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Kommentar Missbrauch an SchulenDie Täterlobby

Kommentar von Christian Füller

Lässt sich Missbrauch abschaffen? Nein. Aber Institutionen dürfen sich nicht länger als Täterlobbys instrumentalisieren lassen. Dazu gehört auch ein Ende der Netzwerke des Leugnens.

B ERLIN taz An einer Modellschule wird ein Lehrer als Pädophiler enttarnt und entlassen - er kehrt als Fotograf zurück. Ein angesehenes Jesuitenkolleg hebt mahnend den Zeigefinger - und entsendet den Päderasten zur nächsten Schule.

Der Direktor missbraucht Jungen - und wird zum Herausgeber einer angesehenen pädagogischen Zeitschrift befördert. Die pädosexuellen Fälle dieses Jahres scheinen grotesk. Aber leider sind sie real.

Doch nicht nur das pädagogische Umfeld muss sich beim Missbrauch der Naivität zeihen lassen. Die Gesellschaft, die Eliten, auch die Medien, die inklusive der taz im Jahr 1999 den Missbrauch an der Odenwaldschule unterschlugen, sind haftbar zu machen. Was institutioneller Missbrauch bedeutet und welches Ausmaß Verbrechen und Verschweigen erreichten, wird erst heute deutlich. Das Missverständnis heißt: "Der Täter ist ein offenkundiger Verbrecher." Das ist falsch. Die Täter sind geniale Manipulierer sozialer Beziehungen.

privat

Christian Füller ist Bildungsredakteur der taz.

"Gegen Menschen, die ich liebe, weiß ich mich nicht zu wehren" - ähnliche Sätze hört man von den Opfern immer wieder. Der Täter ist nicht zwangsläufig von Beginn an gewalttätig, er lockt das Kind mit Anerkennung und Respekt in die Falle.

Was er zurücklässt, ist zerstörtes Vertrauen - in andere Menschen und zu sich selbst. "Selbst Schuld", heißt die ultimative Selbstbezichtigung des Opfers.

Lässt sich Missbrauch abschaffen? Nein. Aber Institutionen dürfen sich nicht länger als Täterlobbys instrumentalisieren lassen. Es gehört zu den Tricks der Pädophilen, gute Freunde der Institution zu einem Netzwerk des Leugnens umzuetikettieren. So feiern die Reformpädagogen noch im Jahr 2010 anerkannte Päderasten als Helden der Schulreform. Werden sie jemals aufwachen?

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6 Kommentare

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    KP Brandt

    ich habe von allem erst durch den film und wir sind nicht die einzigen erfahren. ich muß sagen, ich finde das alles nur skandalös. in deutschland wird päderastentum anscheinend toleriert. obwohl alles sonnenklar ist, dutzende opfer sich gemeldet haben,

    passiert nichts. warum? dem sollte man einmal nachgehen. es gibt ja wohl auch fälle an anderen schulen, vielleicht sollte man da jetzt mal genauer hinschauen, und die peinlichen fehler die gemacht wurden, zukünftig vermeiden. die opfer hätten sich natürlich viel früher solidarisieren müssen und outen, angst hin oder her. nur so hätte man den tätern das handwerk legen können. ganz unverständlich ist mir auch das verhalten der personen, die von den vorwürfen an becker erfahren haben. die reden sich jetzt alle nur fadenscheinig heraus und haben wirklich aktiven täterschutz geleistet. an diesem verhalten des deutschen hat sich wohl bis heute nichts geändert. die opfer sollten mutig sein, und schonungslose aufklärung und

    entschädigung verlangen. jeder wird verständnis dafür haben. unglaublich, welchen schikanen die kinder jahrelang ausgesetzt waren. und dieser becker bekleidet nach seiner entlassung noch jahrelang irgendwelche ämter. ich finde, auch wenn das angeblich alles verjährt ist, sollte man in jeder hinsicht aufräumen. oder steckt sogar die justiz

    mit drin? es kommt einem manchmal so vor, wenn man sieht, wie lasch da reagiert wird. vielleicht sollte man auch in diese richtung mal recherchieren. eine prima aufgabe für die taz, die ja auch wichtiges einfach verschlafen hat. jetzt liegt wirklich genug vor und kann überprüft werden. dies ist man den opfern einfach schuldig, wenn man die täter schon nicht zur rechenschaft zieht. ein unglaublicher skandal !!! kpb

  • MD
    Michael Dietz

    Wir müssen beginnen, sämtliche unserer Verhaltensregeln zu hinterfragen. Von vielen Tätern heißt es: "Er war ein allseits beliebter Pädagoge." Wir müssen uns endlich fragen, wieso diese Menschen in ihren Mitmenschen stets ein so großes Umfeld gefunden haben, was sie über lange Jahre zuverlässig geschützt hat und bis heute noch weiterhin schützt. Täterlobby: sind also nicht auch "wir" es, über den Kreis der Kollegen, Vorgesetzten, Eltern, Amtspersonen, Journalisten hinaus, die das alles mit ermöglicht haben?

     

    Was hat die Opfer genau so zuverlässig verstummen lassen? Wie kann es sein, dass wir von Kindheit an Menschen, die zu Opfern werden, das Gefühl vermitteln, sie selbst seien die Nestbeschmutzer? Ist die große hierarchische Distanz, die Ehrfurcht gegenüber diesen "Leitbildern" angemessen? Ehrfurcht anstelle von gegenseitigem Respekt. Im Falle der Jesuiten-Patres sprach jemand gar von "heiligen Männern".

