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Kommentar Obama-RedeKeine falschen Kompromisse mehr

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Einfach nur eine Rede zur Lage der Nation? Obamas Worte waren ein wohl formuliertes „Fuck you“ an die Adresse der Republikaner und der Tea-Party.

Wem die Kusshand wohl gilt? Den Republikanern jedenfalls nicht. Bild: dpa

U S-Präsident Barack Obama hat die jährliche Rede zur Lage der Nation genutzt. Er hat die Prioritäten seiner zweiten Amtszeit deutlich gemacht, und er hat sie mit dem Prädikat „dringend“ versehen. Wirklich neu waren die meisten seiner Ankündigungen nicht.

Dass Investitionen in Bildung, Wissenschaft und Infrastruktur nötig sind, um die USA für Investitionen attraktiv zu halten, hat er schon vor zwei Jahren an gleicher Stelle ausgeführt – jetzt hat er einige Vorschläge ein wenig konkretisiert. Der Unterschied: Obama hat Aufwind, die Republikaner sind im Abstieg begriffen. Was damals noch undenkbar war, könnte heute umgesetzt werden.

Tatsächlich überraschend ist die Entschiedenheit, mit der Obama die Prioritätensetzung der oppositionellen Republikaner auf Defizitreduzierung für unsinnig erklärt. „Defizitreduzierung allein ist kein Wirtschaftsplan“, sagte er, und „wir können unseren Weg zum Wohlstand nicht zusammensparen“. Diese Analyse paart Obama mit der Erzählung, der Weg zur Reduzierung des Defizits sei schon zur Hälfte zurückgelegt, im übrigen müssten die Wohlhabenden noch ein bisschen mehr tun, Steuerschlupflöcher müssten geschlossen werden.

Bild: Foto: taz
Bernd Pickert

ist taz-Redakteur im Auslandsressort und für die Amerika-Berichterstattung zuständig

Vor allem aber müsse Washington aufhören, mit ständigen neuen Deadlines, ob nun zur Erhöhung der Schuldenobergrenze oder selbstgemachten Ultimaten zu automatischen Ausgabenkürzungen. Mit diesen Deadlines stürzten sich die USA ständig selbst in neue Krisen. Stattdessen müsse endlich eine dauerhafte große Steuerreform her und ein ausgeglichener Haushalt, der aber nicht auf Kosten der Armen und der Mittelschicht gehen dürfe. Das ist ein wohlformuliertes „Fuck you“ an die Adresse der Republikaner-Fraktion im Repräsentantenhaus und die Tea Party.

Vom kompromisssuchenden Obama, der versucht, sich an den republikanischen Diskurs anzupassen, ist nichts mehr übrig. Zum Glück.

Obama führt endlich

Dabei bleibt Obama in der Haushaltspolitik inhaltlich vage. Seine Rede ist weniger ein konkreter Vorschlag an den Kongress als vielmehr einen Aufruf an die Nation, durch Druck von außen die Blockademöglichkeiten der Republikaner einzuschränken. Dazu passt, dass er in den kommenden Tagen im Land unterwegs ist, um seine Botschaft weiterzutragen.

Man kann das Populismus nennen – man kann aber auch sagen, dass Obama endlich führt. Er will nicht Umfragen hinterherlaufen, er will das Denken verändern, will aufbauen auf den Popularitätswerten, die ihm derzeit bescheinigt werden, will die Republikaner an den Rand drängen, ihnen die Möglichkeit nehmen, noch einmal eine Amtszeit lang seine Regierungsfähigkeit zu torpedieren.

Nein, diese Rede zur Lage der Nation ist nicht historisch, sie ist strikt funktionell. Und sie ist geschickt. Ganz am Ende der guten Stunde, die Obama, unterbrochen von Applaus mal vom ganzen Kongress, mal nur von den Demokraten, am Mikrofon verbringt, kommt er auf Waffenkontrolle zu sprechen und schafft damit den emotionalen Höhepunkt.

Die Angehörigen von Newtown und allen anderen Orten, in denen Massaker in den letzten Jahren Menschenleben gekostet haben, „verdienen eine Abstimmung“, sagt Obama. Genau diese Angehörigen sind im Raum, und selbst die Republikaner, die mehrheitlich keine neuen Waffengesetze wollen, müssen stehend applaudieren.

Reform der Migrationsgesetze, Energiewende, Waffenkontrollgesetze, Steuerreform, Durchfinanzierung der Gesundheitsreform – Obamas Vorhaben sind tatsächlich ambitioniert, und er hat dafür nicht allzu viel Zeit.

