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Kommentar Occupy besetzt HausZeit, Abschied zu nehmen

Konrad Litschko
Kommentar von Konrad Litschko

Die Occopy-Bewegung in Berlin verzettelt sich. Zwar wurde mal wieder kurzfristig ein Haus besetzt. Doch es fehlt den Akteuren an Rückhalt.

N un also noch eine Besetzung. Wieder, liebe Berliner Occupy-Bewegung, habt ihr einen Paukenschlag angekündigt. Und diesmal das Haus der Statistik am Alexanderplatz okkupiert. Eine schöne Idee. Nur kamen nicht viele. Wieder mal.

Es scheint an der Zeit, Abschied zu nehmen. Ihr, die ihr seit Wochen für Demokratie pleniert und campt, ihr habt's probiert - aber von einer gesellschaftsumwälzenden Bewegung ist noch immer nichts zu sehen. Dabei war die Ausgangslage nicht schlecht. Die Wut über Rettungsmilliarden für kriselnde Banken statt für Soziales, über das Auseinanderklaffen von Arm und Reich - wer teilt das nicht? Aber nach den Großdemos bliebt ihr Camper wieder unter euch. Ein Vergleich: Gerade erst rollte der Castor ins Wendland. Und der ganze Landkreis revoltierte. Bauern blockierten Gleise, Schüler demonstrierten, Omis schmierten Stullen für die Atomkraftgegner. Da wurde Wut zu Widerstand, fast kollektiv.

Scheitern selbst ankreiden

Sicher, das Finanzsystem ist ein abstrakterer Gegner als ein Zug voller Nuklearmüll. Aber dass selbst natürliche Partner wie Gewerkschaften oder Attac nicht (mehr) mitbesetzen, daran seid ihr nicht ganz unschuldig. Bis heute diskutiert ihr mehr übers Zelten als darüber, was ihr eigentlich wie verändern wollt. Und warum euer Weg erfolgversprechender sein soll als der anderer Kapitalismusgegner.

Wir wissen, eure Revolution ist schon das neue Diskutieren, das Forum der Menge. Nur ist diese Menge verdammt klein. So bleibt eure Asamblea sicher eine feine Form der Selbstverständigung. Die Gesellschaft aber hat sie nicht verändert. Liebe Okkupisten, es hat nicht sollen sein.

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Konrad Litschko
Redaktion Inland
Seit 2010 bei der taz, erst im Berlin Ressort, ab 2014 Redakteur für Themen der "Inneren Sicherheit" im taz-Inlandsressort. Von 2022 bis 2024 stellvertretender Ressortleiter Inland. Studium der Publizistik und Soziologie. Mitautor der Bücher "Staatsgewalt" (2023), "Fehlender Mindestabstand" (2021), "Extreme Sicherheit" (2019) und „Bürgerland Brandenburg" (2009).
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10 Kommentare

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  • OB
    Occupy Berlin Aktivist

    Schön das Sie berücksichtigen, das ganz viele Menschen, die auch unter dem #Occupy Begriff für eine gerechtere Welt kämpfen, - grade zu den Castorprotesten ins Wendland gefahren sind...

     

    Es geht um eine Weltweite Bürgerbewegung - und um die Idee, das eine andere Welt möglich ist, - und zwar unmittelbar und sofort... - das muß man nicht an einem Camp, oder einem Gebäude festmachen... - denn es geht um eine Idee - und die "Tötet" man nicht so einfach... - ein Camp, etc... ist letztlich nur dafür da, einen öffentlichen Treffpunkt zu haben, - sodaß der Austausch von Gedanken und Ideen - auch "Analog" stattfinden kann !!! - Also dafür das Menschen die nicht Internetaffin sind, auch frühzeitig miteinbezogen werden können - ausserdem ist es Transparent !!!

     

    Das es bei einem zusammenkommen von verschiedenen Menschen, unterschiedlichen Hintergrunds - etc... - zu problemen kommt ist völlig klar ! - Eingeprägte Verhaltens und Denkmuster - verändert man nicht an einem Tag...

  • AJ
    Anabel Jujol

    Lieber Matthias Hoffmann,

    danke für diesen sehr treffenden Kommentar.

    Dem ist nichts hinzuzufügen, außer villeicht: Es handelt sich um eine globale, vielschichtige Bewegung - wir sind erst am Anfang, aber wir sind viele.

    Anabel Jujol

  • SG
    so geht das: katalipsi
  • M
    Marty

    Wow! Ich wusste schon der TAZ iat rechts orientiert aber dass Occupy jetzt als störend auch für «Linke» Zeitungen lächerlich ist. Bitte, hören sie mit ihre hipster, sklerosierte 68er quatsch auf. Sie machen sich lächerlich.

  • RK
    R. Konser-Vativ

    Huch, jetzt hab ich mich mal wieder in die Kommentarspalte der jungen Freiheit verlaufen, na sowas. Immer wieder diese rechtskonservative Schreibe von Linksidentitären in dieser tageszeitung.

  • GD
    Grischa Dallmer

    Sehr geehrter Herr Litschko,

     

    als ob es auf 'Masse' ankomme. Ich warne hier ausdrücklich vor einer Quantifizierung von Menschen. Dass die Aktion in kleinem Kreis geplant wurde ohne große Streuung, können Sie sich nicht vorstellen? Auch nicht, dass die Besetzung eine wichtige Bedeutung hatte angesichts des Verhältnisses zu den Eigentümern - unabhängig, ob das Forum am selben Tag tatsächlich schon entsteht?

    Sie schreiben, als ginge es einfach um spektakuläre Massenaktionen für die Presse. Da haben Sie anscheinend nicht verstanden, worum es hier geht.

    Meiner Meinung nach müssen die an Transformation Arbeitenden nicht viele, sondern gut werden in dem was sie tun.

    Das kann dann wiederum anstecken. Und ob viele Menschen angesteckt werden, hängt hingegen mit der gesellschaftlichen Situation zusammen. Gut werden kommt durch gemeinsames Handeln. Dank dem sich dabei öffnenden Raum für Erfahrungen, die gemeinsam durchlebt werden können.

     

    Sie verabschieden sich von uns. Wir, ich + x, verabschieden uns nicht.

     

    Mit freundlichen Grüßen,

    Grischa Dallmer

  • JS
    jack sparrow

    @matthias hoffmann:

     

    ich muss herrn litschko zustimmen:

    occupy wallstreet ist inhaltsleere selbstbespaßung! von Ihrem haufen wird weder politik gemacht, noch irgendein ernstzunehmender inhaltlicher beitrag zur inhaltlichen debatte geliefert!

    ich finde, dass ihr kommentar das eindrucksvoll beweist! so wenig inhalt und so viel geblubber!

    anstatt sich politischen gruppen zu öffnen, die endlich mal für mehr trennschärfe sorgen könnten, tun sie so, als seien sie dem erhaben. politisches lagerdenken? i wo!

    dass sie damit tor und tür für irgendwelche durchgeknallten sekten öffnen,

    ist ihnen leider entgangen....

     

    ich wünsche Ihnen weiterhin

    einen spaßigen campingurlaub!

  • Κατάληψη

    Das Hauptproblem war bisher die historische Schiefheit. Man bezieht sich auf Amiland und Spanien, die Bewegung begann allerdings im Frühjahr 2011 in Griechenland im Anschluß an eine Generalstreiksdemo und wurde brutal von den Bullen geräumt; erst danach ging es in Spanien los und wurde zum eingetüteten Mythos. Besetzungen von Schulen, Ämtern, Unis, Rathäusern sind in Griechenland weit verbreitet und oft werden sie in Anschluß nach Aktionen oder Demos nur durchgeführt, um sich zu versammeln und das weitere Vorgehen zu besprechen; so auch im Dezember 2008 im Rahmen eines dreiwöchigen Aufstandes. Auf den allermeisten Transparenten steht somit Κατάληψη, mit dem schlauen typisch griechischen mehrdeutigen Hintergedanken: Es heisst nicht einfach Besetzung, sondern Beschlagnahme...

