Kommentar Nahost-Konferenz: Motivation Angst

Die Konferenz von Annpolis kann eigentlich kein Erfolg werden. Sie muss es aber: Denn wenn jetzt nichts passiert, wird alles nur noch schlimmer.

Die Lage ist dringlich, die Teilnehmerliste beeindruckend, doch inhaltlich gibt die Nahostkonferenz in Annapolis bisher wenig her. Noch nie sind so viele unterschiedliche Parteien zur Lösung des Nahostkonfliktes zusammengekommen. Aber noch nie gab es eine internationale Nahostkonferenz, bei der das, über was die Teilnehmer verhandeln sollen, so vage war.

Gegen einen Erfolg spricht, dass die Teilnehmer sich im Vorfeld noch nicht einmal auf eine Reihe grundsätzlicher Prinzipien für die Konferenz einigen konnten. Zudem spricht gegen einen Durchbruch in Annapolis, dass alle Akteure zu schwach sind, zu Hause irgendetwas durchzusetzen. Die Zustimmungsquoten für den israelischen Premier Ehud Olmert sind seit dem Libanonkrieg in den Keller gesunken und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas regiert bestenfalls noch über das Westjordanland. Warum sollte ausgerechnet Annapolis erfolgreicher sein als alle bisherigen gescheiterten Nahostverhandlungen? Frühere Gespräche waren mit Sicherheit inhaltlich besser organisiert. Die Verhandlungspartner, wie Jassir Arafat und Jitzhak Rabin hatten wesentlich mehr Gewicht zu Hause, und die Vermittler, wie einst Bill Clinton, waren dem Nahostfriedensprozess stärker verpflichtet, als der in der Region diskreditierte George Bush.

Aber es gibt auch ein paar Gründe, die Hoffnung auf Annapolis und Folgen nicht ganz zu verlieren. Washington braucht arabische Bündnispartner, ganz besonders, wenn es auf eine Konfrontation mit dem Iran zusteuert. Die arabische Ablehnungsfront, die Verhandlungen mit Israel verwirft, war noch nie so klein wie heute. Ein Zustand, der aber nicht lange andauern muss. Die arabischen Regierungen brauchen Ergebnisse, mit denen sie zu Hause zeigen können, dass die Verhandlungskarte mehr sticht, als der von Hamas und Hisbollah propagierte "Widerstand".

Am erfolgversprechendsten bleibt aber die Motivation für den Gang nach Annapolis, die für den Vermittler USA, Israel, die Palästinenser und die arabischen Staaten gleichermaßen gilt. Alle Seiten haben Angst, denn sie wissen: Es ist spät, vielleicht zu spät - aber wenn jetzt nichts passiert, wird alles nur noch schlimmer.

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Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

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