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Kommentar NetzneutralitätFriedrichs Kurzschluss

Sebastian Erb
Kommentar von Sebastian Erb

Der Bundesinnenminister will striktere Regeln im Internet. Sein Vorstoß zeigt aber, dass der CSU-Politiker nicht verstanden hat, worum es im Netz eigentlich geht.

N atürlich hat sich durch das Internet einiges geändert: Meinungen, die zuvor vielleicht nur am Stammtisch, an Hauswänden oder als S-Bahn-Graffiti kundgetan wurden, werden jetzt im Netz verbreitet. Und dort trägt es zweifellos zur Diskussionskultur bei, wenn man für seine Aussagen mit seinem eigenen Namen geradestehen muss, statt sich hinter einem Pseudonym zu verbergen.

Dennoch geht Innenminister Friedrichs Forderung, der Anonymität im Netz Grenzen zu setzen, an der Realität vorbei und zeigt, dass er das Internet nicht versteht. Nicht nur, weil sie kaum umsetzbar ist - schließlich macht das Internet ja nicht an Deutschlands Grenzen Halt. Schwerer wiegen andere Gründe. So schrieb der Blogger Fjordman, den der Attentäter von Oslo seitenweise zitierte, zwar in der Tat anonym. Für die meisten anderen, auf die er sich berief, gilt das aber nicht. Schon deshalb kann Anonymität allein nicht das Problem sein.

Zudem wirft der Vorstoß des CSU-Politikers viele Fragen auf: Sollen Arbeitgeber künftig wirklich jede noch so private Meinungsäußerung ihrer Mitarbeiter überprüfen können? Sollen Nutzer in Selbsthilfeforen nicht mehr offen über Probleme sprechen können, weil sie fürchten müssen, ihr Nachbar liest mit? Und, nicht zuletzt: Soll die Klarnamen-Pflicht auch für Syrer gelten, die im Netz schreiben, wie das Regime in ihrem Land ihren Protest unterdrückt?

SEBASTIAN ERB

ist Redakteur im Inland der taz.

Das Internet hat viele neue Freiheiten, aber auch einige Gefahren mit sich gebracht. Umgekehrt gilt: Jeder Versuch, diese Freiheiten zu begrenzen, birgt die Möglichkeit, dass das Netz stärker überwacht wird. Die reflexartigen Versuche, nach den Anschlägen von Oslo die Vorratsdatenspeicherung wieder auf die Tagesordnung zu setzen, zeigen, dass gerade in der CSU ein starker Drang zu übertriebener Kontrolle besteht.

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Sebastian Erb
Reporter
Von 2011 bis April 2023 bei der taz. Zuletzt Reporter im Ressort Reportage & Recherche mit Schwerpunkt auf investigativen Recherchen. Er hat Sozialwissenschaften studiert und die Deutsche Journalistenschule in München absolviert. Themen u.a. Rechtsextremismus in Bundeswehr und Polizei (#Hannibal), Geheimdienste und Missstände in NGOs. Er gibt Seminare zur (Online-)Recherche. Sicher zu erreichen per Threema: 7D8P2XSV

2 Kommentare

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  • R
    Robert

    Es ist schon ein eigenartiges Ding mit diesem Internet. Die große, große und irgendwie doch sehr verdächtige Freiheit dieses Netzes scheint allermindestens eine massive Angst mitgebracht oder doch sehr verstärkt zu haben:Mit dem eigenen Namen für seine Sache, seine Meinungen und Ansichten offen, also demokratisch als Bürger einzustehen. Und das Irre ist, daß diese Angst für sehr viele Menschen sehr reale, also ernstzunehmende Hintergründe hat.

    Und wo ist da nun bitteschön die so verdächtig oft gepriesene Freiheit des Netzes, wenn ich mich darin (fast) nur noch als eine Art Geheimdienstler bewegen kann? Und jederzeit, zumal als Laie, mit üblen Attacken rechnen muß?

     

    Mit dem Internet, so scheint mir (und wir sind ja wohl immer noch irgendwie am Anfang dieser merkwürdigen Veranstaltung), ist keine Freiheit zu haben. Zumindest nicht jene, die wir bisher als Freiheit bezeichnet haben. Und die in den "guten alten Zeiten" immer wieder erkämpft werden mußte. Vielleicht wäre es an der Zeit, über den Freiheitsbegriff in den Zeiten des Internets und der technisch längst möglichen und z.T. schon realisierten Totalüberwachung zu reden?

     

    Ich gedenke manchmal der Spitzelhandwerker der Stasi. Die müssen doch täglich Tränen vergießen angesichts der aktuellen Situation.

  • GM
    Gosig Mus

    Warum steht das unter "Kommentar Netzneutralität"? Mit Netzneutralität hat das garnix zu tun.