Kommentar Netzsperren Köhler: Kein kleiner König
Horst Köhler hat das Netzsperren-Gesetz unterzeichnet. Das ist richtig. Es ist nicht die Aufgabe des Präsidenten, den Meinungswechsel der Politik zu exekutieren. Dafür gibt es den Bundestag.
N un hat Horst Köhler am Ende doch unterschrieben. Die Netzsperren, die im vergangenen Sommer die Gemüter so sehr erhitzten, sind damit Gesetz – und das ist richtig so. Denn es ist nicht Köhlers Aufgabe, der Politik die Drecksarbeit abzunehmen.
Damals, im Frühjahr 2009, startete Ursula Von der Leyen eine Initiative zur Bekämpfung von Kinderpornografie. Darstellungen von Kindesmissbrauch im Netz sollten nach dem Willen von der Leyens weggeblockt werden, der Nutzer umgeleitet, anstelle dessen sollte ihm ein Stopp-Schild gezeigt werden.
Um es klar zu sagen: Dieses Gesetz ist technisch unsinnig und rechtsstaatlich bedenklich. Die Sperren lassen sich umgehen, zudem wird Kinderpornografie im Zweifel Peer2Peer oder über den Postweg getauscht. Und es ist äußerst ungewiss, ob das Gesetz eine Verfassungsbeschwerde überstehen wird.
Julia Seeliger ist Redakteurin bei taz.de.
Auch gibt es Alternativen: In fast allen Fällen ist es möglich, kinderpornografische Inhalte direkt auf den jeweiligen Servern zu löschen, anstatt diese nur zu sperren. Denn Kindesmissbrauch ist ein Verbrechen, das in fast allen Ländern der Welt geächtet ist.
Aber all dies zu prüfen, ist nicht Köhlers Aufgabe. Es würde den Bundespräsidenten auch zu einem kleinen König machen, wenn er für jedes im Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz, und sei es noch so unsinnig, ein Veto-Recht hätte.
Der Bundespräsident hat nur ein formelles Prüfungsrecht. Seine Aufgabe ist es festzustellen, ob im Rahmen des Verfahrens, in dem das Gesetz zustande kam, alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Am Verfahren gibt es nichts zu deuteln, das Netzsperrengesetz ist auf korrektem Weg zustande gekommen.
Dass Köhler sich so lange Zeit genommen hat, bevor er das Gesetz unterschrieb, lässt jedoch aufhorchen. Eigentlich soll der Bundespräsident das Gesetz "unverzüglich" unterschreiben. Köhler hat sich jedoch, über die Bundestagswahl hinaus, Monate Zeit genommen. Wahrscheinlich wollte er der schwarz-gelben Bundesregierung Zeit geben, das Gesetz von sich aus zu überarbeiten. Die konnte sich dazu aber bis heute nicht durchringen.
Jetzt ist der Ball also wieder bei der schwarz-gelben Koalition. Sie hat nun Gelegenheit, Größe zu beweisen und das Netzsperrengesetz im Deutschen Bundestag schnell aufzuheben. Schwarz-Gelb hat das Problem aufgeschoben: Im Koalitionsvertrag ist verankert, das Gesetz nach einem Jahr neu zu bewerten. Die Regierung wäre gut beraten, es ganz zu entsorgen, bevor es vom Bundesverfassungsgericht gestoppt wird.
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