Kommentar Patientenrechtegesetz: Unfehlbar? Fehlbar!
Wenn ein Arzt einen Fehler macht, liegt es beim Patienten, das zu beweisen. Das könnte das neue Gesetz umkehren – wenn es die Politik nur wollte.
W enn bei einem Flugzeug eine Schraube fehlt, bleibt es am Boden. Das Risiko eines Absturzes ist zu hoch. Wenn ein Arzt müde ist, kann es sein, dass er trotzdem operiert – und Fehler macht. Wenn er nicht gerade den linken statt den rechten Fuß amputiert, muss der Patient beweisen, dass er aufgrund des Arztfehlers krank ist oder krank bleibt.
Das könnte das Patientenrechtegesetz, das in wenigen Monaten in Kraft treten soll, mit einer Beweislastumkehr ändern: Danach müsste der Arzt nachweisen, dass er keinen Fehler gemacht hat.
Aber dieser Passus steht nicht im Gesetz, er ist politisch nicht gewollt. Die Lobby der Mediziner, Gutachter und Medizinischen Dienste ist groß, sie stellt sich hinter die Ärzteschaft. Geschädigte Patienten spüren das am eigenen Leib. Manche kämpfen seit Jahren vergeblich um Entschädigung.
ist Redakteurin im Inlandsressort der taz.
Umfragen zufolge geben nur etwa 30 Prozent der Ärzte zu, dass ihnen Fehler unterlaufen könnten. Die Mehrheit glaubt also, dass sie unfehlbar ist. Aber das ist ein Trugschluss, wie die offiziell festgestellten Behandlungs- und OP-Fehler belegen. Alleine 2011 waren es Tausende. Patientenrechtler gehen allerdings von einer noch größeren Dunkelziffer aus.
Dass Ärzte eine Beweislastumkehr ablehnen, ist – aus ihrer Sicht – verständlich. Sie fürchten finanzielle Schäden und Imageverlust. Das muss aber nicht sein. Nämlich dann, wenn Ärzte ihre Patienten als Menschen behandeln und nicht wie „Kostenstellen“. Es gibt viele gute Ärzte. Aber es gibt nicht wenige, die ihre Patienten kaum aufklären, sie von oben herab und „irgendwie“ behandeln. Dass das Unzufriedenheit ebenso wie Fehler produziert, ist klar.
Das Vertrauensverhältnis zwischen Ärzten und Patienten ist vielerorts gestört. Es liegt in der Hand der Mediziner, es wieder herzustellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin