piwik no script img

Kommentar Ölleck in der NordseePR-Nebel über der Nordsee

Manfred Kriener
Kommentar von Manfred Kriener

Das Ölleck in der Nordsee gehört tatsächlich zu den kleineren Problemen von Shell. Die Informationspolitik des Unternehmens ist desaströs.

D er Öl-Unfall in der Nordsee ist zwar einige Nummern kleiner als die "Deepwater Horizon"-Katastrophe im Golf von Mexiko. Aber der Umgang mit diesem Leck durch den Öl-Multi Shell ist schlimmer als die Leckage selbst: Vertuschen, Kleinreden und rhetorische Nebelwände über die Nordsee legen, so die PR-Strategie des Konzerns. "Shell hat mehr zu bieten als Tankstellen"? Stimmt - eine Informationspolitik aus der Steinzeit.

Nie wieder wollen wir hören, dass ein Leck "unter Kontrolle" ist - wir wollen hören, dass es "dicht" ist. Sofern es tatsächlich dicht ist. Und was bedeutet bitte die Redewendung, es gebe kein zweites Leck, das Öl habe sich nur "einen anderen Ausgang" gesucht? Wir verbitten uns auch Mengenangaben zu dem in die Nordsee geflossenen Öl in Barrel.

Dadurch wird das Problem zwar 159-mal kleiner als bei Liter-Einheiten, aber mit plumper Arithmetik wurde bisher noch kein Leck gestopft. Öl kann auch nicht "austreten" (zumal es in 100 Meter Tiefe weit und breit kein Klo gibt), es "fließt" in die Nordsee - und wenn es schlimmer wird, schießt es unter hohem Druck heraus.

Der Autor

MANFRED KRIENER ist taz-Autor.

Besonders clever war zudem die Ausrede, man habe die Öffentlichkeit nur deshalb so spät informiert, weil man sich zuerst ein Bild machen wollte. Warum stört eine ehrliche Informationspolitik beim Sich-ein-Bild-Machen? Übrigens: Nicht nur die verehrte Firma Shell, auch der Rest der Welt will sich ein Bild machen.

Der Unfall, 15 Monate nach dem "Deepwater"-Desaster, erinnert daran, dass sich nichts geändert hat in der schmierigsten aller Branchen. Es wird weiter rund um den Erdball in irrsinnigsten Tiefen und wertvollsten Ökosystemen nach Öl gebohrt.

Von Konzernen, die vor allem ihre Presseabteilungen unter Kontrolle haben. Das eigentliche Problem: Wir verbrauchen Tag für Tag 86 Millionen Barrel Erdöl. Das sind 13,7 Milliarden Liter. Und die leicht zugänglichen Quellen für Nachschub sind perdu.

Aber mal was anderes: Wer tankt eigentlich noch bei Shell?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Manfred Kriener
Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Umweltjournalist und Autor in Berlin. Themenschwerpunkte: Klima, Umwelt, Landwirtschaft sowie Essen & Trinken. Kriener war elf Jahre lang taz-Ökologieredakteur, danach Gründungschefredakteur des Slow-Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei.. Zuletzt erschienen: "Leckerland ist abgebrannt - Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur". Das Buch schaffte es in die Spiegel-Bestsellerliste und wurde von Umweltministerin Svenja Schulze in der taz vorgestellt. Kriener arbeitet im Journalistenbüro www.textetage.com in Kreuzberg.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • UR
    Uwe R.

    Ihr kritischer Artikel war ja länger auf der 1. Seite der TAZ, als ich gewettet hatte.

  • UR
    Uwe R.

    Kompliment Herr Kriener zu Ihrem Mut und Ihrer klaren Aussage.Ich hoffe, Sie haben einen Chefredakteur, der hinter Ihnen steht und sagt, weiter so. Ich hoffe Ihr Mut hat sich gelohnt und viele Menschen erreicht, sich ein kritisches Bild über Ölplattformen im Meer zu machen. Vielleicht haben Sie ja auch den einen oder anderen Macher erreicht, dass er sich fragt, was machen wir da überhaupt?.

    Fazit: Ich hoffe, dass sich die Natur schneller von uns erholt, als wir es uns vorstellen können.

    Noch ein paar Erdbeben, und wir haben es hinter uns.

    Manchmal glaube ich es brauchte den Menschen, damit wir Radioaktivität in der Luft, planktongroße Plastikteilchen im Wasser, ein wenig Ozonloch und eine nachhaltige Klimaveränderung auf der Mutter Erde bekommen, bevor wir uns von diesem schönen Planeten nachhaltig verabschieden.

    Wenn ich wüßte, wer uns den Auftrag für diese zielstrebige Selbstauflösung gegeben hat.