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Kommentar ProkonDie Gier der Guten

Tarik Ahmia
Kommentar von Tarik Ahmia

Was den Anlegern bei Prokon nun geschieht, ist ein Absturz mit Ansage. Alles Verlangen nach staatlicher Aufsicht läuft leer, wenn das Hirn ausgeschaltet bleibt.

Da ging es lang zum Gewinn mit guten Gewissen! Bild: Bilkd: dpa

S tellen Sie sich vor, ein fein gekleideter Herr spricht Sie in der U-Bahn an und möchte sich Geld von Ihnen leihen. Er sagt, er will mit dem Geld irgendwie in erneuerbare Energien investieren.

Mitentscheiden dürfen Sie zwar nicht; sollte das Geschäft aber gut laufen, verspricht er Ihnen eine fürstliche Entlohnung. Sollte etwas schief gehen, könnte Ihr Geld allerdings futsch sein.

Würden Sie das Portemonnaie aufmachen?

Der Vergleich beschreibt im Kern das Geschäftsmodell des Windpark-Finanzierers Prokon.

Mehr als 75.000 Prokon-Anleger haben der Vision vom leichten Geld mit einer guten Sache vertraut: Ökologisch investieren, in Sachwerte, ohne Banken. Das klingt gut.

Doch in der Realität entwickelte sich Prokon zu einem suspekten Geld-Verschiebebahnhof mit "Traumrenditen", die eben Träume blieben. Da hilft es auch nicht, wenn sich einige den Konzern nun als eine Art Bürgerinitiative auf Mission zur Weltverbesserung schönreden.

Warnung vor vier Jahren

Riskante Unternehmensanleihen eines intransparenten und gewinnmaximierenden Unternehmens taugen nicht, um als Kleinanleger an der Energiewende teilzuhaben. Und die Warnungen vor Prokon waren da.

Die taz hat als erste Zeitung bereits vor vier Jahren detailliert auf die eklatanten Risiken der Prokon-„Genussrechte“ hingewiesen. Schon damals führten wir den Nachweis, dass Prokon mit frisch eingeworbenen Geld seiner Anleger Tochterfirmen vor der Pleite rettete. Doch Tausende Anleger glaubten lieber den schönen Erzählungen des Firmengründers Carsten Rodbertus.

Mit dem Einschreiten des Insolvenzverwalters muss nun auch der schillernde Prokon-Chef offenbaren, worüber bislang nur spekuliert werden konnte: Was ist mit den 1,4 Milliarden Euro der Anleger tatsächlich geschehen?

Wieviel Geld wurde verbrannt, wieviel produktiv investiert? Welchen Anteil der jährlich acht Prozent ausgeschütteten Zinsen hat Prokon tatsächlich verdient, welchen aus den Einlagen seiner Kunden bezahlt? Kann Prokon überleben?

Risiken ausgeblendet

Vor vier Jahren war die Warnung vor Prokons Genussrechten noch mit der Forderung verbunden, den weitgehend unkontrollierten Markt für dubiose Anlageprodukte stärker zu regulieren. Geschehen ist bei der Aufsicht seitdem fast nichts.

Doch selbst die beste Regulierung hilft nicht, wenn Anleger wie im Fall Prokon offensichtliche Risiken systematisch ausblenden. Die nächsten Monate werden zeigen, wie hoch ihr Lehrgeld sein wird. Zu wünschen ist, dass bei der nächsten Märchenstunde eines Portemonnaie-Öffners mehr Leute rechtzeitig ihr Hirn einschalten.

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17 Kommentare

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  • NG
    nur gast

    Es ist weniger die Gier als vielmehr das quasi-religiöse Selbstverständnis der Anleger. Der Glaube, dass dem, der reinen Herzens investiert, sein Einsatz für das hehre Ziel vergolten wird. Zweifel lässt diese Geisteshaltung nicht zu, selbst die gut gemeinte Aufklärung der taz oder der Verbraucherschützer wurde als Anfechtung missverstanden. Das kann sich jederzeit wiederholen, solange das Märchen verbreitet wird, der ökologische Wandel gelänge ohne Verzicht üben zu müssen.

