Kommentar Neonazis in Bautzen: National befreite Zone
Nach den Ausschreitungen von Bautzen wird durchgegriffen – gegen jugendliche Asylbewerber. Rechte Gewalt lohnt sich also.
L ichtenhagen muss immer herhalten. Immer wenn wieder einmal ein rechter Mob auf Asylsuchende losgegangen ist, wird an damals erinnert: Daran, was 1992 alles schiefgelaufen ist – bei der Polizei, die zu spät und irgendwann gar nicht mehr eingriff, bei den Behörden, die schlicht das vermeintliche Problem (die Flüchtlinge) beseitigten und andere schutzlos sich selbst überließen, bei den scharfmachenden Medien. Lichtenhagen ist das Mahnmal. Nie wieder und so.
Doch leider ist es in Deutschland immer wieder so: Nachdem in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag im sächsischen Bautzen 80 „in großer Zahl dem politisch rechten Spektrum“ (O-Ton Polizei) zuzuordnende Männer und Frauen auf „eine Gruppe von etwa 20 jungen Asylbewerbern“ (nochmal die Polizei) trafen und Steine und Flaschen flogen, wurden Konsequenzen gezogen: Vier vermeintliche Rädelsführer wurden in andere Asylunterkünfte gebracht, die jugendlichen Asylbewerber in Bautzen bekommen nach 19 Uhr eine Ausgangssperre und ein Alkoholverbot verordnet.
Es ist kaum zu sagen, wer angefangen hat, die Polizei sagt, dass es die jugendlichen Asylbewerber waren, diverse Zeugen sagen etwas anderes. Es ist aber auch müßig, diese Frage zu beantworten. Denn die öffentlich vernehmbaren Konsequenzen treffen nur die einen: die Asylbewerber. Was hängen bleibt, sind Schlagzeilen wie die der Welt: „Jetzt greift Bautzen gegen junge Flüchtlinge durch.“ Das Problem ist klar adressiert – und der eine oder die andere wird sich ein „endlich“ dahinter denken.
Bautzen, dort, wo im Februar eine geplante Flüchtlingsunterkunft brannte und die anschließenden Löscharbeiten behindert wurden, wo im März Bundespräsident Joachim Gauck als „Volksverräter“ bepöbelt wurde, meint das Problem gebannt zu haben: Wenn nur die Asylsuchenden aus dem abendlichen Stadtbild verschwinden, herrscht bald wieder Ruhe und Ordnung.
Aber: Um 80 gewaltbereite Rechte auf die Straße zu bekommen, muss man sich schon ein bisschen organisieren. Es war die geplante Eskalation – mit anschließender Belohnung: Die Ausländer sind weg.
Gewalt lohnt sich. Das ist das Signal, das die Behörden gerade aussenden. Wieder einmal.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen