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Kommentar Oury JallohLeider nichts gelernt

Martin Kaul
Kommentar von Martin Kaul

"Oury Jalloh, das war Mord!" Nach all dem staatlichen Versagen beim Neonaziterror ist das ein weiterer Beleg für institutionellen Rassismus in Deutschland.

Oury Jalloh, das war Mord!" Für diese polizeikritische Meinung werden Afrikaner in Dessau auch heute, sieben Jahre nach dem unaufgeklärten Tod von Oury Jalloh, von der Polizei krankenhausreif geschlagen. Nach all dem staatlichen Versagen in puncto Neonaziterror ist das ein weiterer Beleg für den institutionellen Rassismus in Deutschland.

Die Polizei jedoch versteht das nicht und argumentiert bürokratisch formal: Die Demonstranten hätten sich nicht an Auflagen gehalten. Das ist zynisch. Denn was waren die Auflagen? Die Beamten wollten sich nicht mit der Meinung konfrontieren lassen, dass es sich beim Tod von Oury Jalloh vielleicht nicht um ein tragisches Einzelschicksal handeln könnte, sondern doch um einen rassistischen Polizeimord. Doch muss nicht gerade die Dimension des vermeintlich Unvorstellbaren, mit der Ermittlungsbehörden zuletzt per Zufall rechtsextreme Terrorstrukturen vorfanden, der neue Maßstab für ihr Handeln sein, wenn es um Rassismus geht?

Die Polizeigewalt, mit der in Dessau ausgerechnet wieder afrikanische Demonstranten niedergestreckt wurden, markiert das Ausmaß der Unbelehrbarkeit in Deutschland, wenn es um ein nach wie vor kaum artikulierbares Thema geht: den Rassismus, die Respektlosigkeit, die fehlende Sensibilität in den Behörden.

MARTIN KAUL

ist Redakteur für Bewegung und Politik von unten bei der taz.

An diesem Beispiel wird so auf dramatische Weise deutlich, wie wichtig es ist, dass nicht die Polizei darüber zu richten hat, wie sie kritisiert werden darf. In einer Gesellschaft, in der Behörden antifaschistische Arbeit beflissen behindern, aber bei rechtsextremem Terror schlafen, sind gerade die kritischsten Stimmen kritisch genug. Dass diejenigen, die diese Meinungsfreiheit wahrnehmen, dafür Prügel kassieren, zeigt, wie wenig manche Behörden aus der Debatte über den Naziterror gelernt haben.

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Martin Kaul
Reporter
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16 Kommentare

 / 
  • D
    Dessauer

    Was für kaputte Typen sind denn hier unterwegs??

     

    @Tom

    "Und zum Schluß natürlich auch noch meine Meinung:

    OURY JALLOH - DAS WAR MORD !!!! denn unabhängig von Hautfarbe, Asylrechtsstatus oder Umständen, die zu einer Festnahme führen: Es darf einfach nicht passieren, dass ein Mensch in einer Polizeizelle verbrennt - Oder?!"

     

    Weil es einfach nicht passieren darf...

    Womit dann auch der sogenannte MORD bewiesen wäre, nicht wahr?

    Wie schlicht verdrahtet sind denn manche hier? Unglaublich!

    Tom

  • IT
    Institution Tom

    Die Institution Polizei hat heute, bei der Demo für Aufklärung und Gerechtigkeit im Fall Oury Jalloh und Benennung der zuletzt stattgehabten, institutionell vorbereiteten Polizeigewalt in Dessau, in Jena bewiesen, dass eine systematisch kritische Demonstration prinzipiell auch ohne Eskalation begleitet werden kann.

    @tommy

    Sie haben "noch nie BILD gelesen", dafür aber den Report von Lord Macpherson aus dem Jahr 1997 - welche/r Autor/in auch immer erstmalig über institutionalisierten Rassismus geschrieben haben mag, hat das sicherlich am ehesten im Zusammenhang mit der Kritik kolonialen Handelns getan - und hier hat sich auch das Vereinigte Königreich in der Tat in effizienter Weise hervorgetan.