Was er mit seiner Rede überhaupt bewirken konnte, hat er versucht, und die Antworten vom Republikaner-Star Marco Rubio und erst recht der Tea-Party-Ikone Rand Paul wirkten dagegen beim Mainstream-Publikum ungelenk und kleingeistig.

Schafft es Obama, in diesem Tempo weiterzumarschieren, könnte er tatsächlich in den kommenden zwei Jahren mehr bewirken als in seiner gesamten ersten Amtszeit. Diese Rede zur Lage der Nation dürfte in den Geschichtsbüchern keine große Rolle spielen. Obamas Präsidentschaft womöglich schon, und genau dafür brauchte er diese Rede.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

12 Kommentare

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  • I
    Interessant

    im Zusammenhang mit dem heutigen Taz-Artikel http://www.taz.de/Steuerflucht/!110958/

     

    Denn diese Steueroasen sind zu 90% Ableger der City of London und der Wallstreet.

     

    D.h. Europa wird von Brüssel en Block verschachert, oder Merkel, Özdemir, Hollande, Berlusconi & Co schicken uns einzeln in die Sklaverei der USA.

     

    Genau DAS bedeutet die Freihandelszone, die EU- Diktatur schließt sich auch offiziell der FED- Diktatur der USA an, die von wenigen Clans geleitet wird.

     

    "Gib mir die Kontrolle über die Währung einer Nation, dann ist es für mich gleichgültig, wer die Gesetze macht."- Mayer Amschel Rothschild, 1744-1812

    Und es ist mir egal, ob ein Ar....... Jude, Christ oder sonstwas ist.

    Entscheidend ist, wie jemand handelt.

  • N
    noevil

    ..und genau dafür brauchte er eine zweite Amtszeit, in der ihn keiner mehr unter den Druck setzen kann, als nicht-mehr-wieder-gewählter-"Einweg-Präsident" im Nirwana der Geschichtsschreibung unterzugehen, sondern als erster schwarzer Präsident der USA markante politische Zeichen zu setzen - und er hat sie bekommen.

     

    Good Luck!

  • DS
    Der Sizilianer

    @ Domenq:

     

    Vielleicht existiert diese Kritik, weil die "Tea Party" auch ein Sammelbecken für rassistische, antisemitische, nationalistische und christlich-fundamentalistische Hetze ist?

     

    Beispielsweise:

     

    http://derstandard.at/1287099671211/Tea-Party-Rassisten-und-religioese-Eiferer

  • R
    Renegade

    Soso. Was für ein passender Artikel für diese großartige Rede.

     

    Das ganze Gequatsche über das Defizit etc. ist ja schön und gut, genauso wie die Mahnung zu Bildungsausgaben, Infrastruktur, etc. Die Frage ist und bleibt, wo denn das Geld herkommen soll... genauso wie Obamas großes Gerede zur Bekämpfung der Krise wird wohl nicht viel bei rumkommen. Bzgl. der wirtschaftlichen Lage hat sich ja nicht viel verbessert, tolle Förderprojekte wie GM hybrid cars waren eine komplette Katastrophe und die wahren Verantwortlichen für die Finanzkrise werden auch unter Obama nicht zur Rechenschaft gezogen, ihnen wird eher der Hof gemacht (und dieser lächerliche Schauprozess gegen S&P ist ja nun wirklich nicht der Rede wert).

     

    Nebenbei lässt Obama ja noch immer ein große Fuck You in Richtung Republikaner bzgl. der Einhaltung der Menschenrechte innerhalb und außerhalb der USA vermissen (Drohnen, indefinite detention, rendition, Krieg und das Unterstützen von Diktaturen von Afghanistan bis Saudi Arabien, etc.)...

     

    Und mal wieder das gute, alte Waffenrecht. Das letzte, was ich vom Missbrauch von assault rifles (welche in diesem Fall natürlich auf Orwellsche Art high powered rifles genannt wurden), kam meines Wissens aus LA, als die Polizei auf Verbrecherjagd einfach mal schießwütig ein paar Autos angegriffen hat.

     

    Und im Rechtsstaat ist natürlich immer das beste, Angehörige von Opfern in ihrem objektiven Zustand die Entscheidung zu überlassen, das nächste Mal werde ich auch dafür plädieren, Opfer und Angehörige von Vergewaltigern und Kindsmördern über die Wiedereinführung der Todesstrafe abstimmen zu lassen.

  • F
    FiktionstattFakten

    http://de.statista.com/statistik/daten/studie/1975/umfrage/staatsverschuldung-der-usa/

     

    "Wer in seiner Amtszeit mehr Schulden produziert, als alle anderen Präsidenten zusammen,....."

