Kommentar Mindestlöhne: Neue Tricks für Dumpinglöhne
Kaum hat der Bundestag den Mindestlohn für die Postbranche beschlossen, wollen private Briefdienste ihn auch schon unterlaufen. Mit einem völlig absurden Vorschlag.
E ine überfällige Entscheidung: Nach langem Streit hat der Bundestag den Mindestlohn für die Postbranche verabschiedet. Doch mit diesem demokratischen Beschluss wollen sich die privaten Briefzusteller nicht abfinden. Mit allen Mitteln kämpfen sie dafür, weiterhin Niedriglöhne zu bezahlen.
Malte Kreutzfeldt ist Leiter des Ressorts Ökologie und Wirtschaft bei der taz.
Unmittelbar nach dem Bundestagsvotum gab der Springer Verlag bekannt, dass er kein weiteres Geld für seine Brieftochter PIN AG zur Verfügung stellt. So wollen die Medienprofis die Legende festigen, die Politik sei schuld am Scheitern des Unternehmens - und damit auch am Verlust tausender Arbeitsplätze. In Wahrheit hat die PIN AG auch dieses Jahr, ganz ohne Mindestlohn, schätzungsweise 55 Millionen Euro Verlust produziert; Springer hat ohnehin über einen Ausstieg nachgedacht. Gleichzeitig unternehmen die privaten Briefdienste einen weiteren Versuch, den Mindestlohn zu unterlaufen: Mit dem Argument, sie seien mit der Post nicht vergleichbar, weil sie zusätzliche Leistungen wie die Zustellung am selben Tag anbieten, fordern sie einen eigenen Tarifvertrag. Diese Argumentation - wir bieten mehr und zahlen unseren Leuten darum weniger - ist allerdings so absurd, dass ein Erfolg schwer vorstellbar ist.
Es ist zu hoffen, dass die Politik zu ihrer Einigung steht. Dass die PIN AG das möglicherweise nicht überlebt, darf kein Hinderungsgrund sein.
Zum einen gibt es ohnehin Zweifel daran, dass mehrere bundesweite Postkonkurrenten wirtschaftlich lebensfähig sein können - oder sollten: Weder volkswirtschaftlich noch ökologisch ist es sinnvoll, dass jedes Haus von fünf verschiedenen Briefträgern oder Paketdiensten angefahren wird, die jeweils eine Sendung bringen.
Zudem geht das Wachstum der Konkurrenten natürlich zu Lasten der Deutschen Post. Die Frage ist also nicht, ob Arbeitsplätze entfallen, sondern, welche: tariflich bezahlte Vollzeitstellen bei der Post - oder gering entlohnte Minijobs, die bei den privaten Anbietern 2006 rund 60 Prozent der Stellen ausmachten. Die Politik hat klargestellt: Es kann nicht die Geschäftsgrundlage eines Unternehmens sein, so niedrige Löhne zu bezahlen, dass ein großer Teil der Mitarbeiter zusätzlich Hartz IV bekommen muss.
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