    Ich kapiere allerdings selbst unter Zuhilfenahme Ihres Verweises auf tödliche Polizeigewalt und deren Folgen in Grossbritanien nicht, welche Merkmale des Falles Oury Jalloh für Zweifel am Vorliegen institutionell (Polizei, Staatsanwaltschaft, das hohe Gericht) organisierten, zumindest aber abgestimmter Straflosigkeit menschenverachtenden Verhaltens sprechen würden!?!

    Dass sich unter Berücksichtigung eines 'ethnischen Hintergrundes' beim 'bestimmten Vorgehen' der Polizei ein rassistischer Stereotyp erkennen läßt, bedarf meinerseits jedenfalls keines weiteren Verweises.

    Im Übrigen finde ich es von Ihnen auch reichlich menschenverachtend, (nebenbei bemerkt im ethnischen Hintergrundsbezug) tödliche polizeiliche Handlungsweisen als "verdiente(s) Ende...ein(es) Berufskriminelle®n" zu qualifizieren!!!

    Warum verweisen Sie explizit auf ein 'gerichtliches Entscheidungsmonopol', wenn Sie eine exekutive Tötung schon durch die Polizei befürworten?

    Ihr ethnischer Exibitionismus zur Frage, welche Menschen Sie bevorzugen ist nicht nur peinlich, sondern sytemrelevant!

    Zum Fall Stephen Lawrence möchte ich nur nochmal klarstellen, dass dieser 1993 von einer Gruppe von 5 weissen Männern getötet wurde, von denen - nach langem Kampf der Familie um Wiederaufnahme des bereits 1996 geschlossenen Verfahrens - letztendlich 2 vor Kurzem erst verurteilt wurden.

    Zuletzt möchte ich noch evtl. bestehenden Ängsten bezüglich möglichen Riots in Deutschland entgegentreten : "In Deutschland gehen die Massen erst dann auf die Barrikaden, wenn´s die im Baumarkt zum Ausverkaufspreis gibt!"

    Vertuschung macht dumm - vor allem diejenigen, die sich angestrengt merken müssen, was sie alles nicht wahr-haben-wollen!!!

  • R
    Rainer

    Ich glaube Ihre Kritik, welche sich nur mit Rechtsradikalismus beschäftigt, greift zu kurz. Solange in Deutschland die Justitz fast zwanghaft die Polizisten schützt, auch wenn ein Fehlverhalten der Beamten offensichtlich ist, werden in Deutschland solche Schlagzeilen immer wieder erscheinen.

  • T
    tommy

    @riots

    Natürlich sind Betroffene nicht objektiv, deswegen entscheiden ja zum Beispiel auch nicht Verbrechensopfer über Strafen, sondern Gerichte. Und "institutioneller Rassismus ist ein Gummibegriff, unter dem man alles Mögliche verstehen kann. In GB hat die multukulturelle Linke ihn genutzt, um ihre eigene Agenda durchzudrücken und sich dabei durch Verwendung des (zugegebenermaßen schlimmen, aber - auch unter anderen Vorzeichen - wohl kaum ganz außergewöhnlichen) Lawrence-Mordfalls gegen Kritik unangreifbar gemacht.

    Was die Wahrscheinlichkeit von riots in Deutschland angeht - ich hoffe mal, die bleiben aus. Bei all ihren Fehlern sind die hiesigen Türken der "diversity" in England wohl doch bei weitem vorzuziehen. Bisher zumindest gab es ja noch nicht einmal auf die NSU-Morde eine gewalttätige Reaktion, die vielleicht sogar durchaus nachvollziehbar gewesen wäre. In London dagegen knallt es ja schon, wenn ein Berufskrimineller in einem Feuergefecht mit der Polizei das verdiente Ende findet.

  • T
    tommy

    @Institution tom

     

    Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie BILD gelesen und habe auch nicht vor, es zu tun. Offensichtlich haben Sie mein Argument einfach nicht verstanden. Beschäftigen Sie sich mal mit den Verhältnissen in GB, dem sogenannten MacPherson report (da kommt der Begriff "institutioneller Rassismus" meines Wissens nach nämlich her oder erlangte zumindest größere Popularität) und dessen Folgen für das Vorgehen der Londoner Polizei gegen Straftäter bestimmter ethnischer Hintergründe - besonders deutlich zu sehen bei den riots letztes Jahr -, dann kapieren Sie es vielleicht...

  • IT
    Institution Tom

    So...jetzt mal schön der Reihe nach mit den fundierten Argumenten:

    @ Torsten - Danke es geht!

    Mal abgesehen davon, dass Sie Ihre Thesen von "Lüge" und "Selbstmord unter widrigen Umständen" sicher auch nur nicht beweisen könnten - nach Ihrer eigenen Massgabe also auch nicht davon "reden" sollten, gab es durchaus Tatortzeugen (sogar mit Aufsichtspflicht!): Polizisten! Und dass es keine lückenlose Dokumentation gibt, dafür haben auch Polizisten gesorgt!

    Der BGH hat das von Ihnen zitierte "Urteil" aus Dessau wie folgt qualifiziert: "lückenhafte Beweisführung", "nicht nachvollziehbare Urteilsbegründung", "nicht pflichtgemäßee Verhalten der Polizeibeamten".

    Und...Polizisten sind (noch?) keine eigene "Rasse"!

    @ Tina: Man muss zwar nicht notwendigerweise links sein, um seine Bürgerrechte zu kennen und auch gegen unberechtigte (straftätliche!) polizeiliche Massnahmen zu verteidigen (Widerstand!), aber ich bin gerne links...was sind Sie eigentlich und was haben Sie eigentlich begriffen?

    @ tommy: "Polizei gängeln"...ein origineller Rechtsverdreher (den merk ich mir:-)). Doch zurück zu den Argumenten - ich kann trotz ernsthafter Bemühung kein wirklich eigenes von Ihnen erkennen und selbst BILD-Leser haen doch eine eigene Meinung - komisch, dass die selbst hier nicht fehlt!

    @ Martin Kaul: Danke !!!!!!

    Und zum Schluß natürlich auch noch meine Meinung:

    OURY JALLOH - DAS WAR MORD !!!! denn unabhängig von Hautfarbe, Asylrechtsstatus oder Umständen, die zu einer Festnahme führen: Es darf einfach nicht passieren, dass ein Mensch in einer Polizeizelle verbrennt - Oder?!

  • R
    riots

    Der rechtsextremismus ist kein speziell deutsches problem, dieses problem teilt deutschland mit vielen, das problem das deutschland hat, ist provinzialismus und ignoranz in der rassismusdebatte.

     

    @tommy: Wenn sie schon auf england verweisen wollen, dann stellen sie doch wenigstens sicher, dass ihre fakten stimmen. Die anerkennung von Institutionellem rassismus ist in england nicht als kampfbegriff der multilkulturellen Linken entsprungen, sondern folgte dem rassistischen mord eines 18 jaehrigen und der darauffolgenden vertuschung durch die polizei und institutionen. Erst dieses jahr sind die moerder schuldig gesprochen worden.

     

    Die anerkennung ist nicht in einem ideologischen labor gebraut worden, sondern war eine laute forderung der BETROFFENEN. Aber in Deutschland hoert man denen ja nicht zu, die sind ja nicht objektiv.

     

    Solch hoerbarkeit wie auch ein zuhoeren vermisst man noch in deutschland. Vielleicht braeuchte es mal riots.

  • D
    Dave

    @Tina

    ich bin selbst schwarz und lebe in münchen.was ich und meine freunde schon an rassismus seitens der polizei erlebt haben ist wirklich traurig!rassistische beschimpfungen und auch tritte und schläge sind sehr oft passiert!aber gut eine chance etwas zu machen ist fast unmöglich.und genau das wissen auch diese polizisten in dessau.womit müssen sie rechnen??mit gar nichts das ist die wahrheit!!

  • V
    vic

    Lieber Torsten,

    Selbstentzündung mag bei falscher Heulagerung vorkommen. Bei Menschen ist das eher unwahrscheinlich. Und kritische Stimmen niederzuknüppeln ist kein gutes Argument um zu erläutern, wie es dazu kommen konnte.

  • HR
    Hartmut Rieg

    @Tina: danke, dass Sie darauf hinweisen, dass am Samstag in Dessau massenhaft Polizisten schwer verletzt wurden!

    @Torsten: Ihnen vielen Dank dass Sie darauf hinweisen, dass die Aufklärung des Todesfalls Sache von Polizei und Justiz ist, was zumindest die Polizei seit Jahren systematisch hintertreibt.

    @allebeide: Besonderen Dank, dass Sie Ihre Meinung durch dundierte Informationen unterfüttern.

  • S
    suswe

    Die Story stinkt. In der Zelle ist vorher auch schon ein Obdachloser verbrannt und es gibt einen zweiten Zugang zu ihr.

    Das Verhalten der Polizei lässt auf problematische Vorgänge schließen.

  • BE
    Bernd. E.

    Rassismus und autoritäre Einstellungen bei der Polizei und anderswo gehören nicht zum "vermeintlich Unvorstellbaren", sondern sind Praxis. Siehe die Polizeigewalt insbesondere auch gegen Schwarzafrikaner bei der Demonstration am Samstag in Dessau.

    Ebenso gehört für mich ein Mord an Oury Jalloh in einer Polizeizelle nicht zum "vermeintlich Unvorstellbaren", die bakannten Fakten sprechen eine eigene Sprache.

  • T
    tommy

    "Institutioneller Rassismus" - wow, mit zehn bis 15 Jahren Verspätung kommt in Deutschland auch noch der dümmste Kampfbegriff der multikulturellen Linken Großbritanniens an. Jetzt noch schön die Polizei gängeln (natürlich nur gegen Straftäter bestimmter Herkunft; gegen den "Alltagsrassismus" muss natürlich mit Law and order vorgegangen werden), dann kriegen wir vielleicht in zehn Jahren auch so schöne riots wie in London.

    Ach übrigens, wo schon die NSU-Morde als Argument benutzt werden - die Jungs von der Truppe hatten auch was gegen die Polizei! Komisch, dass das irgendwie hier unter den Tisch fällt.

  • T
    Tina

    Ihr Linken kapiert es einfach nicht, Gewalt und Widerstand gegen Polizeibeamte ist eine Straftat!!

  • T
    Torsten

    "Oury Jalloh, das war Mord!"

     

    Institutioneller Rassismus? Gehts noch? :-(

     

    Diese Aussage ist eine Lüge und eine Diffamierung der Polizei. Ein Lüge, weil die Gerichte zum Urteil gekommen sind, das es kein Mord war sondern Selbstmord unter widrigen Umständen. Und eine Diffamierung, weil Beamtenbeleidigung und üble Nachrede.

     

    Wer hier von Mord redet, soll das beweisen! Aber es war nun einmal niemand Zeuge und lückenlose Beweiskette gibt es auch nicht.

     

    Dieser Artikel ist dagegen Medialer Polizeirassismus!

  • AZ
    Aram Ziai

    Danke, lieber Martin Kaul!

    Es tut gut, endlich mal klare Worte in der taz zu diesem Thema zu lesen. Angesichts der Umstände dieses Todesfalls erscheint mir das "Unvorstellbare" hier durchaus vorstellbar.