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Kommentar Piraten und TransparenzVolle Havarie voraus

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Die Forderung nach politischer Transparenz ist ein Markenkern der Piraten. Doch mit dem aktuellen Gutachten-Skandal manövrieren sie sich ins Abseits.

Programm ist da, die Umsetzung aber funktioniert nicht ganz reibungslos. Bild: dpa

E s ist erstaunlich, was die Piraten alles anstellen, um bei der kommenden Bundestagswahl nicht gewählt zu werden. Vor noch nicht allzu langer Zeit Hoffnungsträger für Politfrustrierte, manövriert sich die junge Partei immer weiter ins Abseits. Die jüngste bekannt gewordene Kapriole: Im Vorfeld der Listenaufstellung für die Bundestagswahl hat der nordrhein-westfälische Landesvorstand ein von ihm selbst in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten unter Verschluss gehalten, weil ihm das Ergebnis nicht passte.

Wenn es irgendeinen „Markenkern“ der Piraten gibt, dann ist es die Forderung nach politischer Transparenz. In NRW haben sie gerade erst eine Kampagne für „ein echtes Transparenzgesetz“ gestartet: „Ich will’s wissen!“ Ein schönes Motto. Noch schöner wäre es, wenn die Partei mit gutem Beispiel vorangehen würde.

Stattdessen herrscht bei den Piraten ein unerfreulicher Mix aus politischer Unbedarftheit und persönlicher Skrupellosigkeit: Offenkundig wollte so manch NRW-Landesvorständler das kritische Gutachten auch deshalb zurückhalten, um die eigenen Chancen auf einen aussichtsreichen Platz auf der Landesliste nicht zu gefährden.

Anja Krüger
Pascal Beucker

ist NRW-Korrespondent der taz.

Bei den Piraten firmiert die neueste Peinlichkeit unter „Gutachtengate“. Auch wenn es seit dem großen Watergate-Skandal in den USA modern geworden ist, allen möglichen Affären und Affärchen das Suffix „gate“ anzuhängen: Wie in so vielen, so ist es in diesem Fall schlicht deplatziert. Mit Watergate kann dieser Schwank aus dem Dilettantenstadl nicht gleichgesetzt werden.

Erschüttert wird nur ein weiteres Mal die Hoffnung, die Piraten könnten eine ernsthafte Alternative zum etablierten Politikbetrieb darstellen. Den aktuellen Umfragen zufolge, glaubt daran allerdings ohnehin kaum einer mehr.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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13 Kommentare

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  • FS
    Freak Show

    Ich weiß ja nicht, was peinlicher ist, der Patzer bei der Listenaufstellung, das "Vergessen", der dummdreiste Umgang des Landesvorstands mit dem Vorgang oder die hier geposteten Forenbeiträge, die sich über die Medienberichterstattung beschweren und Piratenmythen ausbreiten.

     

    Skrupellos, unbedarft ... auch das, aber irgendwie einfach politisch blöd.

  • B
    BAReFOOt

    Wenn jemand schon „politische Unbedarftheit” als was *schlechtes* sieht, ist es eindeutig, dass er *nix* kapiert hat.

    Herr Beucker: *Das soll so!*

     

    Wir wollen *normale Menschen*.

    Nicht widerliche Schmierlappen die sich mit aller Kraft die Kuchenform politischer „Korrektheit” gepresst haben, sich nie und nimmer Fehler eingestehen (meist weil sie die Aktion immer noch toll finden, selbst wenn der gesamte mit funktionierendem Hirn und freiem Willen bewaffnete Teil des Volkes [=~50% der Piratenwähler, der Rest sind deutschlandtypische Mitläufer] sie verabscheut), und ekelhaft aalglatt sind, während sie einem hintenrum die ganze Hand in den Arsch und dann den Geldbeutel schieben, und mit der anderen Hand unterm Tisch Kamera und Pistole auf einen richten.

     

    Die Piraten sind die *einzigen* im Parlament, die man noch guten Gewissens als *Menschen* bezeichnen kann. Der Rest gibt sich alle Mühe, keine Menschen zu sein, sondern Luzifere und/oder Handpuppen von volksfeindlichen Industrien und Organisationen. Und ist beleidigt, wenn man das anders sieht. (Z.B. indem man ihnen menschentypische Eigenschaften zuschreibt.)

     

    Nein, wer noch an die Demokratieillusion glaubt, hat nur zwei Möglichkeiten: Piraten oder eigene Partei (siehe Wikileaks-Partei). Und wer in der Realität lebt, der manipuliert/mietet sich ein paar Lobbyisten, und der Rest ist Geschichte.

     

    Aber: Wenn man keine Ahnung hat… Einfach mal… Fresse halten.

  • A
    Asbach

    Das Gutachten wurde nicht veröffentlicht, weil es unter unvollständigen Annahmen erstellt wurde.

     

    Nicht weil das Ergebnis nicht gepasst hat.

  • B
    BerndJoel

    >bei den Piraten [herrscht]ein unerfreulicher Mix aus politischer Unbedarftheit und persönlicher Skrupellosigkeit< - das gilt wohl für alle politischen Organisationen mit hehren Zielen, warum sollten die Piraten da eine Ausnahme machen?

  • K
    KlausK

    Piraten? - Sind das nicht diese somalischen Seeräuber?

  • C
    Caro

    Die Piraten werden eben an dem gemessen, was sie selber als ihre Ideale angeben zu haben. Wer fordert muss nun einmal auch abliefern und je arroganter die Forderungen und die Selbstbeschreibung rübergebracht wird, desto genauer wird nun einmal hingeschaut. Ein ganz normaler Prozess.

  • R
    Ralf

    Immer schön darauf warten das diese junge Partei eine Fehler macht und dann direkt alle Hebel in Bewegung setzen um darauf rum zu hacken. Kein Wunder das die keiner mehr wählen will, wenn immer nur neagtives berichtet wird. Aber bei wichtigen Themen wo die Piraten punkten können, wie bei dem neuen Bestandsdatengesetz, Leistungsschutzrecht, Lobbyeinflüsse auf die etablierten, Abbau von Bürgerrechten und das z.B. von Steuergeldern finanzierte Studien, Berichte unter Verschluss gehalten werden, darüber wird sich in den Medien totgeschwiegen. Aber Hauptsache über jeden Fahler der Piraten schreiben. Großes Kino.

  • LL
    Lennox L!

    Das große Problem der Partei ist, dass sie auch nichts oder gar nichts aus einer anderen Partei adaptiert und trotzdem durch die Mandate abkassiert. Das allerschlimmste ist, dass sie Satzung voller formaler Fehler ist und zivilgerichtlich nicht unbedingt justiziabel ist. Geht man von einer mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte aus, dann wird man schon in der Satzung die eine oder andere Passage finden, wo es nicht der Fall ist. Die große Ironie an Bernd Schlömer ist, dass er sich einerseits für ein NPD-Verbot ausspricht, aber auf eigene verfassungsrechtliche Mißstände kaum eingeht. Darüberhinaus entwickelt die Partei sich nicht weiter. Es werden keine Schwerpunkte gesetzt und damit verkommt sie nun einmal zu einer Kleinpartei wie es 1998 die ProDM-Partei war. Wenn sie unbedingt ironisch sein möchte, diese Partei, dann soll sie sich doch zumindest was von der von -Gott habe ihn selig- Christoph Schlingensief gegründeten Partei Chance 2000 abschauen. Diese Partei konnte ich damals aus Altersgründen noch nicht wählen. Ein Trauma!

  • P
    piratronic

    der unterschied zu anderen parteien ist vermutlich der, dass so etwas bei den anderen nie heraus gekommen wäre und bei den anderen deutlich wichtigeres erst recht nicht an die öffentlichkeit gelangt ...

  • F
    Fritz

    Es geht um die Frage der innerparteilichen Demokratie und wie die sich in einer Liste verwirklicht. Darueber kann man sicher nicht nur einmal einen Anwalt befragen und es waere ganz unsinnig gewesen, deshalb Panik aufkommen zu lassen.

     

    Es geht um eine Meinung eines Anwaltes, die nicht kommuniziert worden ist, und sonst nichts. Daraus kann man keine grundsaetzliche Aussage ueber Transparenz bei den Piraten zimmern. Jura ist kein Metallbaukasten.

     

    Bin kein Pirat, aber auch kein Freund der Gruenen mehr, Cem finde ich unmoeglich, solche Leute unterstuetze ich trotz Trittin, den ich immer besser finde, nicht. Irgendwo hoert es aus. Man soll ja immer sagten, wo man steht und welchen Weg man gteht, den auch nicht.

  • EM
    Eric Manneschmidt

    Leider hat die NRW-Landtagsfraktion der Piraten schon im selben Stil vorgelegt (siehe http://lobbywatch.wordpress.com/2012/08/17/tabaklobbyisten-kapern-die-piratenpartei/ und Kommentare).

    Skrupellosigkeit und politische Unbedarftheit sind auch hier die Stichworte.

    Was noch so folgte und folgen wird ist dann nicht mehr sehr verwunderlich.

  • AB
    Arne Babenhauserheide

    Transparenz mag den Piraten wichtig sein, aber als Markenkern taugt sie kaum. Vielmehr ist sie der Teil ihres Programms, der der konservativen Presse gefällt.

     

    Der Gründungsmythos der Piraten ist nicht die Transparenz, sondern die Legalisierung der Privatkopie. Genauer: Die illegale Razzia bei The Pirate Bay. Da haben Tauschbörsennutzer weltweit gemerkt, dass sie sich politisch organisieren müssen, wenn sie die lebendige Interaktion im Internet erhalten wollen.

  • F
    Frink

    Immer schön Fehler suchen und die Piraten schlecht machen... das ist halt gerade der journalistische Zeitgeist und dann schreibt man auch nichts anderes, dann berichtet man nicht mal darüber, dass die Piraten das BKA angezeigt haben oder so.