  • D
    D.J.

    @Schulle und Stulle,

     

    sagen wir so: Aus dem Begriff "Gutmensch" spricht eine ebenso überhebliche und intolerante Herablassung wie aus Ihrem Verdikt gegenüber Konservativen etc.

     

    Zum Thema: Nun weiß ich endlich, warum ich nach der Betrachtung von Werbung, die mit höchstem moralischem Impetus daherkommt, immer das Bedürfnis habe, mich zu waschen. Guter Kommentar.

  • RB
    Ralf Becker

    Gutmenschen? Quatsch!

     

    Da haben sich vor allem Zahnwälte und ein Haufen überversorgter Rentner verzockt und werden nun ein paar Tausender los, die ihnen nicht wirklich fehlen werden.

     

    Wer auf seine Spargroschen tatsächlich angewiesen ist, der legt sie nicht derart riskant an.

  • IM
    Ich mag Windräder

    Ja Mutti, ich weiß, du hast es schon immer gesagt...

    Ich bin echt überrascht wie viele „Besserwisser“ in Sachen Geldanlage zurzeit so rumlaufen und mich für komplett dumm und naiv erklären. Ich habe jahrelang 8% Zinsen von PROKON ausbezahlt bekommen. Also gut, dass ich nicht schon vor vier Jahren auf die TAZ gehört habe. Naiv? Eher nein. Dass eine (und auch diese) Geldanlage nicht sicher ist, ist bekannt. Dass die Investition komplett verloren gehen könnte, stand sogar im Vertrag. Komisch eigentlich, dass mich das jetzt so wenig stört. Es liegt bestimmt nicht daran, dass ich zu viel Kohle habe. Es liegt eher daran, dass ich alle Geldgeschäfte für Scharlatanerie halte. Dennoch versuche ich mein Glück lieber mit einem der in Windkraftanlagen „macht“ als mit einem der in Waffengeschäfte „macht“ oder gar mit einer Bank, wo ich gar nicht weiß in was die „macht“. Bin ich deshalb gleich ein Gutmensch?

    Liebe Experten in Sachen Geldanlage oder jene „Experten“, die darüber zumindest mal einen Artikel gelesen haben, hört bitte auf uns Prokon-Anleger zu belehren! Wie sind im Endeffekt auch nicht dümmer als Fahrradfahrer ohne Helm. Auch das ist ökologisch korrekt und davor wird gewarnt. Aber so lange es gut geht…

  • Das Problem bei Prokon waren die dummen Vorurteile gegen Banken. Banken sieben nun einmal die dummen von den guten Ideen aus.

     

    Als Privatinvestor sollte man also nur in solche Projekte investieren wo auch Banken reininvestieren.

     

    Wenn man aber an eine Verschwörungstheorie glaubt, dann hat man eben pech.

     

    Erinnere mich noch als vor Jahren in meinem Briefkasten Schuldverschreibungen für 6,5% Zinsen beworben wurden. Damals gabs regulär so 2%. Da wurde auch gegen das "Bankenkartell" geschimpft.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Meine Empfehlung an die taz:

    Verbannt die üble Vokabel "Gutmenschen" aus dem Wortschatz. Es ist ausgelutscht und wird gerne diskriminierend gegen Umweltschützer usw. eingesetzt.

    Zur Gier der Prokon-Anleger würde eher "Dummköpfe" passen.

    • PH
      Peter Haller
      @571 (Profil gelöscht):

      Schliesse mich an !

      Warum gibt's eigentlich den Ausdruck "Schlechtmensch" nicht ?

      • @Peter Haller:

        Es gibt aber Synonme dafür, z.B. Konservative, Marktliberale oder Rechtspopulisten ;-)

      • @Peter Haller:

        Es gibt das Wort Schlechtmensch nicht weil es keinen gibt der vorgibt schlechtes zu tun, dann aber gutes tut.

  • G
    GastAlsGast

    Wer bei "8%" nicht stutzig wird hat es nicht anders verdient als über den Tisch gezogen zu werden.

  • S
    Schandmaul

    Danke, ein kluger Kommentar.

     

    Könnt Ihr bitte den Text von damals (vor 4 Jahren) online stellen.

    Das wäre interessant.

  • I
    imk

    Die Hoffnung, dass bei der "nächsten Märchenstunde eines Portemonnaie-Öffners mehr Leute rechtzeitig ihr Hirn einschalten" wird sich meiner Meinung nach nicht erfüllen, da die "Märchenstunden" eben so angelegt sein werden, dass der Großteil der Leute stillhält, um den Verlust im Portemonnaie zu realisieren. Denn ohne ihren Verlust, können die "Portemonnaie-Öffner" keinen Gewinn machen. Aber das ist nur die monetäre Seite, meine Ansicht, ich unterstelle Bösartigkeit und lasse die materielle Seite, die Infrastruktur zur Erzeugung von Windkraft, die hier wahrscheinlich geschaffen wurde, ausser acht. Es gibt keine Garantie, dass eine Unternehmung (dauerhaft) erfolgreich sein wird. Das gleiche gilt, meiner Meinung nach für Projekte. Mich erinnert dieser Fall an die Unternehmung "Cargolifter".

  • G
    gerds

    nur mal für mich zum verständnis: auf der webseite geben die als stromproduktion 760 mio kwh an. das macht mit 9 ct/kwh in 25 jahren laufzeit (sehr optimistisch...) einen umsatz von so 1,7 mrd euro.

     

    investiert worden sind aber 1,4 mrd. falls ich die berichte lese.

     

    nehme ich mal an, dass ein gutlaufender park so um die 3-8 % rendite bringt, dann fliessen in dieser zeit bei 5% durchschnittsrendite 85 mio. zurück

     

    irgendwie bringe ich die zahlen nicht übereinander...

     

    die windparks sind ja am ende der laufzeit nichts mehr wert - wo ist in dieser rechnung eigentlich die abschreibung (das heißt die rückzahlung des eingesetzten kapitals)?

     

    liege ich hier so falsch, oder lagen die zahlen die ganze zeit so auf der hand und es sie nur neimand sehen wollen?

    • NG
      nur gast
      @gerds:

      Sie sehen das schon richtig. Hohe Renditen gibt es auch bei Beteiligungsgesellschaften, aber dort schreiben die Anleger ihr Geld ab und sind am Ende Mitbesitzer eines schrottreifen Windrads. Nur Prokon hat die Rückzahlung der Einlage (und damit das Blaue vom Himmel) versprochen. Da bei Genussrechten der Totalverlust einkalkuliert werden kann, ist die Firma fein raus.

  • W
    Windflaute

    Die Prokon-Pleite verwundert mich nicht im geringsten. Es werden noch weitere folgen. Im ach so grünen Baden-Württemberg kann man das sehr schön nachvollziehen. Projektierer wie Prokon investieren auch noch dort, wo sich heimische Firmen wegen fehlender Wirtschaftlichkeit zurückgezogen haben. Doch damit nicht genug. Es werden auch noch Mondpreise für die jeweiligen Pachtflächen bezahlt. Das macht den Eindruck, als müsse das Geld der Anleger verprasst werden, koste es was es wolle. Und es scheint unglaublich viel Geld unterwegs zu sein.

  • G
    golm

    Ich finde es in Ordnung, wenn Leute, die zuviel Geld haben (denn nur solche können es sich leisten Geld anzulegen), es auch verlieren.

  • Normalerweise kommentiere ich ja nur, wenn ich etwas zu Meckern habe (irgendwie das Wesen des Kommentarbereichs eines Onlinemediums...), aber hier möchte ich mich ausdrücklich einmal für den intelligenten Kommentar bedanken - Er trifft es zu 100%! Wer solch dubiosen Versprechungen glaubt, dem kann man irgendwann nciht mehr helfen.