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Kommentar Mobbing-ProzessStrafe muss wehtun

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Mobbing ist ein massives Problem - und in Deutschland noch immer unterschätzt. Die Wirtschaftskrise hat es nur verstärkt. Härtere Strafen könnten das ändern.

M obbing am Arbeitsplatz kennt viele Formen: sei es der Vorgesetzte, der seine Mitarbeiter demütigt und schikaniert, oder der Kollege, der die Büronachbarin ständig mit dummen Bemerkungen belästigt. Das ist ein massives Problem - nicht nur für die Betroffenen, die psychisch wie körperlich darunter leiden. Sondern auch für die Unternehmen, deren Betriebsklima es beeinträchtigt. Und das mindert nachweislich die Unternehmensumsätze.

Trotzdem wird das Problem noch immer unterschätzt. In Deutschland ist die Sensibilität gegenüber allen Formen der Diskriminierung ohnehin nicht sonderlich ausgeprägt. Andere Länder in Europa sind da schon weiter, während die Bundesrepublik immer wieder von der EU gerügt wird, weil sie sich nicht an das Antidiskriminierungsgesetz hält.

Nachdem dieses Gesetz 2006 in Kraft trat, blieb die von Skeptikern befürchtete Klagewelle aus. Vielfach spielt Scham eine Rolle: Wer will schon Opfer sein? So halten viele lieber still, ziehen sich in die innere Emigration zurück oder geben am Ende dem Druck so weit nach, dass sie ihren Job kündigen.

Hinzu kommt, dass sich das Mobbingproblem durch die Wirtschaftskrise verstärkt hat. Aus Angst, sich unbeliebt zu machen, Aufstiegschancen zu verbauen oder gar die Stelle zu verlieren, wagen es nur wenige Arbeitnehmer, Mobbing öffentlich zu machen. Deshalb hat es eine besondere Symbolwirkung, wenn heute am Arbeitsgericht Nürnberg ein besonders spektakulärer Fall verhandelt wird: Eine frühere Siemens-Managerin verklagt den Konzern auf 2 Millionen Euro Schadensersatz, weil sie jahrelang diskriminiert worden sei. Über eine so hohe Entschädigung hat ein deutsches Gericht noch nie verhandelt.

Ist diese Forderung gerechtfertigt? Ja, das ist sie. Nicht weil sich der Schaden durch Psychoterror in Euro beziffern ließe, sondern weil Unternehmen begreifen müssen, dass Mobbing kein Kavaliersdelikt ist. Psychische Gewalt greift tief in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen ein und verletzt sie in ihrer Menschenwürde.

Bislang gab es in Deutschland nur wenige Mobbingprozesse. Die Entschädigungen, die dabei gezahlt worden sind, waren meist lächerlich gering. Aber die Summen müssen wehtun. Nur so lässt sich Diskriminierung aller Art wirksam eindämmen. Es geht dabei um nicht weniger als einen Kulturwandel.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
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4 Kommentare

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  • M
    M&M

    Naja, typischer Fall...

    Schon in der Bibel hat Eva als erstes vom Apfel genascht... das wir es Jahrtausende später immer noch nicht geschafft haben unser einer gleichzustellen ist doch wirklich fragwürdig.

  • H
    HANS

    Die Gesetze sind eher flau, die Umsetzung an juristische Dauerprozesse und das Ganze eben nicht an die Realitäten angepaßt. Auf diese Weise können Mobber ziemlich gut mobben, die Opfer bleiben oft zurück, müssen neue Jobs suchen oder sich neu orientieren, viele werden arbeitslos und leiden jahrelang unter den psychischen Folgen.

    Und das ist ja auch nachvollziehbar: Wer würde zu einer Arbeitsstelle gehen, wo er jeden Tag am Eingang von einem Mucki-Schläger zerlegt wird? Niemand.

    Bei Mobbing läuft aber genau das ab. Es gab schon Leute, denen ein leeres Büro zugeteilt wurde, andere erhielten einfach keine Arbeitsaufträge.

    Gemobbt wird in Deutschland sehr fleißig, skrubellos und nachhaltig. Nur die Gemobbten wissen sich kaum zu helfen, zum einen wird Mobbing oft an vielen Stellen ignoriert, toleriert oder geduldet.

    Erst wenn die Vorgesetzten für ihre Haftung geahndet werden können, wird Mobbing drastisch zurück gehen. Welcher Topmanager will schon gefeuert werden, weil er Mobbing duldete?

    Aber das ist wohl von Nöten: Es hat Mobbing bereits an Montagebändern gegeben - in Hallen, wo ein paar Hundert Leute gearbeitet haben.

    Das neue Gesetz ist letztlich nur ein Theoriekonstrukt. Mit der Realität hat es wenig zu tun, denn viele Menschen akzeptieren Mobbing und machen nichts, weil sie bei Einschlagen des juristischen Weges entlassen werden.

    Und es fehlt eine echte Lobby-Agentur gegen Mobbing. Viele Gewerkschaften geben hier nur Lippenbekenntnisse ab, sind aber interessiert im Mainstream nicht unnötig Konflikte zu provozieren. Wer Mobbing unterbinden will, der muss tief in die Abläufe und Strukturen eingreiffen. Davor schrecken sie dann alle zurück.

    Aber die Kosten sind andersherum unerträglich hoch, mal abgesehen von zahllosen Menschen, die sich am Ende ihr Leben nehmen, Krebserkrankungen, Psycho-Stress und Ähnliches. Mobbing kostet Milliarden und macht vielen Unternehmen einen Strich durch die Rechnung, wenn etwa neue Kräfte eingestellt werden sollen, die Gefahr laufen, altgediente Kader als Flaschen zu outen. Die Kämpfe in Betrieben sind bei der Massenarbeitslosigkeit drastisch angestiegen und vielen Anzeigen verraten sich Mobbing-Buden auch selber: Sie sind stressresistent und konflitktfähig - zu Deutsch: Wenn sie blöd genug sind, bei uns anzufangen, dann mobben ihre Kollegen sie und wir wollen dennoch die Topleistung sehen (und feuern sie, wenn sie die nicht bringen).

    Für den Rest bitte den Artzt oder Psychater fragen ...

  • AS
    Angelika Steger

    Danke Frau Schmollack! Endlich schreibt mal jemand was dagegen! Hatte heute erst wieder den Fall, der mich so fassungslos macht: andere Kollegen schenken diesem bestimmten Kollegen, der ein totaler Narzisst ist, vollen Glauben, lassen ihn spotten und andere fertig machen, ohne was zu tun. Die Frage stellt sich für mich nur: wie kann ich vor Gericht Mobbing glaubhaft machen? Meine erste Reaktion wäre heute gewesen: reinhauen, weil Worte bei diesen Menschen nicht mehr helfen. Nur dumm, dass dann dieser Hund den Trumpf im Ärmel hat. Leute die mobben, sollten schlicht und einfach entlassen werden und zu einer Schulung verpflichtet werden die sie lehrt, damit aufzuhören.

  • M
    Märchenkritiker

    Verwunderlich, sehr verwunderlich...Die Hart-IV Lobliebsinger von der TAZ geben sich als Mobbing-Bekämpfer aus. Wer soll das noch ernst nehmen!?