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Kommentar Missbrauch in KirchenAckermanns Frechheit

Kommentar von Matthias Katsch

Bevor die katholische Kirche Laien Verantwortung überträgt, setzt sie lieber pädophile Straftäter als Seelsorger ein. Es muss endlich eine unabhängige Kommission her.

V or zwei Jahren wurde von der Politik ein Runder Tisch eingesetzt, um auf Missbrauchsfälle in kirchlichen und anderen Institutionen zu reagieren. Zwei Jahre später ist klar: Das wichtigste Ziel wurde nicht erreicht. Klarheit und Wahrheit über das Ausmaß in der Katholischen Kirche zu erreichen.

Angesichts der Vorgänge im Bistum Trier, wo mehrere pädophile Priester weiter beschäftigt werden sollen, muss man sich fragen: Wie lange wollen es sich die von ihren Hirten gerne als Schäfchen bezeichneten zahlenden Mitglieder der Körperschaft öffentlichen Rechts noch gefallen lassen, dass ihr Ruf von uneinsichtigen oder überforderten Vertretern der Katholischen Kirche vollends ruiniert wird? Und wie lange will sich die Gesellschaft noch gefallen lassen, dass eine Institution sich in dieser Weise selbst aufklärt?

Polizisten bewältigen keine Polizei-Skandale und Ärzte klären keinen Ärzte-Pfusch auf. Nur die deutschen Bischöfe sollen ihr Versagen selbst aufdecken und aufarbeiten. Und das Ergebnis?

Bild: privat
Matthias Katsch

ist ehemaliger Schüler des Berliner Canisius-Kollegs und hat die Welle von Missbrauchsveröffentlichungen ausgelöst: Er wurde in den 1970er Jahren Opfer von zwei Serientätern. Im Januar 2010 enthüllte er dies – und wurde so zum Vorbild für Betroffene sexueller Gewalt vom Aloisius-Kolleg über Kloster Ettal bis zur Odenwaldschule. Katsch ist Mitbegründer und Vorsitzender der Initiative „ECKIGER TISCH“, die sich als Interessenvertretung Betroffener aus katholischen Einrichtungen versteht. Er gehört zum neuen Fachbeirat des Nationalen Beauftragten gegen sexualisierte Gewalt, Johannes Wilhelm Rörig.

Bis heute wissen wir nicht, wie viele Fälle sexuellen Missbrauchs es wo innerhalb der weitverzweigten Katholischen Kirche in Deutschland gegeben hat. Während in Irland, Österreich oder zuletzt den Niederlanden Kommissionen im staatlichen Auftrag die Untersuchung vorantrieben, stochern wir hierzulande immer noch im Nebel. Nach dem Abflauen des öffentlichen Interesses fühlen sich die Betroffenen von Staat und Gesellschaft wieder allein gelassen mit ihrer „Täter-Organisation“.

Wäre der Trierer Bischof Stephan Ackermann eine Führungskraft irgendwo in Wirtschaft oder Politik, dann wäre jetzt wohl der Zeitpunkt für den Rücktritt: Erst kommt im letzten Jahr heraus, dass Ackermann noch im Jahre 2011 im Falle eines Täter-Priesters die eigenen Leitlinien der katholischen Kirche nicht einhält. Und nun sind es mindestens sieben Priester, die in seinem Bistum allerlei priesterlichen Aufgaben nachgehen dürfen – verbunden mit der Hoffnung, sie mögen sich nunmehr von Kindern und Jugendlichen fernhalten. Nach dem Motto: „Du du, nun ist aber Schluss“. Was für eine Verkennung des psychischen Drucks unter dem solche Täter stehen und der sie zu immer neuen Taten treibt!

Ja, Ackermann besitzt sogar die Frechheit zu behaupten, dieses Vorgehen diene der Prävention. Es wäre schlimmer, wenn die Täter nun irgendwo frei herum liefen, ohne dass der Bischof auf sie aufpasste. Bitter kann man dazu nur feststellen: Hätte die Kirche diese Seelsorger nicht solange gedeckt, wären viele von ihnen dort, wo Berufenere auf sie aufpassen würden.

Was Ackermann als Nächstenliebe gegenüber gefallenen Mitbrüdern zu verkaufen sucht, ist nur ein weiteres Beispiel für die Unfähigkeit der Kirche, im eigenen Laden aufzuräumen und sich endlich mit den strukturellen Ursachen auseinanderzusetzen: Neben der verkorksten Sexualmoral ist das Festhalten am Zwangszölibat zu nennen, wodurch das falsche Personal angelockt und ein vergiftetes Binnenklima in der Männerkirche geschaffen wird. Der dramatische Priestermangel in der Kirche führt offensichtlich dazu, dass man auf wirklich niemanden verzichten kann. Demnach scheint die Logik zu lauten: Bevor man Laien Verantwortung in der Kirche überträgt, oder, Gott bewahre, sogar Frauen, werden lieber pädophile Straftäter als Seelsorger eingesetzt.

