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Kommentar MobilfunkausbauLandesweiter Digitalfrust

Tanja Tricarico
Kommentar von Tanja Tricarico

Auf dem Land herrscht in Deutschland oft Funkstille. Das Argument der Netzbetreiber: unrentabel. Deswegen muss der Gesetzgeber ran.

Kampf gegen Funklöcher: Diese Antennen helfen Foto: dpa

W er den digitalen Detox erleben will, braucht nicht weit zu reisen. Zum Beispiel nach Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein oder einfach in die Randbezirke Berlins. Überall gibt es weiße Flecken, was den Ausbau von Mobilfunk und Breitband angeht. Kein Problem, auf digitale Nachrichten zu verzichten. Das ist gut für den, der sich freiwillig nach dem analogen Leben sehnt. Den anderen bleibt nichts weiter übrig als die Funkstille auszuhalten.

Die Politik will es richten. Und das nicht zum ersten Mal. Doch Digitalminister Andreas Scheuer (CSU) müht sich vergeblich mit den Netzbetreibern ab, genauso wie sein Vorgänger und Parteifreund Alexander Dobrindt. Denn auf dem Land Mobilfunkmasten aufzustellen oder den Glasfaserausbau voranzutreiben, gleicht oft dem viel beschworenen Kampf gegen Windmühlen.

Dabei will die Bundesregierung ach so gern Vorreiter beim autonomen Fahren werden oder den Herzschrittmacher der Seniorin auf dem Land per App aus dem Herzzentrum in der Großstadt steuern. Tja, schade, wenn die Verbindung im digitalen Niemandsland schlicht nicht zustande kommt – und damit auch Zukunftstechnologien vor den Funklöchern haltmachen.

Die Netzbetreiber brauchen Anreize, um den Ausbau der Mobilfunknetze voranzutreiben. Denn wirtschaftlich ist der Mobilfunkausbau – zum Beispiel – in Kleßen-Görne im Havelland nun wirklich nicht. Also muss die Politik nachhelfen. Am besten mit einem Gesetz, dass jedem, und wirklich jedem und jeder, ein Recht auf Handyempfang zusichert, überall und unabhängig vom Anbieter.

Der Zugang zum Netz darf sich nicht daran messen, dass Telekom, Vodafone oder O2 gute Geschäfte machen. Es geht um den Transfer von Wissen, um Informationen zu allen nur erdenklichen Themen, im schlimmsten Fall gar ums Überleben. Digitale Technologien sind keine Spielereien, die nur einem privilegierten Teil der Bevölkerung vorbehalten bleiben dürfen. Die Bundesregierung muss den Netzausbau endlich ernst nehmen.

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Tanja Tricarico
wochentaz
Schreibt seit 2016 für die taz. Themen: Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, früher auch Digitalisierung. Leitet derzeit das Politik-Team der wochentaz. Privat im Einsatz für www.geschichte-hat-zukunft.org
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4 Kommentare

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  • Ich fahre beruflich gezwungenermaßen viel über diverse Autobahnen. Mit einem modernen Euro 6-d Fahrzeug durchmesse ich die Nation von Nord nach Süd, von Ost nach West. In den Ohren klingen mir noch die orgastischen Jubelphrasen von Kunden und Lieferanten auf Industrie 4.0, IoT usw.



    Dann versuche ich in unkritischer Verkehssituation, mit freisprechendem, sprachgesteuertem Mobiltelefon des mächtigsten deutschen Anbieters, einen Kollegen gleicher Ausstattung zu erreichen. Ich will nicht mit der Voyager Sonde Kontakt aufnehmen, sondern nur mobil, von Ballungsraum zu Ballungsraum, via GSM Standard telefonieren, der ist aus den 80ern.



    Und? Ich habe fünf, er drei Balken, nach der Kurve ist es umgekehrt, was uns aber nicht schert, das Gespräch wurde eh schon dreimal abgebrochen.



    Ja, ich erlebe jeden Tag die Zukunft, blicke dem heute technisch machbaren direkt ins Auge, modern, futuristisch und wie ich lesen muss, in zwanzig Jahren schon auf dem Niveau von Litauen. Ein gutes Gefühl, da mit dabei gewesen sein zu dürfen!

  • In der Schweiz werden jetzt 10 Gigabit/s angeboten. In Deutschland ist nich einmal ein Hundertstel davon (100 Mbps) verfügbar. Wenn die Telekom für eine langsame Verbindung fast genauso viel Geld wie für eine schnelle Verbindung verlangen und zudem das Vectoring-Monopol in Anspruch nehmen kann, ist jeder Ausbau "unwirtschaftlich". Würde da gesetzgeberisch eingegriffen, wäre das schnell anders.



    Das Problem ist einfach, dass die Regierung noch immer als Diener der Telekom fungiert. Da werden noch ein paar mehr Fördertöpfe aufgemacht, mit denen dann Baumaßnahmen finanziert werden, die sowieso dran gewesen wären.



    Deutschland fällt im weltweiten Vergleich weiter zurück. Hinter Bulgarien und knapp vor Ungarn. Eine führende Industrienation kann sich das nicht leisten - bzw. Deutschland ist damit einfach keine führende Industrienation mehr.



    Jetzt werden unverbindliche Ziele für 2025 festgelegt, die unterhalb dessen liegt, was in anderen Ländern heute schon Standard ist.



    Die Autoindustrie in Deutschland wird auf Dauer deutlich abbauen. In die elektrische Antriebstechnik haben sie zuwenig investiert, so dass sie künftig nur noch die Blechdosen bauen werden, in die dann importierte Technik integriert wird.



    Kohle- und Stahlindustrie sind bereits tot.



    IT-Industrie wird durch den mangelnden Netzausbau, überbordende Regulierung und mangelnde Digitalisierung ausgebremst.



    Bleibt Landwirtschaft und Tourismus. Letztere ist sicher ein Wachstumsmarkt und eine verschlafene Digitalisierung hilft dabei ein wenig Lokalcholorit zu bewahren.

  • Man wunder sich immer wieder, wie dieses Land es früher geschafft hat Strom-, Telefon- und Wasserleitungen bis fast an jedes Haus zu verlegen. Breitbandanschluss sollte auch zur Grundversorgung gehören. Warum nicht in öffentlicher Hand und die Telekomanbieter zahlen dann für die Benutzung, so dass man als Kunde auch frei den Anbieter wählen kann. Aber all das musste natürlich privatiesiert werden.



    Bei uns wird auch in Zukunft nicht ausgebaut, weil ein einziger Anbieter behauptet mindestens 50 Mbps liefern zu können. Ob er das wirklich kann wird nicht geprüft (kann er nicht, jedenfalls nicht zuverlässig).

  • „Die Netzbetreiber brauchen Anreize, um den Ausbau der Mobilfunknetze voranzutreiben“

    Doch gesetzliche Anreize allein werden nicht genügen. Denn die Netzbetreiber werden das nicht in ehrenamtlicher Tätigkeit leisten, sondern die Zusatzkosten auf die Kunden umlegen. Es sei denn, der Staat bietet zu den gesetzlichen auch finanzielle Anreize, dann zahlen es die Bürger eben nicht als Mobilfunk-Kunden, sondern als Steuerzahler. Wie man es auch dreht: Das Problem wird sicher gelöst werden, aber es wird Geld kosten.

    Möge jeder darauf gefasst sein!