Kommentar Parlamentswahlen Iran: Präsident auf Abruf
Der offene Bruch mit Präsident Ahmadinedschad dürfte ausblieben. Doch nach dieser Wahl ist klar, dass Kandidaten seiner Coleur künftig keine Chance mehr haben dürften.
G emessen daran, wie machtlos das iranische Parlament während seiner vierjährigen Legislaturperioden auch immer blieb, so ist die Wahl seiner Abgeordneten im Vergleich zu den meisten anderen Staaten der Region fast schon ein Musterbeispiel für Demokratie. „Fast“, weil es keine Parteien gibt und jedes Mal ein beträchtlicher Anteil der Kandidaten willkürlich ausgeschlossen wird – darunter selbst solche, die bereits in der Madschlis (Versammlung) gesessen hatten. Oder auch, weil Stimmabgabe und -auszählung nicht von neutralen Beobachtern kontrolliert werden.
Iranische Wahlen sind aber immer wieder gut für Überraschungen: Wie 1997 der ebenso unerwartete wie überwältigende Wahlsieg des gemäßigten Mohammed Chatami oder – entgegengesetzt – 2005 die erste Wahl Mahmud Ahmadinedschads. Sie haben bisher aber nie eine wirkliche Wende gebracht: Chatami scheiterte und seine Anhänger wandten sich frustriert von der Politik ab. Ahmadinedschad wiederum verschreckte zunächst die Welt mit markigen Sprüchen und der von seinen Vorgängern übernommenen Atompolitik, auch er musste – wie Chatami – erfahren, dass er sich dem „Obersten Führer“ zu fügen hat.
Ajatollah Ali Chamenei nahm zunehmend Anstoß an Ahmadinedschads Politik und sinnierte sogar über die Abschaffung des Präsidentenamtes. Die Querelen ermutigten Teile des konservativen Lagers, den Präsidenten kritischer anzugehen. Etwa wegen dessen schlechter Wirtschafts- oder Außenpolitik.
Peter Philipp ist Autor der taz
Diese Kritiker gehen nun als Sieger hervor, der offene Bruch mit dem Präsidenten dürfte aber ausbleiben, denn dem „Obersten Führer“ liegt viel daran, dem Ausland inneren Frieden und Eintracht vorzuführen. Und das „Problem Ahmadinedschad“ wird sich von selbst lösen: Beim nächsten Mal (2013) kann dieser nicht mehr antreten, und Kandidaten seiner Couleur dürften nach dieser Parlamentswahl auch keine Chance mehr haben.
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