Kommentar Morde in den USA: Rassistische Dimension
Auf offener Straße wurden drei Schwarze erschossen, die Opfer offenbar zufällig, ihre Hautfarbe nicht. Doch die Justiz scheint zu funktionieren. Das ist nicht immer so.
D rei Menschen sind tot. Zwei sind verletzt. Sie sind auf offener Straße im Norden von Tulsa in Oklahoma von zwei ihnen unbekannten Männern aus dem Inneren eines Pickup-Wagens erschossen worden.
Über Motive und Beweggründet der mutmaßlichen Täter lässt sich bislang nur spekulieren. Aber eines ist unübersehbar: Alle Opfer ihrer mörderischen Tour sind schwarz.
Diese Dimension – gepaart mit hasserfüllten Worten auf der Facebook-Seite von einem der beiden mutmaßlichen Täter – lässt keinen Zweifel daran, dass Rassismus bei den Morden von Tulsa zumindest eine – wenn nicht gar die zentrale – Rolle gespielt hat.
ist USA-Korrespondentin der taz in Washington.
Wegen dieser rassistischen Dimension erinnert die mörderische Tour durch de Norden von Tulsa an andere tödliche Schüsse der letzten Monate an anderen Orten in den USA: An Sanford in Florida zum Beispiel, wo ein Wächter an einem Sonntag im Februar den 17jährigen Trayvon Martin erschoss, der auf dem Heimweg von einem Geschäft war, in dem er Bonbons gekauft hatte.
Oder an White Plains im Bundesstaat New York, wo im vergangenen November im Morgengrauen ein Polizeikommando den 68jährigen Rentner Kenneth Chamberlain in seiner Wohnung erschoss, nachdem er versehentlich einen Alarmknopf getätigt hatte.
Genau wie die Opfer von Tulsa waren auch Trayvon Martin und Kenneth Chamberlain Afroamerikaner. Und wie in Tulsa waren auch sie unbewaffnet, als sie erschossen wurden.
Doch neben diesen Gemeinsamkeiten gibt es wesentliche Unterschiede zwischen den drei dramatischen Ereignissen: In Tulsa, Oklahoma, haben Polizei und Justiz effizient und schnell reagiert. Und haben die mutmaßlichen Täter verhaftet.
In Florida hingegen darf der private Wachschützer, der den Teenager Trayvon Martin erschossen hat, weiterhin eine Schusswaffe tragen, darf weiterhin in seinem Wohnzimmer sitzen und darf im Internet um Sympathie und Geldspenden werben.
Und in New York sind die Polizisten, die bei der Erschießung des Rentners in Boxershorts beteiligt waren, weiterhin im Einsatz. In Tulsa, Oklahoma, gibt es nach den Morden keine Unruhen. Sondern die Trauer über eine Serie von unsinnigen Morden.
Und die Gewissheit, dass die Justiz ihre Arbeit erledigt. Hingegen macht die unerträgliche Leichtigkeit und Komplizität im Umgang mit Todesschützen in Florida und in New York – und das sind nur zwei Beispiele von vielen – alles noch viel schlimmer.
Sie gibt Millionen von Menschen quer durch die „postrassistischen“ USA das Gefühl, dass rassistische Gewalt mit zweierlei Maß gemessen wird. Und dass andere Regeln gelten, wenn die Gewalt von der Polizei und ihren privaten Helfershelfern kommt.
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