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Kommentar PolizeigewaltEs kann jeden treffen

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Erstatten Polizeiprügelopfer Anzeige, erfahren sie selten Gerechtigkeit. Es ist Zeit für eine unabhängige Beschwerdestelle.

Die Fälle von exzessiver Polizeigewalt werden heute dank allgegenwärtiger Videoüberwachung und Handykameras immer häufiger dokumentiert. Bild: C/L / photocase.com

N ein, die Polizisten von heute gehen nicht brutaler vor als die von früher. Die Fälle von exzessiver Polizeigewalt werden heute nur dank allgegenwärtiger Videoüberwachung und Handykameras überall immer häufiger dokumentiert. Sie sind öffentlicher geworden. Vielleicht ist die Gesellschaft aber auch sensibler geworden, denn, hey: Es kann schließlich jeden treffen. Jedenfalls haben Gewaltexzesse der Polizei in den vergangenen Monaten schon häufiger für Schlagzeilen gesorgt.

Die Polizisten, die jetzt auf dem Flughafen Köln/Bonn einen türkischen Familienvater bewusstlos geprügelt haben, haben sich trotzdem offenbar sehr sicher gefühlt – und das, obwohl sie von vielen Zuschauern und damit Zeugen umringt waren. Sie können aber ziemlich sicher sein, dass ihr Tun keine Konsequenzen für sie haben wird, denn gewalttätige Polizisten werden so gut wie nie zur Rechenschaft gezogen.

Denn wer als Opfer einer solchen Attacke eine Anzeige gegen gewalttätige Polizeibeamte erstattet, muss mit einer Gegenanzeige wegen „Widerstands gegen die Staatsgewalt“ rechnen. Die Staatsanwälte und Gerichte, die solche Fälle aufklären sollen, sind auf die Mitarbeit der Polizeibehörde angewiesen. Deshalb verlaufen solche Verfahren auch meist im Sande.

Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International fordern deshalb schon lange, unabhängige Beschwerdestellen einzurichten, um prügelnde Polizisten besser bestrafen zu können. Das wäre auch im Sinne der Polizei, weil die schwarzen Schafe dem Ansehen der ganzen Behörde schaden. Doch die sperrt sich, und die Regierung traut sich nicht an das heikle Thema heran. Das sollte sie aber. Sonst riskiert sie, wie in diesem Fall bereits geschehen, dass populistische Politiker in Ankara das Thema für ihre Zwecke ausbeuten.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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18 Kommentare

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  • G
    Gummibär

    Vor ein paar Wochen hatte ich wegen Ruhestörung die Polizei angerufen. Was ich dabei erlebte hat mein Weltbild in Sachen Rechtsstaat auf dem Kopf gestellt.

     

    Mein Anliegen wurde mit Sarkasmus komentiert. Als ich nicht nachgab, packte man mich forsch beim Arm und drohte mir mich mit ins Revier zu nehmen.

     

    Wäre nicht meine Nachbarin gewesen (wegen Zeugenaussage) hätte der Herr Kommissar (Sie lesen richtig) und seine Gehilfin alles mögliche behaupten können.

     

    Den Glauben an den Rechtsstaat in Deutschland habe ich verloren. Nichts für ungut.

    • E
      Entschleunigter
      @Gummibär:

      So wie Ihnen geht´s leider vielen Leuten. Das Vertrauen der Bürgerschaft in den Rechtsstaat hat erhebliche Schäden genommen. Bei vielen Betroffenen ist das Vertrauen von Angst verdrängt worden. Ein Zustand, wie man ihn auf deutschem Boden zuletzt in DDR und Drittem Reich hatte. Ein schleichender Prozess der Refaschisierung findet hier statt, teils gewollt, teils geduldet, teils unbewußt.

  • S
    Suse

    Jeden? Mich nicht, da bin ich sicher.

    • A
      Atmender
      @Suse:

      So? Da waren sich schon viele sicher, die es heute nicht mehr sind. Außer natürlich, Sie sind einer von denen. Aber selbst dann würde ich mich nicht darauf verlassen wollen.

  • @ Viccy,

     

    was von "Zeugen" zu halten ist, is ja allgemein bekannt. Da stimmen die in Überzahl vorhandenen Kameras ja noch hoffnungsvoller!

     

    Ansonsten wird das wohl eher eine Diskussion unter Sachverständigen, mit der regelmäßig uninformierten und unkundigen Öffentlichkeit außenvor!

     

    Auch mich würd mal intereesieren wie viele "Widerstände" so zu Recht geschrieben werden!

     

    Glück auf!

     

    Karl

    • @KarlM:

      Nun ja, der Zeuge ist nun mal das mit Abstand bedeutsamste Beweismittel in der Justiz. Dass er zugleich das fehleranfälligste Beweismittel ist - ganz allgemein und nicht nur im Zusammenhang mit Polizisten - lässt sich eben nicht ändern.

  • B
    Blub

    Bei mir ist es schon so weit, dass ich mehr Angst vor der Polizei habe, also vor allem anderen. Du musst die doch nur schon falsch angucken und bist ein Verdächtiger! Zudem sind die immer unfreundlich und selbst bei "allgemeinen Ausweiskontrollen" sehr aggressiv!

