Kommentar Neonazi-Terror: Halbherzige Suche
Die Behörden hielten es nicht für möglich, dass drei mittelmäßig intelligente Neonazis eine Terrorzelle im Untergrund bilden. Man hätte es besser wissen müssen.
D ie Zwickauer Zelle kam nicht aus dem Nirvana. In den 90ern ist in Neonazizirkeln immer wieder über Terrorismus schwadroniert worden. In den USA und Großbritannien wurden "Werwolf-Konzepte" und die Idee der leaderless resistance propagiert, sprich: Anschläge und Attentate von kleinen, unabhängigen Zellen.
Über das internationale "Blood & Honour"-Netzwerk, dessen bewaffneter Arm sich "Combat 18" nennt, schwappten solche Handlungsanweisungen für den Rassenkrieg auch nach Deutschland. Wo würde man also nach Neonazis suchen, die untertauchen, als 1998 bei ihnen in der Garage Sprengstoff gefunden wird? Genau in solchen militanten Netzen.
Das haben die Sicherheitsbehörden auch getan, wie aus einem geheimen Verfassungsschutzbericht hervorgeht über die Suche nach dem Trio hervorgeht, der der taz vorliegt. Doch sie taten es nicht konsequent genug, waren unfähig, tauschten sich schlecht aus, hatten großes Pech - oder alles zusammen.
Ende 2001/Anfang 2002 hat man die Suche nach dem Neonazitrio weitgehend eingestellt, obwohl es Hinweise gab, dass das Trio mit Waffen versorgt worden sein könnte. Woran das lag, wird unter anderem der Untersuchungsausschuss aufzuklären haben, der sich am Freitag konstituiert hat.
Ein Grund könnte sein, dass nach dem 11. September 2001 die Prioritäten radikal gewechselt wurden und den Behörden der Rechtsextremismus im Vergleich zum islamistischen Terrorismus als vernachlässigbar erschien. Ein anderer könnte sein, dass man es einfach nicht für denkbar hielt, dass drei mittelmäßig intelligente Neonazis aus Jena eine Untergrundterrorzelle bilden - der Terrordebatte in Neonazizirkeln zum Trotz.
"Man hätte es durchaus besser wissen können", sagte Verfassungsschutzchef Heinz Fromm vor Kurzem selbstkritisch. Vielleicht hätte man es auch besser wissen müssen.
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