Kommentar Netzsperren: Dann eben ohne Deutschland
Zumindest deutsche Aktivisten und Politiker müssen eine Öffnungsklausel in der geplanten EU-Richtlinie durchsetzen. Dann könnte wenigstens Deutschland auf Netzsperren verzichten.
E uropapolitik ist Innenpolitik. Selten wird das so deutlich wie bei der Diskussion über Internetsperren für Kinderpornoseiten. In Deutschland 2009 beschlossen, wurden sie inzwischen wieder ausgesetzt. Jetzt schlägt die EU-Kommission die europaweite Einführung von Internetsperren vor. Setzt sie sich damit durch, war die deutsche Debatte umsonst.
Die Kritiker von Internetsperren haben fast den ganzen Bundestag davon überzeugt, dass es wenig bringt, ausländischen Kinderpornoseiten nur den Zugang zu sperren. Jetzt wird versucht, die Seiten in internationaler Zusammenarbeit gleich an der Quelle zu löschen. Gegen Sperren spricht auch, dass damit eine Zensurinfrastruktur aufgebaut würde, die später gegen unliebsame Inhalte aller Art benutzt werden kann. Das bisher weitgehend freie Internet würde zu einem regierungskontrollierten Internet à la China.
Im Rest Europas sind Netzsperren für Kinderpornoseiten allerdings durchaus populär, Staaten wie Schweden und Großbritannien wenden sie bereits an. Es besteht deshalb die Gefahr, dass Deutschland im Ministerrat überstimmt wird. Zugleich kann die europäische Herausforderung aber auch als Chance gesehen werden, die deutsche Diskussion zu exportieren. Wenn es gelingt, das Europäische Parlament zu einem Veto zu bringen, wäre das ein neuer gewaltiger Erfolg für die Internetcommunity.
Christan Rath ist rechtspolitischer Korrespondent der taz. Er lebt und arbeitet in Freiburg/Breisgau.
Zumindest müssen deutsche Aktivisten und Politiker eine Öffnungsklausel in der geplanten EU-Richtlinie durchsetzen. Dann könnte wenigstens Deutschland auf Netzsperren verzichten und weiter aufs Löschen setzen. Wenn die Bundesregierung hieran scheitert, dann hat sie es nicht richtig gewollt - und versteckt sich hinter ihren EU-Partnern.
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