Kommentar Nahostkonflikt: Feuerpause scheitert auf beiden Seiten
Müssig zu streiten, wer zuerst den Waffenstillstand gebrochen hat. Soll er im Nahen Osten funktionieren, müssen Regeln her, was passiert, wenn eine der Seiten ihre Verpflichtungen verletzt.
Es geschieht nicht zum ersten Mal, dass eine Kampfpause, ob bilateral vereinbart oder nicht, ausgerechnet von israelischen Militärs unterlaufen wird. Für die Soldaten spielen die aktuellen politischen Entwicklungen weniger eine Rolle, als die strategisch-militärischen Überlegungen. Besteht die Chance, einen gesuchten Terroristen zu erwischen, ohne dabei Unschuldige zu verletzten, wird zugeschlagen, egal ob das der politischen Führung gerade gelegen kommt oder nicht.
In dem Fall von Mohammad Shehade, dem führenden Aktivisten des Islamischen Dschihad, den ein "Under-Cover"-Kommando am Mittwoch in Bethlehem tötete, genossen die israelischen Soldaten politische Rückendeckung, denn Shehade gilt als der Hintermann für die tödlichen Schüsse auf acht Jeschiwa-Studenten Ende vergangener Woche in Jerusalem.
Die Debatte darum, wer nun zuerst geschossen hat und damit die Feuerpause zum Scheitern brachte, ist müßig. Zu nebulös blieb die stillschweigende Feuerpause, an die sich keiner gebunden fühlen musste. Um einen Waffenstillstand langfristig gelingen zu lassen, müssen klare Regeln gelten, die auch dann bestehen bleiben, wenn eine der Seiten ihren Verpflichtungen kurzfristig nicht nachkommt.
Ein Waffenstillstandsabkommen sollte deshalb vorsorglich bereits Regeln umfassen, die in Kraft treten, sobald das Abkommen verletzt wird. Genau so hat es für eine gute Weile funktioniert, als Expalästinenserpräsident Jassir Arafat noch am Leben und Willens war, einen Frieden mit Israel zu versuchen. Damals überließ Israel Arafat die Aufgabe, die palästinensischen Gegner einer Lösung ins Gefängnis zu stecken. Auf heutige Verhältnisse übertragen hieße es für die Hamas-Führung im Gazastreifen, all jene zu verfolgen, die trotz Waffenstillstands Raketen auf Israel abschießen. Umgekehrt müsste in Israel die Handlungsfreiheit der Armee begrenzt werden. Eine Operation wie in Bethlehem dürfte dann nicht mehr auf alleinige Verantwortung der Militärs vorgenommen werden. SUSANNE KNAUL
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