jüdischen Glauben das entscheidende Wort zu sprechen.
Israel ist ein jüdischer Staat und die Hebräer wollen, dass es so bleibt. Eine Wurzel des Judentums ist der Glaube, der wiederum den Gesetzen der Hebräischen Bibel entspringt. Insgesamt 613 Gebote und Verbote harren der Befolgung. Wer hat dabei das letzte Wort? Alle Juden, sagen die säkularen Israelis. Die Bibel gibt ihnen recht. Denn sie bestimmt, jeder Sohn einer jüdischen Mutter - der Vater ist unwichtig - und jeder Konvertierter ist Mitglied des Bundes mit dem Ewigen.
Damit wollen sich die Ultraorthodoxen um Himmels Willen nicht abfinden. Sie wollen im Heiligen Land bestimmen, dass und wie dort gemäß ihrer Auslegung der Schrift gelebt wird. Daher fordern sie eine strenge Trennung der Geschlechter. Denn Frauen, zumal wenn diese aufreizend gekleidet seien - und welche Frau spielte nicht zumindest mit dem Gedanken daran? -, würden die Männer vom Studium der Thora und der Einhaltung ihrer Gebote abhalten.
63, ist Schriftsteller und Journalist. Seine Romane ("Der Musterjude") und Essays kreisen oft um deutsch-jüdische Themen. Zuletzt erschien seine Autobiografie "Deutschland wird dir gefallen" (Aufbau). Er lebt in Berlin und Tel Aviv.
Wer nicht den Anmaßungen der Ultras folgt, der wird von ihnen angefeindet - mitunter wenden sie gar Gewalt an, auch gegen Polizei und Soldaten. Selbst weiblichen Armeeangehörigen wollen sie das Singen in Gegenwart von Männern verbieten.
Die säkularen Israelis wollen sich diese Anmaßungen nicht länger bieten lassen. Zumal die Ultras vielfach den Staat Israel per se ablehnen, da nur Gott einen jüdischen Staat ins Leben rufen dürfe. Sie weigern sich, in dessen Streitkräften zu dienen, dafür nehmen sie großzügig dessen Transferleistungen in Anspruch.
Präsident Peres ermutigt die Laizisten, sich nicht länger diese Dreistigkeiten der religiösen Ultras bieten zu lassen und für ihre bürgerlichen Rechte auf die Straße zu gehen. Die Bürger tuns. Doch die Religiösen sitzen am längeren Hebel. Sie zeugen viele Kinder.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu