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Kommentar Pisa-StudieChancengleichheit lohnt sich

Anna Lehmann
Kommentar von Anna Lehmann

Die Deutschen sollten sich daran gewöhnen, Vielfalt als bereichernd zu empfinden. Das bringt bessere Ergebnisse. Deshalb sollten alle bis zur zehnten Klasse gemeinsam lernen.

S eit der ersten Pisa-Studie vor zehn Jahren hat sich viel bewegt: Kitas sind keine Tagesheime mehr, sondern frühpädagogische Bildungszentren, Ganztagsschulen kein Tabu, sondern ein Erfolg. Doch die aktuelle Pisa-Studie zeigt, wie stark die soziale Herkunft nach wie vor die spätere Bildungskarriere bestimmt.

Die Kinder werden im deutschen Schulsystem meist schon ab Klasse vier wie farbige Glasperlen in verschiedene Kästchen sortiert. Auch der neue Trend zum zweigliedrigen Schulsystem hat wenig daran geändert, dass sie hierzulande im internationalen Vergleich unglaublich früh je nach Begabung auf unterschiedliche Schulen geschickt werden.

Die Regel, dass Laura ins Gymnasium und Kevin in die Oberschule geht, ist damit geblieben. Und das, obwohl kein Mensch voraussagen kann, ob ein zehnjähriges Kind später mal das Abitur schaffen wird. Auch lernen schnelle Schüler nicht besser, wenn die langsamen nicht mehr in der Klasse sind. Aber die langsamen werden schlechter.

taz

Anna Lehmann ist Bildungsredakteurin der taz.

Am tiefen Graben, der die deutsche Schullandschaft durchzieht, sind nicht allein die Kultusminister schuld. Viele Mittelschichtseltern leben zwar gern in einem Multikulti-Kiez, suchen aber panisch nach einer Schule in einem bürgerlichen Stadtteil, sobald ihre Kinder schulpflichtig sind. Und Hamburger Eltern probten den Aufstand, als ihr strebsamer Nachwuchs zwei Jahre länger neben "bildungsfernen" Kindern sitzen sollte. Als ob Armut ansteckend und schlechtes Deutsch übertragbar sei.

Die Deutschen sollten sich daran gewöhnen, Vielfalt als bereichernd zu empfinden. Dass sich das lohnt, zeigt die "kleine Pisa-Studie", der Grundschulvergleich Iglu. Deutsche Grundschüler schneiden da im internationalen Vergleich gut ab. Also: weitet die Grundschulen aus, hebt den Deckel nach der vierten Klasse. Bis zur zehnten Klasse sollten alle gemeinsam lernen. Dann können Laura und Kevin selbst entscheiden, ob sie Klempner oder Kanzler werden wollen.

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Anna Lehmann
Leiterin Parlamentsbüro
Schwerpunkte SPD und Kanzleramt sowie Innenpolitik und Bildung. Leitete bis Februar 2022 gemeinschaftlich das Inlandsressort der taz und kümmerte sich um die Linkspartei. "Zur Elite bitte hier entlang: Kaderschmieden und Eliteschulen von heute" erschien 2016.
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6 Kommentare

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  • K
    ka_siebert@gmx.de

    Oh je, Gesundbeten hilft eben einfach nicht: Natürlich kann es eine Bereicherung für die Lehrerkomeptenz sein, wenn es gelingen soll, Schüler, deren Sprachkenntnisse nicht so entwickelt sind wie bei Gleichaltrigen, weil sie die Chance nicht hatten, die deutsche Sprache zu lernen und die wenig gefördert wurden, trotzdem so weit zu bringen, dass dies ausgeglichen wird. DAs leben ist voller Herausforderungen.

    Aber soll nicht der Sinn von Schule sein - so hört man wenigstens - etwas zu lernen? Dazu braucht es Bedingungen, die dies möglich machen. Der Autorin sei empfohlen, sich mit Grundschullehrerinnen zu unterhalten, wie sie einen guten Unterricht hinbekommen, wenn ein Teil der Klasse kaum mitkommt und der ander unterfordert ist.

    Im Hort (Frankfurt), den meine Nichte besucht, sagte eine Mutter mit Migrationshintergrund (Türkin), sie wolle nicht, dass ihr Kind in dem Stadtteil in die Schule geht, in dem sie wohne, dort gäbe es zu viele ausländischer Kinder (gleicher Herkunft wie sie), weil sie wolle, dass ihr Sohn etwas lerne. (Sicher ist das politisch sehr unkorrekt von der guten Frau, aber doch ganz interessant).

    Es ist etwas anderes, ob sich Mütter aller Nationalitäten auf dem Spielplatz oder im Turnverein treffen, bitte so viel Vielfalt wie möglich! Aber Ziel von Schule ist nicht 'Biodiversität' als Wert an sich, sondern eine doch nicht ganz unwesentliche Vorbereitung auf Vieles. Mal die Nase durch ne Schultür stecken kann schon die eine oder andere lebensnahe Erkenntnis vermitteln.

  • J
    janela

    Zitat: "Auch lernen schnelle Schüler nicht besser, wenn die langsamen nicht mehr in der Klasse sind."