Es ist höchste Zeit, dass auch in Deutschland ein wirklich unabhängiges und vollständiges Bild von den Vorgängen in der Katholischen Kirche bekannt wird. Eine Untersuchungskommission aus Fachleuten, die den Opfern zuhört und Taten aufklärt, ist dringend notwendig.

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12 Kommentare

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  • J
    johann

    Ich frage mich was ein explizit „bekennender Katholik“ (Aussage Katsch's über sich) in einem Verein „EckigerTisch“, an Aufklärung über die mittelalterliche Tradition des Vertuschens (omerta) von Missbrauchsvorgängen in der Institution Kirche bewirken soll? (Vorallem wenn der oberste Wächter unser Aller 'papa' seit 1982 der Leiter der 'Glaubenskongregation' in Rom war, über dessen Schreibtisch ALLE Missbrauchsfälle liefen, laufen mussten.)

    Ähnlich wie Mertes vom Canisius ein Aufstieg in der Karriere vielleicht.

    Einen Anfang hatte Katsch ja zu Frau Bergmanns Zeiten (Runder Tisch) schon gemacht. Er hat nämlich ca. 20.000 € von ihr erhalten, als er ca 1100 kopierte-Seiten u.a. von Erlebnissprotokollen von ehemaligen Schüler der Jesuitenschulen übergab. Und bald wird dieser 'bekennende Katholik' bei den regierungsnahen Beratungsgremien sitzen, natürlich entsprechend dotiert – und die Kirche lacht sich schepp über den erneuten Coup des jahrhundertejahrealtenSystems Kirche.

    • @johann:

      So jetzt ist Ihr Beitrag fast drei Jahre alt.

       

      Auch ich arbeite wie Herr Katsch in "regierungsnahen Beratungsgremien" mit. Ehrenamtlich. "Entsprechend dotiert" wurde dabei noch nichts. Denn dann wären wir ja nicht mehr unabhängig, sondern Professionelle.

      Allerdings gibt es Aufwandsentschädigungen. Und das ist mehr als angemessen. Drauf zahlen die meisten von uns eh schon.

       

      Wenn Sie Ihre Erfahrungsexpertise als Missbrauchsofper einbringen wollen, sind Sie herzlich eingeladen mitzuarbeiten. Entweder nehmen Sie mit mir Kontakt auf (meinen Namen einfach in der Suchmaschine eingeben) oder Sie wenden sich an die Geschäftsstelle des EHS (Fonds Missbrauch).

       

      Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

  • N
    nkoi

    Befremdlich, wie Sie hier alle auf Niveau von Spiegel/Bild-Schlagzeilen mit diesem schweren Thema umgehen. Sie texten einfach weitere Schlagzeilen hinzu. Um die Opfer und Tat-verhinderung kann es Ihnen dabei kaum gehen...

    Tip: einfach aus dem Verein austreten und auf seine Dienstleistungen verzichten - dann sind Sie und Ihre Kinder auf der sicheren Seite (der Sportvereine, Schulen, Eltern, netten Onkels, Tanten & Co)

  • B
    Blasphemie

    Von jeher ein verlogener, selbstgerechter Haufen, dieser Klerus. Auf der einen Seite entlässt man einfache Angestellte, die nicht zum Klerus gehören,nur, weil sie geschieden oder z.B. lesbisch sind; andererseits, versetzt man Pädophile einfach nur, anstatt sie in den Arsch zu treten. Und für so was bezahlt der Staat die Steuern. Man verlangt von Pädagogen "Sittlichkeit", scheißt aber in den eigenen Reihen drauf."Und der Papst schreibt seine Bücher", sagt aber nicht viel zu dem ganzen Geschehen.

  • RK
    Robert Köhler

    Matthias Katsch beschreibt das Problem sehr treffend: Von innen heraus ist die Kirche in Deutschland nur schwer reformfähig. Die völlig zergliederte Zuständigkeit der Kirche mag zwar lange Tradition haben, verhindert aber den organisatorischen Durchgriff: Die Bischöfe sprechen z.B. nicht für die Orden, vollständige Transparenz ist nicht erzielbar evtl auch nicht erwünscht.

    Die Kirche hat Tradition darin, dass sich engagierte Leute an ihr abkämpfen. So geht es auch den Opfervertretern: Unter Vernachlässigung von Familie und Beruf haben sich etliche engagiert und viel erreicht. Der Papst hat sich nicht getraut sich mit diesen Engagierten zu treffen. Mit diesem ehrenamtlichem Engagement kann man aber auf Dauer keine Organisation bewegen, die über viele Milliarden Euro an Einnahmen verfügt.

     

    Ziel muss es für die Kirche sein Aufdecken, Vorbeugen, Befrieden. Hier hat der Aufarbeitungsprozess im Kloster Ettal bundesweit Maßstäbe gesetzt. Durch die unbürokratische Abwicklung von Therapiekosten und die Entschädigungszahlungen, deren Höhe nicht beleidigt, fühlen sich die Opfer im Ansatz ernst genommen und können nun teilweise befriedet loslassen und sich wieder ihrem Leben zukunftsorienterit zusenden.