     

    Wenn man die absoluten Zahlen betrachtet ist Ihre Aussage schon non-sense, aber wenn man sich die Mühe machen würde die Kosten aufzudröseln, für die Obama nicht verantwortlich gemacht werden kann (Afghanistan, Irak, Wirtschaftkrise 2008 etc.), dann ist das wirklich einfach haltlos.

  • D
    Domenq

    Die "tea-party" kämpft für individuelle Freiheitsrechte und einen möglichst kleinen kleinen Staat ohne Bevormundung und Allgewalt.

     

    Warum wird das eigentlich stets diffamiert?

  • F
    friedbert

    Obama will mit neuen Freihandelszonen noch

    mehr Deregulierung, noch mehr Arbeitsplatzkampf

    und noch mehr US-Militär- und Wirtschaftshegemonie

    durchsetzen zu Lasten Europas, zu Lasten

    ins Besondere auch Deutschlands und zu

    Lasten unserer Sicherheitsbedürfnisse.

    Wessen Rechtssprechung, wessen Reisefreiheit

    usw. werden wohl zu wessen Gunsten reguliert werden??

    Die EU und gerade Deutschland werden draufzahlen.

    Unser Mittelstand soll zu denen hin abwandern!!!

    Unser Wirtschaftswachstum wird entscheidend

    geringer sein, als das der USA.

    Die EU unterschreibt hier ihr Todesurteil bzw.

    zementiert ihr Vasallentum!

     

    Jeder müßte eigentlich verstanden haben,

    dass uns gerade der schrankenlose

    globale Welthandel mit entmachteten

    Regierungen uns in diese totale Wirtschaftsmalaise

    hineingeführt hat!!!!!

    Nun verschlimmert Obama das Ganze mit

    einer zusätzlichen Freihandelszone!!!

    Wie blöd kann man eigentlich noch sein??

     

    Und Merkel, Westerwelle &Co, Steinbrück und sicherlich unsere Fischer-Grünen auch sind dafür.

    Das ist ein hundertprozentiges Indiz, das

    es eine Katastrophe werden, wird.

     

    Obama hat ein wesentlich besseres Image als Bush,

    aber letzlich ist er noch einmal um Großenordnungen

    gefährlicher.

  • S
    Schuldner

    Wir brauchen die Schulden und die Krisen!

     

    Setzen Sie mal eine ordentliche Reichensteuer durch, ohne dass die Hütte brennt? Das klappt nie.

     

    Obami hat das ganz richtig gemacht: erstmal KV und andere wichtige soziale Vorhaben durchgesetzt, und jetzt - um das Geld ranzuschaffen - die Bestverdiener bzw. Bestbekommer ordentlich zur Kasse bitten, um mal halbwegs die Zinsen von den Zinsprofitiern wieder an die Zinszahler zurückgeben.

  • D
    Dhimitry

    Ich finde, der Präsident hat für seine Ankündigungen einen Nobelpreis verdient!

  • I
    iBot

    Sind Sie auch von der Tea Party?

    Obama hat zwei teure Kriege und eine noch viel teurere Finanzkrise geerbt. Ich wüsste nicht, wie jemand anderes gehandelt hätte, ohne neue Schulden oder weiträumige Verelendung in Kauf zu nehmen.

  • S
    Sören

    Präsident Obama hat eine erfreulich progressive Agenda präsentiert. Der Klimawandel war ein Thema, aber auch die Verringerung der Kluft zwischen Arm und Reich. Für Europäer ist das vielleicht wenig aufregend, aber die Tatsache, dass der Präsident dem Staat eine Rolle dabei zugesteht, ist für amerikanische Verhältnisse fast revolutionär.

     

    Obama versucht den Diskurs zu verändern, in dem es seit Ron Reagan Mainstream ist, dass der Staat ein Problem und keine Lösung ist. Wenn er das schafft, kann er einer der progressivsten (der progressivste) seit F.D. Roosevelt werden.

     

    Das alles vor dem Hintergrund, dass Obama eine Wirtschaft am Rande des Kollaps und ein bereits hohes Haushaltsdefizit übernommen hat. George Bush hatte dagegen einen Haushaltsüberschuss und eine robuste Wirtschaft geerbt...

  • F
    FaktenStattFiktion

    Die Form dieses Artikels ist so dürftig wie der Inhalt. Obama hatte die vollste Rückendeckung und er hat nur eines richtig gut gemacht: Schuldenberge aufbauen.

     

    Wer in einer Amtszeit mehr Schulden produziert, als alle anderen Präsidenten zusammen, der muss dann auf solche Gebiete wie Amokläufe ausweichen.