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Kommentar „Moralisierung der Politik“Macrons moralisches Feigenblatt

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Frankreichs Präsident hat ein erstes Wahlversprechen umgesetzt. Aber eigentlich hat sich Frankreich bloß dem europäischen Standard angepasst.

Wird nun nicht mehr gebraucht: Wahlkampfmaterial von François Fillon (l.) und Emmanuel Macron Foto: dpa

M it der Verabschiedung der Gesetze zur „Moralisierung der Politik“ hat Emmanuel Macron sein erstes Wahlversprechen gehalten. Das war allerdings auch die leichteste Aufgabe, denn der Druck der Gesellschaft war in dieser Frage spätestens seit der „Fillon-Affäre“ so groß, dass sich kaum jemand aus den Reihen der Opposition getrauen konnte, frontalen Widerstand zu leisten. Viele haben sich bei der Schlussabstimmung enthalten.

Mit dieser gesetzlichen „Moralisierung“ wird formell ein Schlussstrich unter gewisse in Frankreich gängige Praktiken gezogen, die zwar schon lange ein bekanntes öffentliches Ärgernis darstellten, aber nicht explizit verboten waren. Das Parlament hat somit sein moralisches Feigenblatt.

Macron kann sich mit einem ersten innenpolitischen Erfolg brüsten. Das Vertrauen seiner Landsleute kann er aber nicht mit einem Gesetz beschließen. Ob sie nun anschließend den weitgehend ausgewechselten Mitgliedern der Nationalversammlung wirklich mehr Kredit geben und ob es tatsächlich weniger Interessenkonflikte und Pressionen von Lobbys geben wird, ist eine andere Frage.

Eigentlich hat sich Frankreich bloß dem europäischen Minimum angepasst. Das ist indirekt wirklich dem unglücklichen Präsidentschaftskandidaten François Fillon zu verdanken, der die mutmaßliche Scheinbeschäftigung seiner Ehefrau für so normal gehalten hat, dass er trotz der Enthüllung des Skandals Staatschef werden wollte.

Von einer „Moralisierung“ der Politik kann erst die Rede sein, wenn die Justiz in dieser Fillon-Affäre auch ihre Arbeit bis zum Ende erledigt. Vielleicht kehrt dann das seit vielen Jahren verlorene Vertrauen der Bürger in ihre gewählten Vertreter zurück. Die zweite Voraussetzung dafür wäre es, dass die bisher manchmal unbeholfen wirkende neue Regierung nicht nur in der Moral, sondern auch in anderen Fragen die Forderungen und Befürchtungen der Leute ernst nimmt.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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3 Kommentare

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  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Es kommen auch Skandale auf Macron zugerollt. Seine Werbeveranstaltung in Las Vegas, die von seiner jetzigen Arbritsministerin organisiert wurde und die sich wohl wegen Vorteilsnahme verantworten muss, weil sie ohne öffentliche Ausschreibung der Werbeagentur Havas die Organisierung der Show zugeschanzt hat. Desweiteren hat sie durch Insiderwissen Stockoptions gewinnbringend verscherbelt, weil sie als Personalchefin von Danone, einen Plan für einen Stellenabbau mit vorbereitet hat, der nach Bekanntgabe eine Kursanstieg erwirkt hat.

  • Gesetz zur "Moralisierung der Politik"?

     

    BTW, habe gestern einen Blog über ihn gelesen (https://www.jacobinmag.com/2017/07/emmanuel-macron-france-unions-workers-economics-le-pen) und als ökonomische Vision für junge Franzosen wurde er zitiert: "“10 bis 20 Jobwechsel, länger arbeiten ohne steigende Gehälter."

  • Politik sollte nicht moralisch sein,

    sondern sachlich.