     

    assamblea heisst dementsprechend:

    συγκέντρωση

    oder:

    Συνέλευση της Λαϊκής

  • AH
    Alexandra Horn

    Totgesagte leben länger! Mehr Zeit kann ich für die Kommentierung dieses kurzsichtigen Kommentars nicht aufbringen,

    weil ich weiter all meine Energie darauf konzentrieren werde, mit occupy-Berlin für eine gerechtere Welt einzutreten.

     

    Beste Grüße

     

    Alexandra Horn

  • MH
    Matthias Hofmann

    Leserbrief

     

    zu dem Kommentar: „Zeit, Abschied zu nehmen“ von K. Litschko (taz vom 30.11.2011)

     

    Sehr geehrter Herr Litschko,

     

    in ihrem Kommentar formulieren sie eine Reihe von Gedanken, die ich gerne kommentieren möchte. Ich mach das, weil ich gestern einer der Menschen war, die das Haus der Statistik besetzt hielten.

    Vorweg: als gewaltfreier Zusammenschluss von Aktiven aus der occupy- Bewegung kann eine Hausbesetzung immer nur ein symbolischer Akt sein, weil sich niemand mit Gewalt gegen die Ordnungskräfte durchsetzen will. Und so war es: alles blieb friedlich.

    Dass es noch wenige Menschen sind, die dauerhaft ihre Empörung in Engagement ausdrücken, liegt vielleicht auch an jahrzehntelanger Reduzierung von politischer Teilhabe auf die Stimmabgabe zu den Wahlen. Und es kann auch an Kommentaren wie dem ihrigen liegen. Nach nur sechs Wochen in der Kommentarspalte 'weggeschrieben zu werden' hat für mich etwas unverhältnismäßiges. Wie waren denn die ersten Proteste in Gorleben? Oder die gegen den Golfkrieg? Eine Hand voll Menschen besetzte damals die Ringkirche in Wiesbaden. Sie wurde zu einem Zentrum der Proteste gegen den Krieg.

    Wenn nach sechs Wochen die „gesellschaftsumwälzende Bewegung“ ausbleibt und das als Grund angeführt wird, dass die occupy- Bewegung Abschied nehmen sollte, dann müsste dies doch für alle politischen Akteure der Republik gelten. Dann müssten sie die FDP um Auflösung bitten, die Kanzlerin um Neuwahlen und ihre eigene Zeitung zu einem kleinen Klientelblatt degradieren, statt sie groß spurrig als „die tageszeitung“ zu titulieren.

    Die occupy- Proteste sind nur ein Mittel um die Sprachlosigkeit zu überwinden und ein kleiner Beitrag, dass eine neue soziale Bewegung entstehen kann. Schauen sie sich an, wie sich in den Bereichen Wirtschaft, Ökologie und im Zusammenleben der Menschen die undemokratischen und katastrophalen Entwicklungen beschleunigen! (Kritische) Solidarität mit den Menschen, die mehr Demokratie wagen wollen, finde ich wünschenswert.

    Was das campen betrifft: ich habe mehr Achtung vor den Menschen, die glauben durch winterliches Zelten einen Beitrag für eine bessere Welt zu leisten, als vor Akteuren der gescheiterten Machteliten. Ich habe mehr Respekt vor den Menschen, die in Asambleas basisdemokratisch 'plenieren' als vor Politikern, die sich in den Parlamentsdebatten gegenseitig vorführen und in den Ausschusssitzungen klüngeln.

     

    Mich empört etwas anderes: viele Menschen in Berlin suchen eine warme Bleibe für den Winter. Bezahlbarer Wohnraum ist knapp. Zahlreiche Vereine, Initiativen und Künstler suchen Räume. Das Haus der Statistik steht seit Jahren leer. Es wird beheizt, hat sanitäre Einrichtungen, fließend Wasser. Jeden Winter gibt es Kältetote in Berlin. Das empört mich. Nicht, dass am Dienstag nur 20 statt 2000 Menschen das Haus der Statistik occupiert hatten.

     

    Mit freundlichen Grüßen,

    Matthias Hofmann