Kommentar Obama und das Militärtribunal: Kein Garten Eden
Obama ist nicht der Erweckungsguru der globalen linken Mitte, sondern Präsident der USA. Als solcher muss er auch Kompromisse machen und die gespaltene amerikanische Gesellschaft wieder miteinander versöhnen.
Die US-Regierung hat in Deutschland darum gebeten, ehemalige Häftlinge aus Guantánamo aufzunehmen. Genau die gleiche Regierung plant nun offenbar, die Militärtribunale gegen die noch Inhaftierten fortzusetzen. Widersprüchlicher geht es kaum.
Es ist die gleiche Taktik, die Präsident Barack Obama schon bei den Folterern von der CIA gezeigt hat: mit der einen Hand strafen, mit der anderen streicheln. Wo er einen Schritt nach vorn macht, trippelt er zugleich einen zurück. Das dürfte all jene Europäer enttäuschen, die geradezu messianische Heilserwartungen an den neuen Mann im Weißen Haus hatten. Er sollte im Alleingang die hässlichen Monumente der Bush-Ära planieren und dann zusammen mit Al Gore auf den Ruinen einen Garten Eden anlegen, durch den nur noch Dreiliterautos von Chrysler fahren.
Und nun: macht der US-Präsident eine Politik des Sowohl-als-auch. Kommt den Linken ebenso entgegen wie den Rechten. Kennen wir das nicht irgendwoher? Auf einmal sieht Barack Obama Angela Merkel so unheimlich ähnlich. Er schwebt nicht mehr über den Niederungen der Politik, dem Sumpf der Kompromisse. Er läuft mitten hindurch und macht sich dabei tatsächlich manchmal schmutzig. Auweia!
Dabei macht der Mann nur seinen Job - nämlich gewählter Präsident der USA zu sein und nicht Erweckungsguru der globalen linken Mitte. Auch Obama hält die Militärtribunale eines Rechtsstaats für unwürdig. Aber er kann nicht einfach alles ausradieren, was die politische Rechte mit einem Großteil der Bevölkerung im Rücken in den vergangenen Jahren durchgesetzt hat.
Obama versprach seinen Wählern, die tief gespaltene amerikanische Gesellschaft wieder miteinander zu versöhnen. Dafür muss er die Rolle des Heilsbringers auch mal verlassen.
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