Kommentar Nigeria: Märtyrer geschaffen
In Nigeria scheinen die Generäle trotz einer Demokratie straffrei handeln zu dürfen. Die Mächtigen des Landes scheinen nicht gelernt zu haben, mit der Bevölkerung respektvoll umzugehen.
N igerias Armee ist nicht zimperlich. Als das Land vor zehn Jahren von der Militärdiktatur zur Demokratie fand, bestand eine der ersten Amtshandlungen des gewählten Präsidenten Olusegun Obasanjo darin, einen Ort mit 25.000 Einwohnern in den Ölgebieten des Niger-Flussdeltas dem Erdboden gleichmachen zu lassen.
Dominic Johnson ist Auslandsredakteur mit Schwerpunkt Afrika der taz.
Das Massaker von Odi mit über 1.000 Toten ist seitdem einer der wichtigsten Mobilisierungsgründe der Ölrebellen in Nigeria. Die Regierung hat, wie sie dieser Tage bekanntgab, durch ihre Angriffe allein seit 2006 47 Milliarden Dollar an Öleinnahmen verloren.
Der Militärschlag gegen militante Islamisten am anderen Ende Nigerias, in der nordostnigerianischen Stadt Maiduguri, könnte das Land auf Dauer ähnlich teuer zu stehen kommen. Der Beifall der Öffentlichkeit war den Soldaten und Polizisten zuerst sicher. Aber nun hat die Armee ein Blutbad mit mehreren hundert Toten angerichtet, und der flüchtige Islamistenführer Mohammed Yusuf wurde erst festgenommen und dann hingerichtet, was die Polizei dann auch noch in stümperhafter Weise zu dementieren versuchte.
So hat Nigerias Staat den radikalen Islamisten im Land völlig überflüssigerweise einen Märtyrer geliefert, der ihnen zukünftig die Rekrutierung erleichtert und das Land möglicherweise zur Zielscheibe von Terroranschlägen macht.
Erneut stellt sich die Frage, ob Nigerias zivile Präsidenten seit der Demokratisierung 1999 ihr Militär eigentlich unter Kontrolle haben. Oder gilt, dass die Generäle zwar nicht mehr das Land regieren, aber dafür straffrei sind? Vergeblich weisen Nigerias Bürgerrechtler, die unter der brutalen Militärdiktatur vor 1999 schwer gelitten hatten, immer wieder darauf hin, dass Nigerias Demokratisierung unvollendet geblieben ist. Und dass die Mächtigen des Landes noch immer nicht gelernt haben, mit ihren 140 Millionen Bürgern respektvoll umzugehen.
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