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Kommentar Prostitutionsgesetz FrankreichGegen den Strich

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Die französische Nationalversammlung will Prostitution moralisch ächten – und verdrängt sie doch nur in den Untergrund.

„Prostituierte ohne Klienten suchen Job bei der Regierung“, steht auf den Plakaten, mit denen Frauen vor dem französischen Parlament protestieren. Bild: reuters

W er in Frankreich Sex kauft, der muss demnächst mit einer Geldstrafe von bis zu 3000 Euro rechnen. Damit steigt der Preis der „käuflichen Liebe“. Schuld an dieser Inflation sind die Abgeordneten, die einem Gesetz zugestimmt haben, das den Prostituierten den Ausstieg erleichtern soll.

Für sie sind diese gesellschaftlichen Fragen und individuellen Notsituationen samt und sonders ökonomische Probleme von Angebot und Nachfrage. Da die Prostitution als solche auch künftig nicht verboten ist – und das ist bei Hang zur Prohibition des französischen Gesetzgebers schon erstaunlich –, richtet sich die Strafdrohung gegen die Kunden, welche die Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Der Markt soll so ausgetrocknet werden.

Unterschiede werden keine gemacht. Das heißt, Prostitution wird generell als Form der sexuellen Erniedrigung und Ausbeutung oder Sklaverei charakterisiert, die Kunden werden also zu Komplizen der Zuhälter erklärt. Recht geschieht es ihnen, sagen dazu die einen.

Doch haben sie an die Frauen und Männer gedacht, die es als Teil ihrer individuellen Rechte betrachten, frei über ihren Körper verfügen zu können? Das ist, so wurde in der Nationalversammlung argumentiert, eine verschwindende Minderheit. Die Mehrheit stammt aus Afrika, China und Osteuropa und geht aus Not oder unter Zwang auf den Strich. Die Wenigsten sind dennoch dafür, dass ihnen der Staat die Kunden vergrault.

Der Marktlogik der Parlamentarier folgend wird das neue Prohibitionsgesetz bloß eine kurzfristige Krise im Rotlichtmilieu auslösen, das Geschäft des Menschenhandels der internationalen Zuhältermafia aber wird im Untergrund weiter betrieben.

Ja es wird sogar erst recht florieren, weil sich verängstigte Konsumenten via Zwischenhändler auf dem Internet dem riskanten direkten Kontakt mit der Straßenprostitution entziehen wollen. Wie mit einem früheren Gesetz, das die SexworkerInnen für jede Form von öffentlicher Kundenwerbung bestrafen sollte, streuen da die Tugendwächter der Nationalversammlung, die von einer Abschaffung der Prostitution reden, der Öffentlichkeit Sand in die Augen. Natürlich mit allerbesten moralischen Absichten.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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7 Kommentare

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  • A
    Atmender

    Sehen nicht gerade wie ausgebeutete Sexsklaven aus, die drei Damen - eher wie lebenslustige Frauen, die ihre sexuelle Freiheit genießen und das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.

  • D
    D.J.

    @Mirreichts,

     

    Sie haben Recht. Die betroffenen männlichen Prostituierten hat man ebensowenig gefragt. Übrigens ist Armutsprostitution meist die am ehesten sichtbare Prostitution (nehmen wir das Beispiel Dortmunder Norden) - daher wohl die seltsame Gleichsetzung Ihrerseits. Über die Gleichsetzung mit Vergewaltigung/Menschenhandel wiederum lohnt es sich nicht, ein Wort zu verlieren.

     

    @Ulli,

     

    von allen seltsamen Vergleichen wohl der seltsamste: Bei Diebstahl gehe ich eigentlich davon aus, dass ein Konsens der betroffenen Seite unter keinerlei Umständen gegeben ist.

  • M
    Mirreichts

    @ Zwei Dinge sind unendlich.

    Warum wird immer alles verharmlost? Man kann doch Menschenhandel, Vergewaltigungen nicht damit gutheißen, dass die Menschen aus armen Gegenden kommen. Arm heißt nicht, seinen Stolz zu verlieren. Hinter jeder armen Frau steht auch ein armer Mann. Wo bitte prostituieren diese sich?

     

    @ D.J. Was heißt denn betreffende Frauen? Warum sollen immer nur die Prostituierten zu Wort kommen. Sie sind doch eine verschwindend geringe Anzahl im Vergleich zu den Frauen, die systematisch mit Hilfe des Staates hintergangen werden. Recht auf sexuelle Freiheit -wenn sie mit so einem Kerl unwissend verheiratet sind. Da bekommt man ja schon Herpes nur bei der Vorstellung.

  • U
    Ulli

    warum nicht? ist es halt verboten. so wie diebstahl auch verboten ist. der entsteht auch aus Geldnot und ist kein richtiger Job.

    könnte man schon denken. ich bin gespannt was daraus resultiert.

  • Wieder einmal zeigt sich, dass zwischen "gut gemeint" und "gut gemacht" Welten liegen.

  • ZD
    Zwei Dinge sind unendlich

    Interessant. Als nächstes sollten die Franzosen dann auch das Füttern von Obdachlosen mit Strafen belegen und Armut ganz verbieten. Das würde den Ausstieg aus der Armut sicher erleichtern.

  • D
    D.J.

    Das Problem ist doch, dass alles erst mal großartig verpackt ist: Internetzensur zum Kinderschutz, Extremüberwachung zum Terrorschutz, Fett/Zuckersteuern zum Gesundheitsschutz. Nun also Prostitutionsverbot zum Frauenschutz (freilich ohne die betreffenden Frauen in Frankreich zu fragen). Lasst euch nicht veralbern. Es geht hier auch nicht um Rechts und Links, sondern um Widerstand gegen die Feinde der offenen Gesellschaft, die es in jedem politischen Lager gibt. Kontrolle der Sexualität: Fast überall ein Instrument (beginnender) Diktaturen, seien sie religiös, nationalistisch, säkular. Ja, die Wegnahme eurer Freiheit beginnt schleichend. Seid wachsam!