Kommentar Nato in Afghanistan: Falschverstandene Bündnistreue
Die kampfbasierte Mission der Nato in Afghanistan ist gescheitert - das bedroht die Nato stärker als das fehlende Engagement einiger Bündnispartner, dass Gates bemängelt.
Andreas Zumach (52) ist Uno-Korrespondent der taz mit Sitz in Genf.
US-Verteidigungsminister Gates sieht die Existenz der Nato bedroht - wegen ihrer angeblichen Teilung in Mitglieder, die willens sind, in Afghanistan "zu kämpfen und zu sterben, und andere, die dazu nicht bereit sind". Dies ist allerdings ebenso falsch wie Gates demagogischer Vorwurf, die Europäer unterschätzten die von den Taliban und al-Qaida ausgehende Gefahr des islamistischen Terrorismus und ließen es an Einsatz und Opfer zur Abwehr dieser Gefahr mangeln.
Tatsächlich ist die Nato bedroht, weil ihre bislang im Wesentlichen auf Kriegsführung basierende Mission am Hindukusch gescheitert ist. Sie wirkt sogar kontraproduktiv, weil sie islamistischen Fundamentalismus und Terrorismus stärkt statt schwächt. Darum werden nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Nato-Staaten die Forderungen nach einem Truppenabzug aus Afghanistan immer lauter. Der jetzt geplante nächste Schritt in der von Bundesregierung und Bundestag seit 2004 praktizierten Salamistrategie einer schrittweisen Aufstockung und geografischen Ausweitung des Bundeswehreinsatzes wird die Ablehnung in der Bevölkerung weiter verstärken. Zumal zumindest die USA sich mit diesem Schritt nicht zufriedengeben werden. Sie werden weitergehende Forderungen stellen - auch unter einer neuen Regierung in Washington ab Januar 2009.
Das Kalkül, das heikle Thema Afganistan durch ein zeitlich verlängertes Mandat für die Bundeswehrtruppen oder durch andere undemokratische Tricksereien aus dem Bundestagswahlkampf 2009 herauszuhalten, ist bereits mit seinem Bekanntwerden obsolet geworden. Afghanistan und der deutsche Einsatz dort werden im Bundestagswahlkampf auf jeden Falle ein große Rolle spielen. Allerdings könnte die Bundesregierung den Kontext der Debatte verändern, wenn sie endlich für einen grundlegenden Strategiewechsel in Afghanistan eintreten und diesen Wechsel in der Nato einfordern würde. Verharrt sie stattdessen weiterhin in Opportunismus und falsch verstandener Bündnistreue zu Washington und zur Nato, dann dürften die beiden Koalitionsparteien bei den Wahlen 2009 wegen des Themas Afghanistan deutlich an Stimmen verlieren.
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