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Kommentar NRW-StaatssekretärinEnde eines PR-Gags

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Hannelore Kraft hat die NRW-Integrationsstaatssekretärin zurecht entlassen. Der Fall Kaykin zeugt vom fragwürdigen Umgang der SPD mit der Integration.

Kann sich weiter selbst bespiegeln: Zülfiye Kaykin. Bild: dpa

D ie Entlassung von Zülfiye Kaykin war überfällig. Überraschend ist nur, dass die NRW-Integrationsstaatssekretärin der rot-grünen Landesregierung nicht schon vor Monaten den Gefallen getan hat, freiwillig abzutreten. Und dass es erst eines Strafbefehls der Duisburger Staatsanwaltschaft gegen sie bedurfte, um Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zum Handeln zu bewegen, zeugt nicht von politischem Instinkt.

Seit mehr als zwei Jahren wabert die Affäre um Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Kaykins Tätigkeit als Geschäftsführerin der Begegnungsstätte der Türkisch-Islamischen Union Ditib in Duisburg-Marxloh. Immer wieder forderte die Landtagsopposition vergeblich den Rauswurf der deutschen Muslimin. War am Anfang im Regierungslager von einer „Hetzkampagne“ die Rede, verstummten die Verteidigungsstimmen zuletzt. Zu offensichtlich wurde, dass an den Vorwürfen etwas dran ist.

Der Fall Kaykin zeugt vom fragwürdigen Umgang der SPD mit dem Thema Integration. Die damalige Oppositionsführerin Kraft hatte die Deutschtürkin vor der Landtagswahl 2010 in ihr Kompetenzteam geholt, um ein wahlkampftaktisches Gegengewicht zu dem populären CDU-Landesintegrationsminister Armin Laschet zu setzen.

Doch zur Integrationsministerin machte Kraft sie dann doch nicht, nur zur Staatssekretärin. Denn tatsächlich hat die Integrationspolitik in der Landesregierung nicht den versprochenen hohen Stellenwert.

Kaykin war in erster Linie ein PR-Gag – und zwar von Beginn an ein höchst fragwürdiger. Denn Kraft setzte ausgerechnet auf eine frühere Ditib-Funktionärin. Dabei hätte auch ihr bewusst sein müssen, dass Ditib als Vorfeldorganisation der türkischen Regierung in Sachen Integration nicht gerade an vorderster Front steht.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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7 Kommentare

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  • "Überraschend ist nur, dass die NRW-Integrationsstaatssekretärin der rot-grünen Landesregierung nicht schon vor Monaten den Gefallen getan hat, freiwillig abzutreten."

     

    Das überrascht mich deshalb nicht, weil psychologische Studien gezeigt haben, dass Personen, denen man Führungsaufgaben übertragen hat, generell dazu neigen, sich selbst Privilegien einzuräumen. Die frühere Erfahrung oder Vermutung, dass man "die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt", führt dann zu einer Herabsetzung der eigenen Unrechtsschwelle. Diese Personen sind tatsächlich fest davon überzeugt, dass ihnen "dieses oder jenes Privileg zusteht". Sie verhalten sich nach eigenem Empfinden absolut "positionsgerecht".

    Freiwillige Rücktritte sind daher die Ausnahme. Man muss sich doch nur die Rücktritte der letzten Jahre mal anschauen und wird genau dieses Muster wiedererkennen.

  • G
    gerstenmeyer

    zur zeit wird kaum ein kritischer kommentar gegen die TAZ - ideologie veröffentlich-verständlich so kurz vor der wahl-

    es könnte der eine oder andere sein wahlverhalten überdenken!

    zu diesem artikel hier-es sind schon mehrfach ungereimtheiten von gewissen politiker/innen

    z b die integrationsministerin in BW aufgedeckt worden

    • @gerstenmeyer:

      Was meinen Sie mit TAZ-Ideologie? Wenn Sie glauben, das alle TAZ-Mitarbeiter dieselbe Meinung haben, sind Sie wohl auf dem Holzweg.

      • @Rainer B.:

        Er meint die ideologische Vorherrschaft von Grün/Links in der taz-Reaktion.

        Beispiel:

        der Grün-kritische Artikel von Christian Füller. Der wurde nicht mit plausiblen Argumenten rausgekegelt, aber mit transparenter Motivation...

        • @Rosa:

          Woher wissen Sie das und kann man ihre Behauptung auch irgendwo nachvollziehen?

  • K
    Kimme

    Ich finde das Vergehen von Frau Kaykin (es handelt sich dabei insgesamt um 1.400 € die im Rahmen eines Mini-Jobs zuviel gezahlt worden sind) zwar unglücklich aber nicht dramatisch. Wahrscheinlich wollte sie lediglich einen Menschen für seine Arbeit gerecht entlohnen, der das Geld braucht aber durch Hartz4-Gesetze gegängelt wurde. Vielleicht handelte es sich auch um einen Studenten.

    Was mich immer wieder sprachlos macht, ist die Tatsache, dass Politiker wegen einer schlampigen Doktorarbeit oder 1.400€ zurücktreten müssen und zum Teil menschlich angegriffen werden, aber Politiker die Kindesmißbrauch gefördert haben und diesen legalisieren wollten, immernoch in Amt und Würden sind. Wie kann das passieren?

  • Bei der Ditib kann man sich allerdings sicher sein, dass man nicht an die "grauen Wölfe" oder sonstige Extremisten gerät, welchen die verkorkste deutsche Einwanderungspolitik Wasser auf die Mühlen ist. Natürlich ist die dem türkischen Staat sehr nahe, aber sie ist eben nicht nur Erdogan, welcher mit der Partei BIG längst einen deutschen Ableger seinen konservativen Partei gestartet hat.

     

    Und ja, da haben wir echte Integration: Wenn eine türkischstämmige Staatssekräterin gefeurt wird; nicht, weil sie weiblich ist oder einen Migrationshintergrund hat, sondern weil sie einen politischen Fehler begangen hat.

     

    Wenn man dagegen sieht, was sich in Hessen oder Bayern alles an die Macht klammert...