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Kommentar Polizeihilfe für WeißrusslandSchäubles gelehrige Schüler

Kommentar von Otto Diederichs

Es mag bitter sein, aber die weißrussische Polizei hat gut von der deutschen gelernt. Zumindest, was die Abwehr von Migranten angeht.

S taaten, die sich auf dem Weg der Demokratisierung befinden – wie der schöne Euphemismus lautet –, internationale Polizeihilfe zu leisten, ist keine spezifisch deutsche Spezialität. Und nimmt man solche Absicht wörtlich und ernst, so ist zunächst einmal wenig dagegen einzuwenden, reformbereite Polizeiführer vormals diktatorischer Staaten in diesem Bestreben zu unterstützen und ihnen andere Standards zu vermitteln.

Solche Polizeihilfe kann sich sowohl auf Ausrüstung (etwa Kriminaltechnik) als auch Schulungen beziehen. Koordiniert wird dies in der Regel vom Bundeskriminalamt.

Im Falle der nun bekannt gewordenen jahrelangen Unterstützung für die weißrussische Polizei ist offenkundig einiges aus dem Ruder gelaufen. Die Europäische Union hatte von 2006 bis 2008 Sanktionen gegen das Lukaschenko-Regime verhängt. Damit verbietet sich jede Kooperation von selbst – insbesondere im sensiblen Sicherheitsbereich.

Der Autor

OTTO DIEDERICHS ist freier Journalist in Berlin.

Wenn unmittelbar nach dem Ende der Sanktionen die ersten weißrussischen Polizeioffiziere in Deutschland auftauchen und umgekehrt deutsche Polizeibeamte nach Minsk reisen, heißt das zwangsläufig, dass die Vorbereitungen bereits vorher begannen. Verantwortlicher Innenminister war damals Wolfgang Schäuble. Ohne seine Kenntnis kann das nicht gelaufen sein, ebenso wenig ohne die seines Nachfolgers Thomas de Maizière (beide CDU).

Ausgerechnet die polizeiliche Sicherung des Castortransports 2010, bei dem es zu über 500 Verletzten kam, wurde den Weißrussen vorgeführt. Wie ihre heutige Praxis zeigt, waren die Gäste gelehrige Schüler. Ein ebensolcher Skandal ist die Schulung weißrussischer Beamter in der Grenzsicherung. Ziel solcher Lehrveranstaltungen ist die Abwehr illegaler Migration weit vor den deutschen Grenzen. Dazu scheint jedes Mittel recht.

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2 Kommentare

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  • TT
    Thomas Trasolt

    Wieso ist eine Lehrveranstaltung zur "Abwehr illegaler Migration" ein Skandal?

  • BK
    Björn Kunter

    An dieser Stelle sollte fairerweise erwähnt werden, dass wir ebenfalls mit einer Gruppe belarussischer Umweltaktivisten beim Castor Transport im November 2010 beteiligt waren. http://www.soziale-verteidigung.de/international-gewaltfrei/belarus/castor-2010-live-ticker/

     

    Schon damals fiel auf, dass der Polizeieinsatz von einer großen Menge ausländischer Polizisten verschiedenster Nationen beobachtet wurde. Dass damals auch belarussische Polizisten auf der andere Seite gestanden haben, erschreckt im ersten Augenblick. Ob diese Beobachtung für die belarussischen Polizisten jedoch wirklich lehrreich gewesen war, darf bezweifelt werden, dafür unterscheiden sich die Polizeistrategien doch zu sehr. Unsere belarussischen Gäste konnten die meines Ermessens berechtigte Kritik am damaligen deutschen Polizeieinsatz zumindest nicht nachvollziehen, sondern schwärmten eher von der Offenheit und Freundlichkeit der ihnen begegnenden Beamten.

     

    Gerade diese unterschiedlichen Realitäten belegen aber auch die Blauäugigkeit der damaligen Polizeihilfe, bei der man mit Bildungsangeboten eine Polizeiführung zivilisieren wollte, deren einziges Ziel es ist bei der Zerschlagung politischer Demonstrationen eine möglichst abschreckende Brutalität zu beweisen.

     

    Das Problem ist also nicht, dass die belarussischen Beamten etwas von der deutschen Polizei gelernt haben. Das Problem ist, dass die deutschen Polizisten sich auf diese Weise mit eben jenen solidarisieren, die für Gewalt und Repression in Belarus verantwortlich sind.

     

    Die Naivität wird jedoch skandalös, wenn eine deutsche Polizeidelegation noch 2011 nach der brutalen Zerschalgung der Opposition und Wiederaufnahme der EU-Sanktionen ausgerechnet das Frunsenskaja Polizeirevier in Minsk besucht und dort mit dem Polizeimajor Dinas Linkus trifft, der in Belarus wegen sadistischer und sexistischer Übergriffe Schlagzeilen machte, bis er im Februar 2012, auch aufgrund des Drucks unserer belarussischen Partner, strafrechtlich verurteilt wurde. http://www.soziale-verteidigung.de/news/meldungen/die-polizei-in-belarus-hat-angst-vor-uns/

     

    Dem gegenüber sollte die deutsche Polizei, wenn sie wirklich etwas für die demokratische Transformation der belarussischen Polizei tun will, anerkennen, dass auch die Transformation der deutschen Polizei, das Resultat langer politischer Kämpfe und Auseinandersetzungen mit den gewaltfreien Demonstrierenden (auch und gerade im Wendland) war. Wenn sich die deutschen Polizisten dann mit belarussischen Oppositionellen und Polizisten an einen Tisch setzen, um gemeinsam zu schauen, wie demokratische Kontrolle von Polizeiarbeit aussehen könnte und so helfen die Übergriffe des belarussischen Apparates einzudämmen, wäre gegen einen Dialog nichts einzuwenden. Unsere belarussischen Partner hätten dafür auch schon erste Bildungsmaterialien vorbereitet. Das Bilderbuch "Mein Papa ist Milizionär, was macht er auf der Arbeit" dokumentiert die Polizeigewalt gegen Frauen in Belarus. (http://www.office-antipropaganda.com/ostorozhno/eng/flyer.html) Es wurde an über 1200 Polizisten versandt mit der Bitte alles zu tun, damit diese die Übergriffe ihrer Kollegen verhindern. Die Reaktion war eindeutig: Im Februar wurde die Wohnung der Frau untersucht, die die Briefe zur Post gebracht hat. Massensendungen unserer belarussischen Partner werden seitdem zensiert. Der Weg zum Dialog mit der belarussischen Polizei ist noch lang.