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Kommentar Niedrige ZinsenAnleger handeln richtig

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Sie geben sich mit Mickerzinsen zufrieden, denn sie wissen längst: Die schwächelnde Realwirtschaft kann nicht weiter geschröpft werden.

F inanzminister Schäuble wird das Geld hinterher geworfen: Die Bundesrepublik musste am Mittwoch für eine 30-jährige Anleihe nur noch 2,17 Prozent Zinsen zahlen. Das gab es noch nie. Was bewegt die Anleger, sich mit diesen Mickerzinsen zufrieden zu geben? Denn die Investoren gehen ein hohes Risiko ein: Falls die Zinsen in den nächsten 30 Jahren steigen, würden sie Kursverluste bei ihren Papieren erleiden.

Doch offenbar rechnen die professionellen Investoren nicht damit, dass die Zinsen in den nächsten Jahrzehnten wieder steigen. Diese Annahme mag gewagt erscheinen, dennoch dürften die Anleger richtig liegen.

Dahinter steckt eine schlichte volkswirtschaftliche Überlegung: Zinsen werden ja nicht aus dem blauen Himmel bezahlt, sondern müssen real erwirtschaftet werden. Sie werden vom Bruttoinlandsprodukt abgezweigt. Wenn aber die Wirtschaft kaum wächst, dann können auch die Zinsen nicht steigen.

ULRIKE HERRMANN

ist Wirtschaftskorrespondentin der taz.

Noch schlimmer für die Anleger: In den letzten dreißig Jahren hat sich eine Kreditblase aufgepumpt. Die Verschuldung in allen Industrieländern stieg enorm, weil Darlehen aufgenommen wurden, um damit Vermögenswerte wie Aktien oder Immobilien anzuschaffen. Das Problem daran: Ein Aktienboom führt noch nicht dazu, dass in der Realwirtschaft tatsächlich mehr produziert wird. Stattdessen kommt es nur zu einer Inflation der Vermögenspreise.

Inzwischen ist die Kreditblase zum Zerreißen gespannt. Einer enormen Verschuldung steht eine schwächelnde Realwirtschaft gegenüber. Das muss auf die Zinsen drücken, wie die Anleger nun erleben.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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6 Kommentare

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  • JK
    Juergen K.

    Mickerzinsen !

     

    Ja, das mag sein, an der Staatsfinanzierungsfront.

     

    Ein anderes Bild ergibt sich aus den Daten des Bruttoinlandsproduktes von 2 500 Mrd.

     

    Hier entfallen laut destatis ca. 1 400 Mrd auf Gehälter und Löhne

     

    und 1 100 Mrd auf Gewinne.

     

    Was einer Rendite von knapp 40 % entspricht.

     

    HIER ist es relevant, das die erwirtschaftet werden.

    UND vor allen Dingen OHNE Abzug von Sozialabgaben.

     

    Denn Gewinne sind Sozialabgabenfrei.

     

    Daher werden ja keine Brillen, Zähne etc. mehr gezahlt.

  • H
    Helga

    Mal wieder einer der üblichen, hanebüchenen und völlig faktenfreien Artikel von der schlechtesten "Wirtschaftsredakteuse" Deutschlands. Man mag ja eine linke Blickweise auf die Fakten haben - aber die hier dargelegten wirtschaftlichen Zusammenhänge sind schlichtweg falsch, egal, ob man grün, gelb, rot oder schwarz wählt.

    Und warum man dann auch die ach so armen Anleger bemitleiden muss, erschließt sich mir nicht so ganz.

  • N
    naseweiser

    Nein nein ! Das darf sie nicht mal denken , geschweige schreiben , die gute Frau Herrmann . Dass nämlich der Kapitalismus umgehend am Aaasch ist , ohne Wachstum .

    Deshalb denkt und schreibt sie nur von heut auf morgen , allerhöchstens auf übermorgen . Bis wieder - oh welche Überraschung ! - eine neue Schreckensmeldung über die Ticker reinkommt .

    Aber was soll die Guteste auch machen ? Ihren Job aufgeben ? Wer kann sich das schon leisten ...

  • W
    Wolf

    Habe soeben einen interessanten Artikel gefunden und für mich stellt sich die Frage, warum berichtet die Presse darüber nicht in der Klarheit?

     

     

    "Schuldenkrise: Währungsreform in Deutschland bis 2013 wahrscheinlich

     

    Den drohenden Zusammenbruch der Eurozone auf Grund der Staatsschuldenkrise haben wir bereits im Jahr 2009 vorhergesagt - damals war das Thema bei so gut wie allen Politikern und Medien ein Tabu. Heute preschen wir erneut vor und wagen uns an eine Aussage heran, die mittlerweile fast Mainstream ist: Ohne Währungsreform ist die Bundesrepublik praktisch pleite. Spätestens 2013 dürfte es unserer Analyse zufolge dann soweit sein - womöglich leitet Kanzlerin Angela Merkel das Vorhaben noch vor der Bundestagswahl 2013 ein, um sich als Krisenmanagerin zu verkaufen.

     

    Die Chancen hierzu jedenfalls stehen gut. Schon heute betragen Deutschlands Staatsschulden rund 2,2 Billionen Euro, mehr als 83 Prozent des BIP. Hinzu kommen bis Dezember 2012 nach Berechnungen des ifo-Instituts Target2-Risiken in Höhe von einer Billion Euro, die - sollten sie tatsächlich zu Buche schlagen - die Deutsche Bundesbank mit einem Schlag zahlungsunfähig machen würden.

     

    Doch auch von ganz anderer Stelle droht ohne Währungsreform Ungemach: Auf den deutschen Steuerzahler kommen in den nächsten Jahren Belastungen durch Beamtenpensionen in Höhe von mehr als eine Billion Euro zu - damit wäre der Staatshaushalt endgültig gesprengt.

     

    Unsere eigenen Web-basierten Contentanalysen jedenfalls lassen uns annehmen, dass spätestens im Herbs 2013 Deutschland wieder eine Neue Deutsche Mark hat - bei Umrechnungskursen von 4:1.

     

    Anders ausgedrückt: Für einen Euro gäbe es dann nur noch 25 Neue Pfennig. Und die heute nicht mehr rückzahlbaren, deutschen Staatsschulden wären endlich Geschichte. Der Euro allerdings auch."

     

    Quelle: lifegen.de (2012-07-21)

  • W
    Werner

    Die Wertaufbewahrung von Konsum- oder Investionsansprüchen ( = Geld ) ist eine Dienstleistung die der Gläubiger dem Schuldner zu bezahlen hat. Nur ein Knappheitspreis für Kapital bei hoher Nachfrage kann die Aufbewahrungsgebühr übersteigen und zu für den Gläubiger positiver Realverzinsung fürhren.

     

    Lagere am Rentenbeginn für 7000 Tage 7000Brote a 0,5kg ein, mit dem Lagerkeller zusammen kostet das 10000€.

     

    Die 1000€ einem Bäckermeister geben für den neuen Backofen der dafür dir 20 Jahre täglich ( 7000 Tage ) ein frisches Brot liefert ist der bessere "deal"!

  • O
    oranier

    Die Anleger können einem wirklich leid tun. Können Sie kein Spendenkonto einrichten?

    Jedenfalls werde ich eine Kerze für sie anzünden.