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Kommentar NetzneutralitätDie Türsteher des World Wide Web

Ilka Kreutzträger
Kommentar von Ilka Kreutzträger

Telekommunikationskonzerne wollen eine Maut für Daten einführen. Für die Netzwelt bedeutet das ein Zweiklasseninternet. Damit verliert das Netz seinen Sinn.

Die Pläne für eine Maut der Datenautobahnen verändern grundlegend die Regeln. Bild: ap

E s war nur eine Frage der Zeit, bis die Idee von der Gleichbehandlung im Netz aufgebrochen wird. Nun ist es geschehen. Telekommunikationskonzerne aus Europa und den USA wollen eine Maut für Daten einführen. Blogs betreiben, Fotos verschicken, Netzwerke gründen - all das soll künftig extra kosten. Wer keine zusätzlichen Gebühren zahlen will oder kann, muss sich mit einem langsamen Netz begnügen oder im schlimmsten Fall gleich ganz draußen bleiben. Ein radikaler Gedanke, beruhen doch die Philosophie und der Erfolg des dezentralen Internets darauf, dass jeder Nutzer gleichberechtigt und ohne Aufpreis Daten senden und empfangen kann.

Die Nutzung des Internets ist heute natürlich nicht kostenlos. Je schneller die Verbindung sein soll, desto teurer wird es. Daran ist prinzipiell auch nichts auszusetzen. Wer sich ein Konzert ansehen will, zahlt auch Eintritt - und je größer die Band, desto teurer das Ticket. Aber die Entscheidung, wie viel man für ein Ticket ausgeben will, trifft jeder selbst. Genauso wie jeder die Entscheidung über eine schnelle oder weniger schnelle Internetverbindung selbst trifft.

Mit der Datenmaut verändern AT&T, Telekom & Co nun grundlegend die Regeln. Sie setzen den Internetnutzern einen Türsteher vor die Nase, dem eine Eintrittskarte allein nicht mehr ausreicht. An ihm kommt nur vorbei, wer sich mit teuren Lackschuhen seine Gunst erkauft. Zweiklasseninternet, sei gegrüßt! Denn für das Netz heißt das nichts anderes, als dass der solvente Internetnutzer künftig mehr Inhalte ins Netz bringen kann als der weniger solvente.

Damit verliert das Netz sein Herz und seinen Sinn. Wir wollen keinen Türsteher 2.0. Wir wollen weiter in den Club gehen dürfen - auch in ollen Turnschuhen.

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Ilka Kreutzträger
Redaktionsleiterin Nord
Jahrgang 1977, die Soziologin arbeitete lange für die taz nord als Autorin und CvD sowie für den NDR in Hamburg als Nachrichtenredakteurin Online und Radio, ging dann kurz zum stern und war stellvertretende Ressortleiterin Lokales bei der Hamburger Morgenpost. Sie gibt an der Uni Bremen seit 2013 Schreib-Workshops. Seit 2023 ist sie Redaktionsleiterin der taz nord.
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6 Kommentare

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  • O
    Oliver

    Netzneutralität ist ein Thema, das schon länger in der Diskussion ist. Was genau wurde kürzlich von "AT&T, Telekom und Co" beschlossen? Gibt es dazu Quellen?

  • B
    bla

    Da die Telekommunikationsanbieter bisher nur die Möglichkeit haben, einen Zugang anzubieten, ist es im Sinne des eigenen Geschäftsmodells nur die Erschließung neuer Geldquellen.

     

    So ähnlich ist die Diskussion zur PKW-Maut. Nur ist es etwas kurzfristig gedacht, die kreativen / innovativen / sozial über das Internet eingebundenen und bei allen damit inhalteschaffenden Anwender über diesen Weg mehr oder weniger zu fragen, was diesen der Zugang wert ist oder ob sie nicht evtl. mit weniger zufrieden sein können.

     

    Mehr Bandbreite im Sinne von schnelleren Zugänge bekommt man damit nicht verkauft.

     

    Vielleicht sollte man dann die Verkehre betrachten, die am meisten von der Kostenlosigkeit profitieren und Bandbreiten maximal ausreizen z.B. VPN´s zur Firmenvernetzung / kommerzielle Telefon- und Videokonferenzen / Spieleanbieter mit Zwangsaktivierungen und Zwangsonlineverbindungen / Zwangsbereitstellung von Subsubsubreleaseversionen großer Softwarehersteller.

     

    Gruß

    Bla

  • S
    Sunny

    Frau Kreutzträger - ich nehme mal an, dass Ilka ein weiblicher Name ist - hat da evtl. etwas nicht 100%ig verstanden. Netztneutralität heißt für die Infrastrukturisten vor allem, dass sie von den Anbietern nicht extra Geld verlangen können. Wie die Verlage müssen die Provider mitansehen, wie Google 'nen Haufen Kohle verdient und wollen sich da dran hängen. Heißt im Klartext, die wollen von Google extra Geld fürs Durchleiten der Daten, die von Google kommen. Endkunden müssen für schnellere Verbindungen schon immer mehr zahlen, das hat nichts mit Netzneutralität zu tun. Netzneutralität kommt wieder ins Spiel, wenn Endkunden an P2P teilnehmen und selber zu Sendern in größerem Umfang werden. Wenn sie für ihre P2P-Datenpakete nicht extra bezahlen, was in der Regel der Fall ist, könnten die Provider diese Pakete wieder drosseln. Inzwischen geht die datenanteilige Entwicklung in die Richtung, dass nicht mehr P2P "die" nennenswerte Netzbandbreite frisst sondern Media-Dienste, insbesondere natürlich Videos.

     

    Freut mich geholfen zu haben.

     

    ***

     

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  • A
    anke

    Wenn ich nicht wie Du werden kann, musst du werden wie ich bin. Das System (will sagen: das Volk der Inhaber von Schaltstellen-Posten) verleibt sich ein, wovon es sich bedroht fühlt. Und was sich nicht einverleiben lassen mag, wird für verzichtbar erklärt. Nachdem sich das Internet zur echten Konkurrenz ausgewachsen hat für die etablierten Kommunikations-Profis, denen ums Verrecken nicht einfallen will, wie sie zu alter Macht, altem Glanz und alter Größe zurückfinden könnten, muss das Internet werden, wie die etablierten noch immer sind - und bleiben wollen: lieb, also teuer. Blogger, die von ihren einstigen Hobby unbedingt leben möchten, geben die (in Wohlwollen entlohnte) Söldner-Vorhut. Leidenschaft ist, wenn einer vor lauter Begeisterung nicht merkt, dass er an exakt dem Ast sägt, auf dem er sitzt.

  • F
    first.internet.generation

    Wir werden es unseren Enkeln erzählen:

    Ja, damals in den Nullerjahren, das web 2.0, jeder konnte schreiben, hochladen runterladen mailen wie er wollte, alles umsonst! ok, es war nicht 3D es gab keine Holobeamer und augmented reality ging grad erst los, aber die Freiheit Leute, die Freiheit...

  • T
    the_internetz

    *mampf* *MAMPF!* der Kapitalismus frisst sich durch die Freiheit...

    Hier läuft doch etwas grundlegend schief! Nicht genug damit, dass ein Großteil, zumindest des "konventionellen" Internets, schon durch einige wenige Großkonzerne (siehe New Economy) beherrscht wird, jetzt gehts dem Internet "an die Hardware". Die erste Möglichkeit für die Menschheit frei zu kommunizieren, sich zu vernetzen, mitzuteilen, kollektiv zu kreieren und zu organisieren wäre auf einen Schlag nicht mehr da.

    >Bloggen muss sich wieder lohnen!< ?!?!