Kommentar Protest gegen Anti-Islam-Gipfel: Reichlich spät, aber gut
Schön wäre es, würde man die bürgerliche Islamfeindlichkeit nicht erst kritisieren, wenn die Rechten sie für ihre Zwecke verwenden.
Daniel Bax, 38, ist seit 1998 bei der taz, zunächst im Kulturteil und seit 2004 als Redakteur im Ressort "Meinung und Diskussion". Nicht zuletzt die "Rushdie-Affäre" brachte ihn dazu, in Berlin Islamwissenschaft und Publizistik zu studieren.
Gut, dass so viele am Samstag gegen den "Anti-Islamisierungsgipfel" in Köln demonstriert haben. Ihre Zahl hat die der Islamgegner um ein Vielfaches übertroffen. Dass sich die Rechtspopulisten ausgerechnet Köln ein zweites Mal als Treffpunkt ausgesucht hatten, war allerdings kein Zufall. Der Streit über eine neue Moschee hatte dort in den vergangenen Jahren bis weit in die bürgerliche Mitte hinein diffuse Ängste und Ressentiments zutage gefördert.
Im Nachhinein will es natürlich keiner gewesen sein, der Europas Rechtspopulisten den Weg nach Köln gewiesen hat. Es sei jedoch daran erinnert, dass der unselige "Moscheestreit" von Köln nicht allein von "Pro Köln" vom Zaun gebrochen wurde. Auch bürgerliche Stimmen wie die von Ralph Giordano im Kölner Stadt-Anzeiger und in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hatten ihren Anteil daran, den Moscheebau zu einer Gefahr für die Stadt zu stilisieren, indem sie sie sich unfähig oder unwillig zeigten, zwischen demokratischen Muslimen und gefährlichen Fundamentalisten zu unterscheiden. Dieser "Moscheestreit" war umso bemerkenswerter, als in Mannheim oder Duisburg vergleichbare Debatten ausblieben, als dort ebenfalls neue Großmoscheen gebaut wurden.
Die Proteste gegen die Rechtspopulisten haben nun ein breites Bündnis von Menschen auf die Beine gebracht, die sonst nicht allzu viel vereint. Das ist ein schöner Erfolg für die Integration. Es bedeutet natürlich nicht, dass man undemokratische Tendenzen unter Einwanderern künftig aus den Augen verlieren darf. Schön wäre es auch, würde eine Islam- und Muslimenfeindlichkeit nicht erst dann kritisiert, wenn sie von Rechten angeeignet wird -, sondern bereits, wenn sie sich aus der Mitte der Gesellschaft heraus formuliert.
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