Kommentar Obamas Amtseinführung: Obama und die Hoffnung
Der Handlungsspielraum des nächsten Präsidenten ist eng im Korsett der Wirtschaftskrise. Aber das bedeutet nicht, dass Obama dazu verurteilt wäre, keine eigenen Meilensteine setzen zu können. Im Gegenteil.
D ie Woche endete gut. Im Fernsehen liefen die Bilder der Abschiedsrede von George W. Bush, und ganz allmählich weiß nicht nur der Verstand, sondern auch das Gefühl, dass dessen Zeit tatsächlich vorbei ist. Endlich. Wer glaubt, es sei eigentlich ziemlich egal, wer im Weißen Haus sitze, weil Machtkartelle jeden grundlegenden politischen Wandel verhinderten, möge sich vorstellen, Bush bliebe noch eine weitere Wahlperiode im Amt. Zumindest eine Entwicklung hin zum Schlechteren ist jederzeit möglich, wie die letzten Jahre gezeigt haben.
Bettina Gaus ist Buchautorin und politische Korrespondentin der taz.
Aber wie viel Hoffnung darf man in Barack Obama setzen, ohne zugleich jenem Politkitsch anheimzufallen, der weltweit vielen seiner Anhänger das Gehirn zu vernebeln scheint und der ihn zur Lichtgestalt verklärt? Der Handlungsspielraum des nächsten Präsidenten ist eng im Korsett der Wirtschaftskrise, und die Probleme, die er lösen soll, sind gewaltig. Das bedeutet allerdings nicht, dass Obama dazu verurteilt wäre, lediglich auf tagesaktuelle Entwicklungen zu reagieren, und dass er keine eigenen Meilensteine setzen könnte. Im Gegenteil.
Einige seiner Vorgänger haben bewiesen, wie viel ein US-Präsident bewirken kann, wenn ihm eine Sache wirklich am Herzen liegt. Der "New Deal", den Franklin D. Roosevelt ins Leben rief, war kein Naturereignis, sondern eine - seinerzeit heftig umstrittene - politische Richtungsentscheidung. Dasselbe gilt für die Trennung von Kirche und Staat, für die Thomas Jefferson gefochten hat. Oder für die Abschaffung der Sklaverei in den USA, die Abraham Lincoln zu verdanken ist.
Noch ist ungewiss, ob Barack Obama überhaupt ein Anliegen hat, für das er auch politische Risiken in Kauf zu nehmen bereit ist, und welches dieses Anliegen sein könnte. Fest steht lediglich: Schwarzsein allein reicht nicht, um bedeutend zu werden. Obama scheint das zu wissen, Teile seiner Gemeinde wissen es nicht. Das ändert nichts daran, dass die Wahl eines schwarzen US-Präsidenten für alle Gegner von Rassismus und Diskriminierung ein Grund zur Freude war und ist. Vielleicht sollte man sich ja in den nächsten Tagen die Freude darüber auch einfach mal erlauben. Der politische Alltag kommt ohnehin früh genug zurück.
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