Kommentar Notstand in Rom: Rage gegen Roma
Nach einem Einzelverbrechen stellt Italiens Polizei Sinti und Roma unter Generalverdacht und räumt deren Siedlungen. Eine besonders hässliche Art des Vorwahlkampfes.
Italiens Politiker rufen den Notstand aus. Nach dem brutalen Mord an einer 47-jährigen Römerin sehen sich Sinti und Roma aus Rumänien und anderen osteuropäischen Ländern unter einen Generalverdacht gestellt. Die Polizei zeigt vor laufenden Kameras, wie schnell sie Elendssiedlungen am Stadtrand räumen kann. Jugendliche Schläger tun es den Ordnungshütern nach und spielen Selbstjustiz. Italiens Regierungschef Romano Prodi, sonst ein Mann der leisen Töne, demonstriert mit einem Eildekret, dass er entschlossen handeln kann und nicht der Zauderer ist, den die Opposition in ihm sieht.
Der ganze Zirkus ist eine besonders hässliche Variante italienischen Vorwahlkampfs. Er hat aber auch eine Dimension, die bald europäische Juristen beschäftigen könnte. Ein Sprecher des für Justizfragen zuständigen italienischen EU-Kommissars Frattini hat klipp und klar erklärt: Ein Dekret, das pauschal die Ausweisung von EU-Staatsbürgern mit gültigen Aufenthaltspapieren aus einem Land der Union ermöglicht, verstößt gegen die europäischen Verträge. Denn die Bewegungsfreiheit von Waren, Kapital und Menschen gehört zum Kernbestand des europäischen Binnenmarkts.
Jeder einzelne Fall muss also juristisch geprüft, jede einzelne Abschiebung gesondert begründet werden. Der Generalverdacht, dass rumänische Slumbewohner eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, reicht nicht aus.
Im Fall des Mörders der 47-jährigen Römerin wäre eine solche Begründung sicher leicht zu liefern. Doch der soll gar nicht abgeschoben, sondern in Italien abgeurteilt werden. Das Dekret hat die kleinen Ganoven im Blick und solche Ausländer, die von den Behörden als kriminalitätsgefährdet eingestuft werden.
Prodi sollte sein Dekret zurückziehen, bevor er damit vor dem Europäischen Gerichtshof Schiffbruch erleidet. Es könnte sich auch leicht ein Kläger finden, der prüfen lässt, ob Italiens Regierung das europäische Antidiskriminierungsgebot verletzt oder zum Rassismus aufstachelt. Die selbst ernannten Pauschalankläger könnten sich bald selbst auf der Anklagebank wiederfinden.
Kommentar Notstand in Rom: Rage gegen Roma
Nach einem Einzelverbrechen stellt Italiens Polizei Sinti und Roma unter Generalverdacht und räumt deren Siedlungen. Eine besonders hässliche Art des Vorwahlkampfes.
Italiens Politiker rufen den Notstand aus. Nach dem brutalen Mord an einer 47-jährigen Römerin sehen sich Sinti und Roma aus Rumänien und anderen osteuropäischen Ländern unter einen Generalverdacht gestellt. Die Polizei zeigt vor laufenden Kameras, wie schnell sie Elendssiedlungen am Stadtrand räumen kann. Jugendliche Schläger tun es den Ordnungshütern nach und spielen Selbstjustiz. Italiens Regierungschef Romano Prodi, sonst ein Mann der leisen Töne, demonstriert mit einem Eildekret, dass er entschlossen handeln kann und nicht der Zauderer ist, den die Opposition in ihm sieht.
Der ganze Zirkus ist eine besonders hässliche Variante italienischen Vorwahlkampfs. Er hat aber auch eine Dimension, die bald europäische Juristen beschäftigen könnte. Ein Sprecher des für Justizfragen zuständigen italienischen EU-Kommissars Frattini hat klipp und klar erklärt: Ein Dekret, das pauschal die Ausweisung von EU-Staatsbürgern mit gültigen Aufenthaltspapieren aus einem Land der Union ermöglicht, verstößt gegen die europäischen Verträge. Denn die Bewegungsfreiheit von Waren, Kapital und Menschen gehört zum Kernbestand des europäischen Binnenmarkts.
Jeder einzelne Fall muss also juristisch geprüft, jede einzelne Abschiebung gesondert begründet werden. Der Generalverdacht, dass rumänische Slumbewohner eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen, reicht nicht aus.
Im Fall des Mörders der 47-jährigen Römerin wäre eine solche Begründung sicher leicht zu liefern. Doch der soll gar nicht abgeschoben, sondern in Italien abgeurteilt werden. Das Dekret hat die kleinen Ganoven im Blick und solche Ausländer, die von den Behörden als kriminalitätsgefährdet eingestuft werden.
Prodi sollte sein Dekret zurückziehen, bevor er damit vor dem Europäischen Gerichtshof Schiffbruch erleidet. Es könnte sich auch leicht ein Kläger finden, der prüfen lässt, ob Italiens Regierung das europäische Antidiskriminierungsgebot verletzt oder zum Rassismus aufstachelt. Die selbst ernannten Pauschalankläger könnten sich bald selbst auf der Anklagebank wiederfinden.
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Kommentar von
Daniela Weingärtner