     

    Noch immer ist Sexualität tabuisiert, wenn sie in unserem direkten Umfeld stattfindet. Dabei sind Schulen voller pubertierender Jugendlicher nun mal Horte überschäumender Hormone, darüber habe ich noch gar nichts gelesen. Schüler, die ihre erwachende Sexualität als etwas Schönes, Lebensbejahendes erleben wollen und sollen. Wie wollen wir damit umgehen? Wir werden entscheiden müssen: was ist Privatsphäre, was geht niemand etwas an - und wo läuft etwas schief, was überschreitet gebotene Grenzen.

     

    Im Artikel heißt es: "Die Täter sind geniale Manipulierer sozialer Beziehungen." Müssen wir nicht alle unsere Einstellungen überdenken, uns schulen im frühzeitigen Wahrnehmen, wo etwas nicht stimmt? Hinschauen und Zuhören lernen, vor allen Dingen aber Sprechen und rechtzeitig Handeln! Vielleicht könnte viel Leid vermieden werden bei all den Kindern, die doch unserem Schutz und Beistand vertrauen. Offenheit und Transparenz statt Verdrängen und Vertuschen hätte den Einrichtungen viele Peinlichkeiten und Betroffenheitsszenarien erspart. Vielleicht hätte auch mancher Lehrer ein beliebter und wertvoller Pädagoge bleiben können, wenn man ihm rechtzeitig auf die Finger geklopft und nicht weggeschaut hätte.

  • E
    Elitär

    Die Odenwaldschule nannte sich ja Eliteschule weil soviele Kinder von Prominenten -also der Elite-die Schule besuchten.

  • E
    Ex-Odenwaldschüler

    Es gab/gibt sehr wohl eine Täterlobby und ein Netzwerk mit vielen prominenten Namen die alles dafür geben nicht im Zusammenhang mit dem Padösexuellenskandal an/um die odenwaldschule genannt zu werden.Das alles war/ist nur die Spitze des Eisberges.Hervorragender Kommentar.Vielen Dank.

  • D
    docvonstock

    Sehr merkwürdig ist dieses Schweigen in diesem Forum zu dem noch merkwürdigeren Kommentar. Warum wehren sich die Kollegen Lehrer nicht? Immerhin diffamiert hier jemand einen ganzen Berufsstand als "Täterlobby". Gerade die anmaßenden Journalisten, die sich gern als vierte Gewalt beweihräuchern lassen, haben es nötig zuvörderst doch vor der eigenen Tür zu kehren. Der Kommentar beweist es. Chris Füller muss geradezu von großer Dankbarkeit erfüllt sein, dass er ein so publikumswirksames Thema ausgegraben hat.

     

    Jedoch stellt sich die Frage nach der Objektivität. Wenn er den Pädagogen unter Generalverdacht stellt, so muss er sich fragen lassen, wie er vielleicht seine Kollegen beurteilt, die als "Mietmäuler" bereitwillig sich vor den Karren der Unternehmer spannen lassen. Ganz zu schweigen von denen, die als Mitarbeiter des Springer-Konzerns, insbesondere als BILD-Mitarbeiter, diese Skandale bis zum äußersten ausschlachten.

     

    Das ist wohl keine Täterlobby? Ich finde es immer interessant, wie sich dann die Kollegen der schreibenden Zunft winden, wenn sie zugeben müssen, dass sie auch einmal für BILD gearbeitet haben. Da ist dann von einer "wichtigen" Lehrzeit die Rede. Da habe ich allerdings etwas anderes bei der "Mitteldeutschen Zeitung" gelernt.

     

    Es wäre einmal interessant statistisch zu vergleichen, wie hoch die Quote der Straftäter unter den Lehrern Deutschlands im Vergleich zu der "von Fremdinteressen gesteuerten" Journalistenlobby ist. Auch eine taz bliebe davon mit Sicherheit nicht verschont und das Volk könnte dann die wahren Ausmaße beurteilen.

  • S
    swilly

    Großartiger Kommentar, Herr Füller!

     

    Ich möchte echt nicht jetzt darüber urteilen, was an dieser Schule im Odenwald abgelaufen ist oder nicht! Ich weiß es nicht! Ich kenne es nur aus der Presse.

     

    Aber Ihr Kommentar ist nun ja...gelinde gesagt tendenziös. Sie schreiben von einer Täterlobby!

     

    Angesichts der täglichen Beeinflussung der Politik von tatsächlichen Lobbyisten schwätzen Sie von einer pädophilen Täterlobby!?

     

    Was bitte soll das? Die pädophile Weltverschwörung?

     

    Machen Sie sich weiter lächerlich, Sie kennen nicht mal den Unterschied zwischen Pädophilen und Päderasten, so scheint es zumindest, wenn Sie schreiben:

    "An einer Modellschule wird ein Lehrer als Pädophiler enttarnt und entlassen - er kehrt als Fotograf zurück. Ein angesehenes Jesuitenkolleg hebt mahnend den Zeigefinger - und entsendet den Päderasten zur nächsten Schule."

     

    Wikipedia hift Ihnen eventuell bei der Differenzierung Herr Füller! Oder anerkannte Sexualwissenschaftler!

     

    Und noch eine Frage sei mir gestattet: Was bitte ist ein anerkannter Päderast?

    Staatlich anerkannt? Gibts da eine Prüfung?

     

    Erbärmlicher Kommentar!

     

    Genau wie Ihr Artikel zum gleichen Thema, in dem Sie den Rechtsstaat in Frage stellen! Noch stellen in Deutschland ordentliche Gerichte fest, wer ein Täter ist oder nicht!

    Und nicht irgendwelche EX-Richterinnen oder eine Julia von und zu oder Sie Herr Füller!