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Kommentar Nato in AfghanistanFalschverstandene Bündnistreue

Andreas Zumach
Kommentar von Andreas Zumach

Die kampfbasierte Mission der Nato in Afghanistan ist gescheitert - das bedroht die Nato stärker als das fehlende Engagement einiger Bündnispartner, dass Gates bemängelt.

Bild: Kristin Flory

Andreas Zumach (52) ist Uno-Korrespondent der taz mit Sitz in Genf.

US-Verteidigungsminister Gates sieht die Existenz der Nato bedroht - wegen ihrer angeblichen Teilung in Mitglieder, die willens sind, in Afghanistan "zu kämpfen und zu sterben, und andere, die dazu nicht bereit sind". Dies ist allerdings ebenso falsch wie Gates demagogischer Vorwurf, die Europäer unterschätzten die von den Taliban und al-Qaida ausgehende Gefahr des islamistischen Terrorismus und ließen es an Einsatz und Opfer zur Abwehr dieser Gefahr mangeln.

Tatsächlich ist die Nato bedroht, weil ihre bislang im Wesentlichen auf Kriegsführung basierende Mission am Hindukusch gescheitert ist. Sie wirkt sogar kontraproduktiv, weil sie islamistischen Fundamentalismus und Terrorismus stärkt statt schwächt. Darum werden nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Nato-Staaten die Forderungen nach einem Truppenabzug aus Afghanistan immer lauter. Der jetzt geplante nächste Schritt in der von Bundesregierung und Bundestag seit 2004 praktizierten Salamistrategie einer schrittweisen Aufstockung und geografischen Ausweitung des Bundeswehreinsatzes wird die Ablehnung in der Bevölkerung weiter verstärken. Zumal zumindest die USA sich mit diesem Schritt nicht zufriedengeben werden. Sie werden weitergehende Forderungen stellen - auch unter einer neuen Regierung in Washington ab Januar 2009.

Das Kalkül, das heikle Thema Afganistan durch ein zeitlich verlängertes Mandat für die Bundeswehrtruppen oder durch andere undemokratische Tricksereien aus dem Bundestagswahlkampf 2009 herauszuhalten, ist bereits mit seinem Bekanntwerden obsolet geworden. Afghanistan und der deutsche Einsatz dort werden im Bundestagswahlkampf auf jeden Falle ein große Rolle spielen. Allerdings könnte die Bundesregierung den Kontext der Debatte verändern, wenn sie endlich für einen grundlegenden Strategiewechsel in Afghanistan eintreten und diesen Wechsel in der Nato einfordern würde. Verharrt sie stattdessen weiterhin in Opportunismus und falsch verstandener Bündnistreue zu Washington und zur Nato, dann dürften die beiden Koalitionsparteien bei den Wahlen 2009 wegen des Themas Afghanistan deutlich an Stimmen verlieren.

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Andreas Zumach
Autor
Journalist und Buchautor, Experte für internationale Beziehungen und Konflikte. Von 1988-2020 UNO- und Schweizkorrespondent der taz mit Sitz in Genf und freier Korrespondent für andere Printmedien, Rundfunk-und Fernsehanstalten in Deutschland, Schweiz,Österreich, USA und Großbritannien; zudem tätig als Vortragsreferent, Diskutant und Moderator zu zahlreichen Themen der internationalen Politik, insbesondere:UNO, Menschenrechte, Rüstung und Abrüstung, Kriege, Nahost, Ressourcenkonflikte (Energie, Wasser, Nahrung), Afghanistan... BÜCHER: Reform oder Blockade-welche Zukunft hat die UNO? (2021); Globales Chaos-Machtlose UNO-ist die Weltorganisation überflüssig geworden? (2015), Die kommenden Kriege (2005), Irak-Chronik eines gewollten Krieges (2003); Vereinte Nationen (1995) AUSZEICHNUNGEN: 2009: Göttinger Friedenspreis 2004:Kant-Weltbürgerpreis, Freiburg 1997:Goldpreis "Excellenz im Journalismus" des Verbandes der UNO-KorrespondentInnen in New York (UNCA) für DLF-Radiofeature "UNO: Reform oder Kollaps" geb. 1954 in Köln, nach zweijährigem Zivildienst in den USA 1975-1979 Studium der Sozialarbeit, Volkswirtschaft und Journalismus in Köln; 1979-81 Redakteur bei der 1978 parallel zur taz gegründeten Westberliner Zeitung "Die Neue"; 1981-87 Referent bei der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, verantwortlich für die Organisation der Bonner Friedensdemonstrationen 1981 ff.; Sprecher des Bonner Koordinationsausschuss der bundesweiten Friedensbewegung.

