Kommentar Moskaus Streit um Libyen: Libyen als Profilschärfer
Russlands Präsident Medwedjew und Premier Putin streiten über die Bomben, die auf Libyen geworfen werden. Nur hohe Schule der Illusionskunst? Wohl eher Wahltaktik.
W estliche Bomben auf Libyen haben in Moskau einen unerwarteten Kollateralschaden verursacht. Präsident Dmitri Medwedjew und Premier Wladimir Putin lasen sich im staatlich kontrollierten TV hochemotional die Leviten. Putin preschte vor und geißelte das westliche Vorgehen in Libyen in Gaddafis Worten als einem "mittelalterlichen Kreuzzug".
Medwedjew konterte sinngemäß, es empfehle sich, erst nachzudenken und dann den Mund aufzumachen. Russland hatte sich im UN-Sicherheitsrat der Stimme enthalten. Entscheidungen solcher Reichweite werden in Moskau grundsätzlich im Konsens getroffen. Kaum vorzustellen, dass Putin nicht gefragt wurde. Der Kremlchef schien die Philippika seines Ziehvaters denn auch wie einen Dolchstoß zu empfinden.
Widersprüche gab und gibt es. Meist waren es Nuancen, die den Eindruck hinterließen, als seien es bewusste Dissonanzen, deren Inszenierung der Überzeugung entgegenwirken sollte, Kremlchef Medwedjew sei nur eine Marionette des "nationalen Liders". Auf diese Weise gelang es auch, unterschiedliche Interessenkartelle einzubinden. Moskaus Politikszene ist eine hohe Schule der Verstell- und Illusionskunst. Auch diesmal könnte es so sein.
ist Russland-Korrespondent der taz.
Wären da nicht die Wahlen im nächsten Jahr und beider Wunsch, Präsident zu werden. Wer darf, muss demnächst entschieden werden. Die Eliten sind unzufrieden, während Putin zunehmend deplatziert wirkt und seinem großen Russland nicht gewachsen scheint. Das spürt Medwedjew und wittert eine Chance. Nur reichen seine Kräfte nicht, auch wenn Putin an Kraft verliert.
Klar ist unterdessen, beide haben weder die Kraft, die Macht noch eine Vorstellung davon, wie sie Russland aus gesellschaftlichen Stagnation herausholen könnten. Wie gesagt, nur Nuancen unterscheiden sie.
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