Kommentar Phosphorbomben in Gaza: Nicht dem schlimmsten Feind
Eine internationale Untersuchungskommission muss eingesetzt werden, die überprüft, ob – und wenn ja, wo und wie – die israelische Armee Phosphorbomben eingesetzt hat.
A ußenministerin Livni hebt den anklagenden Zeigefinger gegen die Hamas, die gezielt israelische Zivilisten töte, während Israel umgekehrt den Tod von Unschuldigen lediglich in Kauf nehme. Recht hat die israelische Chefdiplomatin: Hier besteht ein fundamentaler moralischer Unterschied. Auch dass im Krieg Fehler passieren, lässt sich kaum vermeiden. Schließlich müssen mit dieser traurigen Erfahrung nun auch die Familien der vier israelischen Soldaten leben, die unter dem Panzerfeuer der eigenen Kameraden starben.
Susanne Knaul ist Israel-Korrespondentin der taz.
Mit dem Einsatz von Phosphorbomben wäre die Toleranzschwelle für das Leid der Palästinenser indes eindeutig zu hoch angesetzt. Selbst schlimmsten Feinden möchte man nicht wünschen, mit dem grausamen Brennstoff in Kontakt zu kommen. Wie Aale im Netz winden sich nun die Armeesprecher, wenn sie mit der Frage nach der Phosphorbombe konfrontiert werden. Hieß es zuerst, dass man sich an die internationale Rechtsprechung gehalten habe, so zeigt sich das Militär inzwischen bereit, die Sache zu überprüfen.
Was genau will sie prüfen? Wer außer der israelischen Armee könnte wissen, womit die Soldaten geschossen haben? Oder soll vielleicht nur geprüft werden, wie viel man nach den Berichten der internationalen Menschenrechtsorganisationen nun doch zugeben muss?
Um wirklich Klarheit darüber zu gewinnen, was in den letzten vier Wochen im Gazastreifen passiert ist, muss eine internationale Untersuchungskommission beauftragt werden. Sie kann prüfen, wo genau die Phosphorbomben eingesetzt wurden und wie viele Menschen, wenn überhaupt, durch sie zu Tode kamen oder körperlichen Schaden davontrugen. Wenn Israel nichts zu verbergen hat, sollte es kooperieren. Und wenn doch, dann muss die Armee zur Verantwortung gezogen werden.
Die internationalen Feldforscher könnten bei der Gelegenheit auch untersuchen, ob tatsächlich aus dem UN-Hauptquartier geschossen wurde, aus den Krankenhäusern, den Schulen und den Fernsehstudios, bevor die Panzer auf sie anlegten. Denn die Hinweise, dass die Hamas Zivilisten gegen ihren Willen als menschliche Schutzschilde missbrauchte, mehren sich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Türkei und Israel nach Assad-Sturz
Begehrlichkeiten von Norden und Süden
Katja Wolf über die Brombeer-Koalition
„Ich musste mich nicht gegen Sahra Wagenknecht durchsetzen“