    Und genau das ist ein Denkfehler! Dass die Leistungen eines Schülers stimmen, sagt noch lange nichts darüber aus, ob und wie sein Potential ausgeschöpft wird. Es gibt Einserschüler, die in Wahrheit nichts leisten, nichts leisten können/dürfen, weil die Hürde so niedrig ist, dass sie sie mühelos überspringen! Unterforderung nennt man das.

    Wie soll ein begabter Schüler jemals Ahnung von seinem Potential bekommen, wenn er nie an seine Grenzen stoßen darf? Wie soll er das Lernen lernen, wenn er keine Möglichkeit bekommt zu lernen? Und wie soll er die Erfahrung machen, an Herausforderungen zu wachsen, wenn er nie mit Herausforderungen konfrontiert ist? Unterforderung macht auf die Dauer mut- und hilflos.

    Nicht nur bei Unterschicht- und Migrantenkindern kann viel Potential verborgen liegen, auch bei den Unauffälligen, Leistungsstarken, scheinbar gut Integrierten. Die Resultate der seit Jahrzehnten brachliegenden Begabtenförderung sieht man ja heute allenthalben. Mittelmäßigkeit, wohin das Auge blickt. Wo sind die originellen, innovativen Köpfe? Na klar, im Ausland, deshalb brauchen wir jetzt unbedingt Zuwanderung von Fachkräften...

  • H
    hto

    Das gleiche Thema im "Polit-Magazin" Panorama:

    "Das Märchen vom sozialen Aufstieg"

     

    Anja Reschke: "Einen Monat war ich in Deutschland unterwegs. Ich wollte wissen, ob Kinder darauf vertrauen können, dass sie einen guten Platz in unserer Gesellschaft erreichen, wenn sie sich anstrengen. Gibt es wirklich Chancengleichheit in Deutschland, so wie sie politisch immer propagiert wird?"

     

    - ich kann leider nicht stark genug ausdrücken wie sehr ich das populistische Surfen auf dem Zeitgeist hasse.

  • M
    MuTTi

    taz-Vorbild BILD sagt: "Bildungs-Vergleich: Pisa-Studie zeigt, deutsche Schüler werden langsam besser.

    Heute wird die neue Pisa-Studie präsentiert. Deutsche Schüler sind immer noch Mittelmaß. Der Lehrer-Chef sagt: Migranten ziehen die Ergebnisse runter".

  • F
    franziska.qu

    "Viele Mittelschichtseltern leben zwar gern in einem Multikulti-Kiez, suchen aber panisch nach einer Schule in einem bürgerlichen Stadtteil, sobald ihre Kinder schulpflichtig sind. Und Hamburger Eltern probten den Aufstand, als ihr strebsamer Nachwuchs zwei Jahre länger neben "bildungsfernen" Kindern sitzen sollte. Als ob Armut ansteckend und schlechtes Deutsch übertragbar sei".

    Entschuldigung, aber alleine dieser zitierte Abschnitt und das Fehlen jeglichen Hinweises auf die Verantwortung der Migranteneltern für die Zukunft ihrer Kinder disqualifiziert die Autorin und ihren Beitrag zu diesem Thema

    Sie sollte Bildungspolitik nicht nur im Mikrokosmos der taz-Redaktionsstuben theoretisieren, sondern einmal Vormittage in Klassen mit überwiegendem Anteil an nicht- oder fast-nicht Deutsch sprechenden 'Migranten'-Kindern verbringen. Abgesehen von der mangelnden deutschen Sprache sollte sie dabei auch ihr Augenmerk auf deren Verhalten richten und auf die Inhalte des unter diesen Umständen noch möglichen Unterrichts. Frage: wieviele taz-Mitarbeiter haben Kinder, wieviele dieser Eltern schicken ihre Kinder wirklich in (natürlich nur virtuell existiernden) Problemvierteln in die Problemschulen? Die Problemschulen sprechen sich herum und wer kann schützt sein Kind natürlich vor dem dort real existierenden Umfeld. Dieses 'schützen' der eigenen Kinder ist übrigens ureigenste Verantwortung von Eltern. Oder sollten Eltern den in entsprechenden Schulen und Klassen existierenden Verhaltensweisen ihren Kindern gegenüber vor lauter Multikulti-ist-das-Tollste Getue passiv zusehen? Ich vermute, im Zweifelsfalle würde Frau Lehmann ebenso handeln. Was also soll der Artikel in dieser Form?

    Plumper Populismus (um hier ein Lieblingswort der taz zu zizieren).

  • AS
    Arne Schinkmann-Röhrl

    Der Artikel bringt keinerlei Informationen.

    Er transportiert nur die subjektive "Meinung" des Autors, die ohne jede rationale Begründung vorgetragen wird. Ein Vorurteil wird an das andere gereiht. Keinerlei Argumentation findet statt.

     

    Der Autor macht sich nicht einmal die Mühe, die verschienartigen Ergebnisse der verschiedenen Bundesländer, die unterschiedliche Systeme aufweisen, vorzunehmen.

     

    Mit einem Wort: Journalismus der schlechtesten Art. Schade, dass ich den "Artikel" überhaupt gelesen habe.