     

    Robert Köhler,

    Verein Ettaler Misshandlungs- und Missbrauchsopfer

     

     

     

    Dass es auch besser geht,

     

    .

     

     

    , aber wie man oben sieht scheint es innerhalb der kirchlichen Organisation noch immer kein Selbstläufer zu sein.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Aiufrichtigkeit und Glaubwürdigkeit sind in der katholischen Kirche abhanden gekommen

    Schutzbefohlenen kommen durch Hauptamtliche zu Schaden.Großes Bedauern,Bußgang und Bitte um Entschuldigung-das warst dann.

    Der Missbrauchsbeauftragte der katholischen Kirche in Deutschland der Trierer Bischof Ackermann.,sollte im Bezug auf die Aufrichtigkeit und Glaubwürdigkeit von seinem Amt entbunden werden.

    Die kirche,die Kirchen waren nie heilig und chriostlich und werden es nie sein,im Bezug auf die Menschen,was das Fleisch und den Geist betrifft.

  • R
    routier

    Einmal schnipp gemacht und die Eier sind ab. Predigen kann man dann immer noch.

    ciao

  • S
    Sabine

    Pädophile Priester wird es immer geben, weil das Wesen der Kirche Menschen mit emotionalen Defiziten geradezu anzieht. Von den klassischen verlogenen Vertuschungsmechanismen einmal abgesehen: Was die Kirche als Lösungswege für Trauma-Auflösung bereit hält - von Exorzismus bis Vergebung im Beichtstuhl - ist alles andere als geeignet, psychische Störungen angemessen zu behandeln.

    Es ist höchste Zeit, dass der deutsche Staat aufhört, seine Bürger zu zwingen, diese kranke Organisation verkleideter , obrigkeitshöriger Mitglieder mittels Steuergelder aller (!) zu finanzieren und somit mit Gewalt am Leben zu erhalten. Die „sündteure“ Subvention der Kirchen ist eine der überflüssigsten. Wenn sich die Brüder im Herrn endlich selber finanzieren müssen, wie sonst überall weltweit, wird man sehen, wie beliebt sie wirklich sind. Auf jeden Fall klingt „ der dramatische Priestermangel in der Kirche“ schon mal sehr gut.

  • U
    Uncas

    Einer der besten Kommentare zum Thema und bitte auch analog für die Odenwaldschule lesen. Die Mechanismen sind deckungsgleich. Hier gibt's kein Rechts, kein Links, kein Christlich (Protestantisch oder Katholisch). Gerettet werden die Institutionen, obwohl sie damit ein Stück weit mehr verdorben werden, letztlich. Und auf der Strecke bleiben nicht nur die Betroffenen gestern sondern die Menschen heute!

  • WK
    Wolfgang Klosterhalfen

    In Irland haben 12.000 Geschädigte je 65.000 Euro erhalten. Dort leben ca. 3.74 Millionen Katholiken.

    In Deutschland leben ca. 24.9 Millionen Katholiken.

    Die Opferzahlen dürften also bei uns etwas höher liegen. Dass die Organisation der Böcke nun den Gärtner spielt, ist wirklich eine Sauerei.

  • S
    Stephan

    Wenn diese Kommision auch fürpädophile Straftäter wie den Mitbegründer der TAz oder Herrn Cohn-Bendit oder Antje Vollmer (die immerhin die Aufklärung der Vorgänge an der Odenwaldschule verhindern wollte) gilt, dann meinetwegen. Ansonsten hat dieser Artikel wieder den Typischen faden Beigeschmack des einseitigen.

  • S
    Schulz

    Das verstehe ich nicht ganz.

    Es wird so ein Vati-Leaks sein,

    dass von der Kth Kirche selbst hergestellt wird,

    um irgendwelche Taeter zu finden.

    Eine Warnung an alle...

    denn wahrscheinlich haben die Priester

    keinen ungehinderten Zugang zum www.

    Ob sie ueberhaupt allein taetig werden duerfen,

    ist auch unklar.

    Vielleicht ist es eine Aktion gegen paedophile Kinder.

    Das ist ja wahrscheinlich auch ein Druck.

    Andererseits ist durch die staendige Vorgabe

    und Erwartungshaltung an Vergebung durch Gott

    bei Strafgebeten... Reue, Busse, Veraenderung

    notwendig und wird als Allheilmittel angesehen.

    Normalerweise werden bei Vorkommnissen die Leute

    versetzt. Dabei unter Beobachtung gestellt.

    Die Behoerden sind hoechstwahrscheinlich informiert

    und damit beschaeftigt, geeignete Leute zu finden.

     

    Da die Kirche sich am Islam und am Judentum orientiert, was die Maennerherrschaft angeht,

    wird es leider... mit Laien als Mitarbeitern

    schwierig.

    Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist ja

    in allen Berufsgruppen vorhanden.