Kommentar Obamas Bildzensur: Erste Risse
In dem er die Veröffentlichung der Abu-Ghraib-Bilder verhindert, lässt Obama zu, dass seine Glaubwürdigkeit als Runderneuerer der US-amerikanischen Politik Schaden nimmt.
Bernd Pickert ist Redakteur in der Sonntaz. Zuvor war er im taz-Auslandsressort für die beiden Amerikas zuständig.
Es ist noch nicht oft vorgekommen, dass US-Präsident Barack Obama von Wahlkampfversprechen abgerückt ist. Mit der plötzlichen Entscheidung, die Veröffentlichung von weiteren Folterbildern aus Abu Ghraib verhindern zu wollen, hat Obama einen solchen Schwenk vollzogen. Seine Glaubwürdigkeit als Runderneuerer der US-amerikanischen Politik zeigt die ersten kräftigen Risse.
Wer bitte soll denn glauben, 2.000 weitere Bilder, darunter Schnappschüsse von US-Soldaten, aber auch medizinische Leichenfotos zur Dokumentierung von Folter und Misshandlung, brächten "keinerlei neue Erkenntnisse", wie Obama argumentiert? Bushs Nachfolger hält damit an der längst als Mär aufgedeckten Version fest, 2003 hätte nur eine kleine Einheit in Abu Ghraib gewütet, ohne Wissen der Vorgesetzten.
Mit der Entscheidung, die Veröffentlichung der Bilder zu verhindern, kämpft Obama gegen den immer stärker werdenden Druck, die menschenrechtlichen Verbrechen der Bush-Regierung auch strafrechtlich zu verfolgen. Die Bürgerrechtler von der American Civil Liberties Union (ACLU) verlangen das hartnäckig, und natürlich feuern sie wütende Breitseiten auf den gewandelten Obama, der Transparenz versprach und nun Vertuschung praktiziert.
Sicher: Obama agiert nicht im luftleeren Raum, sondern er reagiert auf die heftigen Angriffe vonseiten der Republikaner, die ihm schon vor einem Monat nach der Veröffentlichung der Folter-Memos Landesverrat vorwarfen. Und dennoch: Dass der Präsident der Veränderung gerade in diesem Punkt keine Führungsstärke zeigt, ist ein Trauerspiel. Denn Vertuschung und Straflosigkeit waren noch nie gute Voraussetzungen für einen Neuanfang. Sie markieren in der Regel dessen Scheitern.
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