piwik no script img

Kommentar PalästinaWie man keinen Staat macht

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Das Verhalten der USA mag politisch, juristisch und moralisch verwerflich sein. Angenehmere Verhandlungspartner können sich die Palästinenser aber nicht backen.

S elbstverständlich haben die Palästinenser jedes Recht, sich um die Anerkennung eines Staates zu bemühen. Natürlich können sie einen Antrag an den UN-Sicherheitsrat stellen. Und ganz ohne Zweifel haben Israel, die USA und Europa eine Bringschuld gegenüber den Palästinensern, die seit 63 Jahren auf das ihnen versprochene Staatswesen warten.

Die Frage aber bleibt, ob das Bemühen auch zielführend in Richtung eines wirklichen Nahost-Friedens ist. Alle Beteiligten wissen, dass die USA im Sicherheitsrat ihr Veto einlegen werden. Man mag dieses Verhalten der USA als politisch, juristisch und moralisch verwerflich brandmarken. Angenehmere Verhandlungspartner können sich die Palästinenser aber nicht backen. Sie müssen schon mit denen vorliebnehmen, die regieren, und das sind Netanjahu und Obama.

So muss man befürchten, dass die UN-Debatte über ihren eigenen Staat den Palästinensern zwar den vollen moralischen Erfolg bescheren wird, weil es die vermeintlich Schuldigen an den Pranger stellt; zum Frieden kann diese Politik aber nicht führen.

Bild: taz
Klaus Hillenbrand

ist Chef vom Dienst bei der taz.

Gerade weil Israel und seiner Schutzmacht USA eine propagandistische Niederlage bevorsteht, wird sich ihre ohnehin gering ausgeprägte Neigung zur Realisierung einer Zweistaatenlösung noch weiter verflüchtigen. Auch das mag man dann voller moralischer Empörung geißeln. Doch Siege im Propagandakrieg hat es zwischen Jordan und Mittelmeer schon reichlich gegeben.

Es kommt endlich auf realpolitische Schritte zum Frieden an. Und sowenig der Ausbau jüdischer Siedlungen im Westjordanland dazu passt, so wenig hilft das von palästinensischer Seite propagierte Recht auf eine "Rückkehr" aller Vertriebenen nach Israel: Das nämlich würde dazu führen, dass Zweistaatlichkeit am Ende zwei arabische Staaten meint - also das Ende Israels.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • MS
    Michael Scheier

    Wie Klaus Hillenbrand es schafft, in wenigen Zeilen den Unterschied zwischen einer rechtlichen Forderung (der Forderung der palästinensischen Regierung auf das Rückkehrrecht vertriebener Palästinenser) und der völkerrechtswidrigen Landnahme Israels in seiner Wirkung umzukehren, als stünde die Arabisierung Israels vor der Tür, ist für mich ein propagandistisches Meisterstück. Diesen Kommentar sehe ich in einer deutschen Tradition der Verharmlosung gewalttätiger Landnahme (der propagandistischen Vereinfachung bin ich mir dabei durchaus bewußt).

  • OM
    Oliver M.

    Also, Harald, ich komme mir schon auf den Arm genommen vor, dass hier noch jemand lobende Worte für Israel's Politik findet nach dem Motto, Israel baue die palästinensischen Gebiete auf.

     

    Diese sind von Baggern und bei Luftangriffen zerstört worden. Das wurde sogar teilweise von der UNO und sogar einigen Israelis als rechtswidrig eingestuft. Es könnte dort also jetzt besser aussehen, auch ohne "Samariter" wie Israel und die USA...

     

    Heute stand mal wieder etwas verharmlosend in der deutschen Presse, die USA sei von Israel enttäuscht. Auf gut Deutsch, hat Israels Innenministerium mal wieder totalen Mist gemacht: Der illegale Siedlungsbau wird mit großem Eifer fortgesetzt.

    Eigentlich dachte ich, dass sich nur Terroristen vorsätzlich rechtswidrig verhalten. Aber wie ist das zu sehen, wenn das eine Regierung macht?

     

    Ich würde sagen, niemand gefährdet die Sicherheit des israelischen Volkes mehr als das israelische Innenministerium mit seiner jüngsten Maßnahme...

    Und NEIN, dieses Ministerium ist nicht stellvertretend für die Juden weltweit. Noch nicht mal für einen nicht unerheblichen Teil der Juden ihres eigenen Landes. Die wollen nämlich Frieden, auch ohne Siedlungsausbau...

  • ZV
    zion vs. alquds

    @köstler

     

    "Wahrscheinlich werden sich Abbas' Nachfolger dann für eine Ein-Staaten-Lösung einsetzen und die volle israelische Staatsangehörigkeit bei rechtlicher Gleichstellung mit den jüdischen Bürgern für alle Palästinenser in der Westbank und im Gazastreifen fordern."

     

    ? palästinenser wollen genau DAS nicht. wie kommen sie denn auf die idee? auch israel hat v.a. ein interesse daran ein jüdischer staat zu bleiben, in welcher territorialen größenordnung auch immer. eben das ist doch der kern des konfliktes!

  • H
    Harald

    " Alle Beteiligten wissen", daß die Geberländer immer klar gesagt haben, die Anerkennung wird das folgerichtige Ergebnis eines Friedensschlusses mit Israel sein.

     

    Ohne Frieden: Veto

    Oder: erst Frieden - dann Staat

     

    " Man mag dieses Verhalten der USA als politisch, juristisch und moralisch verwerflich brandmarken."

     

    Noch verwerflicher mag erscheinen, daß die USA, neben Israel und der EU, die einzigen sind, die seit jahrzehnten Milliarden Dollar in die palästinensischen Gebiete pumpen.

     

    Die 'Freunde' Palästinas halten sich da höflich zurück. Außer mit lauten Worten.

     

    Weshalb Herr Hillenbrand, sind Ihnen die Hintergründe der derzeitigen Gemengelage kein einziges Wort wert?

     

    Würde ein Ausleuchten des Dreiecks Erdogan, Achmadinejad, ägyptische Militärregierung, liebgewonnenen Vorstellungen als "politisch, juristisch und moralisch verwerflich brandmarken"?

  • E
    end.the.occupation

    >> Angenehmere Verhandlungspartner können sich die Palästinenser aber nicht backen.

     

    Kolonialer Zynismus ist halt eben die Stärke Hillenbrands, dem die taz nachweislich die Erkenntnis verdankt, dass die Dezimierung der Aborigenes Australiens um ca. 60% ein Muster westlichen kolonialen Wohlwollens gewesen sei.

     

    Recht hat er im übrigen auch. Die Palästinenser werden ihre Freiheit nicht von ihren Peinigern, deren Marionetten in Ramallah oder von Hillenbrand geschenkt bekommen, der so wie Kollege Zumach fest in völkischen Bahnen denkt.

     

    Das Problem wird die westliche Zivilgesellschaft - BDS etc. - und die Demokratiebewegung im Nahen Osten lösen müsssen - zusammen mit der anti-/post-zionistischen jüdischen Linken in Israel.

  • O
    Oliver

    Es dürfte wohl eine Doppelmoral des Autors sein, dass er die gewaltsame und illegale Staatsgründung Israels anerkennt, gleichzeitig aber das friedliche Ausrufen eines eigenen Staates als "potentielle Aggression" abtut.

     

    Und wie soll es auch sonst sein: Das Rückkehrrecht wird mit dem Wunsch nach der Vernichtung Israels gleichgesetzt.

     

    Unter Merkmale von Extremismus findet sich übrigens auch die übertriebene Darstellung von sich oder anderen als Opfer, was man ja von der NPD im Bezug auf die Deutschen nur zu gut kennt.

     

    Hillenbrand & Co. sollten sich also gut überlegen, ob man mit dieser "Opfer-Vernichtungs-Rhetorik" überhaupt ernst genommen werden kann.

     

    Wie Henryk M. Broder völlig zutreffend festgestellt hat, ist "Vernichtung" heutzutage ein Gefühl, das die Palästinenser mehr kennen als die Israelis. Wörtlich sagte er, Israel sei heute mehr Täter und das sei gut so.

     

    Wollen wir mal hoffen, dass Herr Hillenbrand nicht mit zweierlei Maß misst...

  • D
    Domenq

    Der Artikel ist moralisch "korrupt".

     

    Gerade die USA als "land of the free" etc. haben nicht gefragt, ob sie 1776 ihre Unabhängigkeit erklären sollten. Sie haben es gemacht, weil es der einizige Weg war. Das ist heute nicht anders.

     

    Sollte Obama tatsächlich ein Veto einlegen, wäre er vollends unglaubwürdig. Sachliche Argumente hätte er zur Begründung keine.

    So wie auch der Autor dieses Artikels.

  • L
    Lothar

    Die Palästinenser "warten" schon über 60 Jahre auf den "ihnen versprochen Staat"? Na ja, wenn man unter "Warten" die ständige Ablehnung aller Angebote eines Staats versteht... Israel hat 1947 den UN-Teilungsplan (glatte 12% des ursprünglich von den Briten versprochenen Mandatsgebiets) angenommen, die Palästinenser hätten damals ihren Staat haben können. Stattdessen: Ablehnung, Angriffskrieg. Seitdem geht das so weiter, obwohl Israel den überwiegenden Teil der von ihm eroberten Gebiete längst zurückgegeben hat (den riesigen Sinai und jüngst Gaza). Mit der arabischen Welt ist kein Frieden zu machen, weil sie den jüdischen Staat ablehnt, so einfach ist das - leider.

  • LK
    Lenning Köstler

    Wenn Klaus Hillenbrand meint, ein "propagandistischer Sieg bei der UNO" würde den Palästinensern faktisch nicht weiterhelfen, so hat er sicher recht, er verkennt aber die gegenwärtigen Machtverhältnisse in Israel und den USA.

     

    In der jetzigen Situation, mir Netanjahu als "Mister No" und dem "Lame-Duck-Präsidentschaftskandidaten" Obama, der einzig und allein darum besorgt ist, sich nicht den Unmut der Pro-Israel-Lobby zuzuziehen, hat Abbas nur die Wahl, entweder mit "propagandistischem Erfolg bei der UNO" nichts zu erreichen oder einfach so nichts zu erreichen.

     

    Sicher kann sich Abbas keine anderen "Verhandlungspartner backen". Hillenbrand vergißt aber, dass sich die USA und Israel Abbas als "Verhandlungspartner gebacken haben". Abbas war bis 2004 wegen seiner prowestlichen Haltung sehr unbeliebt und wurde zum Präsidenten gewählt, nachdem er von Bush zu seinem Wunschkandidaten ernannt wurde und Bush den Palästinensern Fortschritte im Friedensprozß in Aussicht stellte, wenn sie nur Abbas zu ihrem Präsidenten wählten, was die Palästinenser dann gehorsam taten.

     

    Auch Obama und Netanjahu sollten erkennen, dass sie sich keinen prowestlicheren und "kompromissfreudigeren" Vertreter der Palästinenser "backen" können. Wenn sie Abbas jetzt scheitern lassen, bleibt den Palästinensern vermutlich nichts anderes übrig, als die "Zwei-Staaten-Lösung" zu begraben, da es in der Westbank wegen der immer größeren Siedlungen kein zusammenhängendes Staatsgebiet mehr gibt.

     

    Wahrscheinlich werden sich Abbas' Nachfolger dann für eine Ein-Staaten-Lösung einsetzen und die volle israelische Staatsangehörigkeit bei rechtlicher Gleichstellung mit den jüdischen Bürgern für alle Palästinenser in der Westbank und im Gazastreifen fordern.