Kommentar NSU: Die große Zschäpe-Show
Die mutmaßliche NSU-Terroristin wird medial als Mädchen von nebenan inszeniert. Die zentralen Fragen zum NSU-Komplex werden nicht mehr gestellt.
N eonazis sind ein mediales Konjunkturthema. Seit dem Bekanntwerden des NSU-Terrors ist mehr Kontinuität in die Berichterstattung eingezogen. Zuletzt konzentrierte sich die Öffentlichkeit aber auf die „Nazi-Braut“ (Bild). Ihre Anwälte lancieren offenbar Informationen, um den Prozess gegen Beate Zschäpe öffentlich vorzubereiten.
Die mutmaßliche Rechtsterroristin wird als Mädchen von nebenan inszeniert. Geschichten über Zschäpe, die in der Zelle friert oder die auf einem Video zu sehen ist, bringen keine Erkenntnisse über die Strukturen hinter der Ikone des Rechtsterrorismus. Die zentralen Fragen zum NSU-Komplex werden in diesem Kontext nicht mehr gestellt.
Das Interesse an den NSU-Ausschüssen schwindet derweil. Anfangs sorgten die Eklats um Akten für Schlagzeilen. Die Sitzungen selbst ziehen sich aber oft bis in den späten Abend; es kostet Zeit und Fachwissen, um die Aussagen der Zeugen einordnen und wiedergeben zu können – doch das sind exakt die Voraussetzungen, die in vielen Redaktionen fehlen.
betreibt die Seite Publikative.org (ehemals npd-blog.info).
Stark ist die Berichterstattung in den Medien, die auch bereits vor dem NSU-Bekanntwerden Fachjournalisten in ihren Reihen hatten. Doch ergibt sich ein weiteres Dilemma: Basis der Berichterstattung sind oft geheime Akten. Nachdem die Sicherheitsbehörden jahrelang versagt hatten, werden nun Ermittlungsergebnisse ausgebreitet. Damit bleiben Teile des NSU-Komplexes wohl im Dunkeln.
Umso wichtiger ist es, die Arbeit der U-Ausschüsse genau zu beobachten und die Ergebnisse abzubilden. Wenn erst einmal der Zschäpe-Prozess beginnt, wird sich die Öffentlichkeit kaum noch für diese Erkenntnisse interessieren. Da bei der NSU-Terrorserie im Gegensatz zum Breivik-Terrorakt die Empathie für die Opfer weitestgehend fehlt, dürfte dann erst recht die große Zschäpe-Show beginnen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten