Kommentar Netto-Schließungen: Viel zu viele Zufälle
Dass gerade die Filialen dicht gemacht wurden, deren Angestellte zu den bundesweit ersten Vertrauensleuten gewählt wurde, ist wohl ein Zufall zu viel.
D ie Behauptung, Edeka mache vier Göttinger Netto-Filialen dicht, weil die dortigen KollegInnen über die Norm gewerkschaftlich aktiv waren, klingt zunächst einmal ein wenig verschwörungstheoretisch; die offizielle Begründung – mangelnde Rentabilität – dagegen für ein gewinnorientiertes Unternehmen logisch und ausreichend.
Doch wer den Berichten der KollegInnen über ihre planmäßige Einschüchterung und den Druck, den das Netto-Management auf sie ausgeübt hat, lauscht, wird den Eindruck nicht los, dass sich hier ein Discounter tatsächlich unliebsamer MitarbeiterInnen entledigen und ein öffentliches Exempel statuieren möchte. Dass punktgenau die Filialen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion dicht gemacht wurden, deren Angestellte sich zu den bundesweit ersten Vertrauensleuten haben wählen lassen, ist wohl ein Zufall zu viel.
Denn schließlich steckt auch hinter solch einer Maßnahme unternehmerisches Kalkül: Zu verhindern, dass das Göttinger Beispiel in den bundesweit rund 4.000 Filialen Schule macht, zahlt sich aus. Denn eine solche Politik rentiert sich zumindest dann, wenn niedrige Entlohnung verbunden mit der Aushebelung tariflicher Leistungen, nicht aber ein gutes Arbeitsklima als zentraler Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg gewertet wird. Billig-Discounter und teure Arbeitnehmerrechte passen einfach nicht zusammen. Das wissen wir spätestens seit Lidl.
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