    • @Blub:

      Kenne ich so nicht ... vielleicht aber auch, weil ich Polizisten "ganz normal" anschaue, so ähnlich wie einen Bäcker oder einen Spaziergänger.

  • Herr Bax schreibt: "Die Staatsanwälte und Gerichte, die solche Fälle aufklären sollen, sind auf die Mitarbeit der Polizeibehörde angewiesen. Deshalb verlaufen solche Verfahren auch meist im Sande."

     

    Das mag richtig sein. Allerdings stellt sich doch die Frage, was unabhängige Beschwerdestellen hieran ändern könnten. Denn dort werden ja keine Zeugen "gebacken", die bei den jeweiligen Taten vor Ort anwesend sind und dann später vor Gericht aussagen können...

     

    Nota bene: Die meisten Polizisten sind keine (!) primitiven Schlägertypen. Und der Job ist für das bisschen Geld ganz schön hart...

  • I
    Interpretator

    Und da wird doch gesagt, mehr Videoüberwachung bringe nichts... schön, dass dieser Unsinn von der Taz widerlegt wird: Mehr Videoüberwachung bringt doch etwas, wenn auch nicht unbedingt immer Abschreckung, so doch bessere Fahndungsergebnisse. Deshalb ist eine Ausweitung der Videoüberwachung eben nicht sinnlos.

  • C
    Cop

    Es kann jeden treffen?

     

    Haha - mich mit Sicherheit nicht!

  • F
    frizzz

    Gerne stelle ich meine diversen Briefe seitens des Innenministeriums zur Verfügung, die meine Anfragen "beantworteten". Wir haben 2 Probleme: Polizisten und Gesetze nach Bundesländern, und eine Übernahme der Polizei durch Nationalisten- ja- besonders aus dem Osten- in verbindung mit gerinegeren Einstellungsanforderungen.

  • Hinzu kommt noch die unklare Regelung, ob Polizeibeamte verpflichtet sind, ihre Namen anzugeben oder nicht.

     

     

     

    Allein wegen der Weigerung, sich zu identifizieren, könnte eine Anzeige gegen

     

    Polizeibeamte erschwert werden.

  • R
    reblek

    "... muss mit einer Gegenanzeige wegen 'Widerstands gegen die Staatsgewalt' rechnen..." - Keineswegs, denn diesen Straftatbestand gibt es nicht. Er heißt "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte".

     

    "... und die Regierung traut sich nicht an das heikle Thema heran..." - Wenn schon, dann: "trauen sich die Regierungen (und Parlamente)", denn die Polizei ist bekanntlich Länderangelegenheit.

    • @reblek:

      Zu Punkt 2: Die Polizei mag Ländersache sein, aber die Strafverfolgung, um die es hier geht, ist in erster Linie Bundesangelegenheit.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Ein pruegelnder Polizist steht vor dem Nichts und verliert bei Verurteilung alles, dagegen werden die Reihen dicht gemacht. Recht gegen die Polizei bekommen unterminiert alle Gewalt geht vom Staat aus. Eine pruegelnde Polizei ist aber keine Buergerpolizei. Wer pruegelt und dort deshalb rausfliegt sollte eben damit nicht alles verlieren, das senkt die Grenze auch von der Polizei aus etwas gegen Leute zu unternehmen, die nichts in der selbst proklamierten Buergerpolizei zu suchen haben. Leute einfach ins Nichts zu stuerzen hat mit Buergerpolizei auch nicht viel zu tun.











    Seltsam ist das Proklamieren einer Buergerpolizei, aber Buergergerichte hat noch nie jemand proklamiert. Vgl nicht nur die berliner Landgerichtsrichterin, die workshops etc fuer Vermieter anbietet, wie die Mieter tricky aus der Wohnung geworfen werden koennen oder in anderen Fragen bei Gericht tricky erledigt werden koennen, die Dame sitzt dann als Landgerichtsrichterin in genau den Fragen den Parteien gegenueber. Der Stil steht pruegelnden Polizisten nicht nach.





  • E
    Erlebnisse

    Es sollte aber auch gegen unangebrachte und willkürliche Aktionen so einer Stelle gemeldet werden können. Aktionen zum B. wo sich Leute in aller Öffentlichkeit mitten auf verkehrsreicher Straße bis auf die Unterhose ausziehen müssen.

     

     

     

    Oder weil ein Polizist eine Frucht, keine Brösel davon sondern eine ganze Frucht nicht kennt (Kola nennt die sich und ist eine Kaffeefrucht) den unschuldig Verdächtigten als Drogenbesitzer beschuldigt und der unschuldig Verdächtigte sich dann noch auf der Polizeiwache im Popo herum bohren lassen muss, das heißt der Mensch steht dann splitternackt da und ein Fremder steckt seine Finger hinten rein. Und die ganze Tour dauert mal schnell ne Stunde. Entschuldigungen selbstverständlich nicht, das hat ein staatl. Angestellte nicht nötig.

    • R
      Ruhender
      @Erlebnisse:

      Und wo soll man diese unangebrachten Aktionen melden können? Bei der Polizei etwa?