2 Kommentare

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  • DS
    doris schlenker

    Robert Gates privatwirtschatliches Engagement für amerikanische Rüstungs- und IT-Firmen (TRW/Northrop Grumman,SAIC,VoteHere),

    ,seine Vergangenheit als CIA-Chef,Mitarbeiter der NSA und seine ungeklärte Rolle in der Iran-Kontra Affäre sollten die deutsche Öffentlichkeit nachdenklich stimmen.

    Unter Einfluss der schockierenden Bilder des 11.September 2001 sprachen deutsche Politiker von der "uneingeschränkten Solidarität mit den USA" (Gerhard Schröder) und der "Verteidigung Deutschlands am Hindukusch"(Peter Struck).Mittlerweile dürfte selbst den Sozialdemokraten klar geworden sein, dass der "Krieg gegen den Terrorismus" nicht der Ergreifung Bin Ladens diente, sondern der Erschließung neuer Erdöl- und Erdgasvorkommen rund um das Kaspische Meer. Was rechfertigt das Vertauen in die Außenpolitik der USA ? Die Irak-Lügen Colin Powells vor der UNO ? Die Interessenverquickung zwischen Bush-Administration und US-militärisch-industriellem Komplex? Die imperialistischen Phantasien konservativer Denkfabriken (PNAC) ? Die Beziehungen von G.W.Bush zu mutmaßlichen saudischen Terrorfinanciers, wie Khalid bin Mafus? Die fragwürdigen Stellungnahmen und lückenhaften Untersuchungen zu den Anschlägen am 11.September ? Selbst Ex- Präsidentschaftskandidat John Kerry sprach im letzten Jahr von kontrollierten Sprengungen im Zusammenhang mit dem Einsturz von WTC 7. Joschka Fischer sieht indes den 11.September immer noch als Rechtfertigung für den Afghanistan Krieg an und ruft die nächste Bündniskrise aus, falls die Bundesregierung den Wünschen des Herrn Gates nicht folgt.Ich erinnere mich an Zeiten als die Grünen bereit zum Bruch mit der NATO waren...

  • HR
    h. rohwer

    amerika fuehrt krieg! die nato hat den buendnisfall erklaert, die bundesrepublik engagiert sich zivil und militaerisch.

    aufgrund unserer verfassung und unserer auf verteidigung angelegten bundeswehr ist es z.z. gar nicht moeglich einen kriegseinsatz auszufuehren. es muesste der verteidigungsfall festgestellt und ein entsprechendes kabinet eingerichtet werden.

    darum eiern unsere regierung mitsamt dem zustaendigen parlament nur um den heissen brei herum.

    es ging hier mal um kriminelle, ihren strukturen und einen staat, der diesen unterschlupf gewaehrte. es ging in afghanistan nie um einen welt und frieden gefaehrdenden angriffsstaat.

    dafuer ist dieser nie aus- und hochgeruestet gewesen. die asymetrische kriegsfuehrung ist ein begriff der militaers und nicht der staatsrechtler.

    die vorgehensweise ist also rechtsstaatswidrig bei noch so vielem geschmus´ um die hilfsbeduerftigkeit der leidenden bevoelkerung.

    zu wenig ziviles und zu viel militaerisches engagement, das ist hier das krebsgeschwuer im zusammenleben der staaten. und schon gar nicht nach der us-amerikanische mach(t)methode mit all´ den vasallenstaaten in ihrem fahrwasser.

    das aber anzuprangern, gibt z.z. die buendnistreue nicht her?

    spaltung der nato?

    wer auf der seite des voelkerrechts stehen will, widersteht den machtgeluesten.